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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
den Reiz einer schattenlosen, silberschimmernden, überaus geist-
reichen Behandlung. Zur hellen Hautfarbe, noch erhöht durch
künstliche Mittel, passt die weisse Seide, die Brillanten und
Perlen, die jene noch zu überstrahlen scheint; das blonde Weiss
und Roth der Wangen, mit lila Halbtönen, klingt wieder in den
Rosen und Diamanten der Haare, und alles gewinnt noch durch
den Kontrast des dunkelgrünen Vorhangs. Weiss und schwarz
(in den Spitzen), Goldglanz, Zinnober stehen da nebeneinander
in fast schrillen borrones, ohne dass ein Ton sich mildernd,
ausgleichend darüber legte, oder ein Schatten Ruhe gewährte.
Wie ins Kerzenmeer eines Festsaals eingetauchte Gestalten das
Auge blenden, sollten so hier durch das in reinster Kraft wirkende
Licht- und Farbenspiel die Sinne berückt werden, ehe der Ge-
schmack zu einem Urtheil sich sammelte 1)?

Unter Leitung ihrer Camarera mayor fand sich die Wienerin
bald in ihre Rolle. Der Zwang spanischer Etikette drückte nun
ihrem Gesicht jenen stolz-gelangweilten Zug spanischer Majestät
auf, nur gesellte sich bei ihr noch eine mürrische Verziehung des
Mundes hinzu, die ihren Charakter verrieth: man nannte sie
schon die "eigensinnige und starrköpfige Deutsche" (ostinata e
pertinace Allemana
). Die Miene verdriesslicher Blasirtheit macht
alt; in den beiden Bildnissen, wo sie dem König gegenüber
steht, fällt der Unterschied der dreissig Jahre nicht mehr auf.

1) Zahlreiche Schulbilder dieser ersten Jahre beweisen, wie begehrt die Bild-
nisse der jungen Königin waren. Das einzige mir bekannte, welches auf
jenes Wiener Bildniss zurückgeht, dürfte die Wiederholung in der Galerie La
Caze im Louvre (Nr. 37) sein, ihm stand die sehr kindliche Büste nahe, welche
auf der Ausstellung im Palais Bourbon (1874, Mr. Ledieu) erschien. Das viel-
gelobte Exemplar, welches Ferdinand VII vom Canonikus Cepero in Sevilla für
zwei Zurbarans eintauschte, und das in der Versteigerung des General Meade (1847)
von R. Ford für dreizehn Guineen erstanden wurde, ist mit hastigem, breitem,
aber flauem und eintönigem Pinsel gemacht, fast nur mit schwarz und gelb. So
stumpfe dunkle Farben kommen am wenigsten in dieser Zeit bei dem Meister vor.
Die Perrücke ist hier statt in lothrechten Locken, in bogenförmigen Wülsten tressirt.
Aehnlich wie in dem Brustbild bei Nicolas Gato de Lema in Madrid (Laurent
1293), mit welchem das Exemplar der Galerie Villasante de Montija ziemlich über-
einstimmt. Diess kam aus A. Febvre's Versteigerung für 3000 Francs in eine Berliner
Sammlung und ist in H. Thode's Kunstfreund (1885, S. 186) vortrefflich beschrieben.
Aber eine äussere Aehnlichkeit mit den lebhaften, pastosen toques des Meisters
kann über die mangelhafte Haltung, die rohe und dürftige Modellirung nicht
täuschen. Auch das Exemplar in der Cook'chen Galerie zu Richmond ist ein
Schulbild.

Siebentes Buch.
den Reiz einer schattenlosen, silberschimmernden, überaus geist-
reichen Behandlung. Zur hellen Hautfarbe, noch erhöht durch
künstliche Mittel, passt die weisse Seide, die Brillanten und
Perlen, die jene noch zu überstrahlen scheint; das blonde Weiss
und Roth der Wangen, mit lila Halbtönen, klingt wieder in den
Rosen und Diamanten der Haare, und alles gewinnt noch durch
den Kontrast des dunkelgrünen Vorhangs. Weiss und schwarz
(in den Spitzen), Goldglanz, Zinnober stehen da nebeneinander
in fast schrillen borrones, ohne dass ein Ton sich mildernd,
ausgleichend darüber legte, oder ein Schatten Ruhe gewährte.
Wie ins Kerzenmeer eines Festsaals eingetauchte Gestalten das
Auge blenden, sollten so hier durch das in reinster Kraft wirkende
Licht- und Farbenspiel die Sinne berückt werden, ehe der Ge-
schmack zu einem Urtheil sich sammelte 1)?

Unter Leitung ihrer Camarera mayor fand sich die Wienerin
bald in ihre Rolle. Der Zwang spanischer Etikette drückte nun
ihrem Gesicht jenen stolz-gelangweilten Zug spanischer Majestät
auf, nur gesellte sich bei ihr noch eine mürrische Verziehung des
Mundes hinzu, die ihren Charakter verrieth: man nannte sie
schon die „eigensinnige und starrköpfige Deutsche“ (ostinata e
pertinace Allemana
). Die Miene verdriesslicher Blasirtheit macht
alt; in den beiden Bildnissen, wo sie dem König gegenüber
steht, fällt der Unterschied der dreissig Jahre nicht mehr auf.

1) Zahlreiche Schulbilder dieser ersten Jahre beweisen, wie begehrt die Bild-
nisse der jungen Königin waren. Das einzige mir bekannte, welches auf
jenes Wiener Bildniss zurückgeht, dürfte die Wiederholung in der Galerie La
Caze im Louvre (Nr. 37) sein, ihm stand die sehr kindliche Büste nahe, welche
auf der Ausstellung im Palais Bourbon (1874, Mr. Ledieu) erschien. Das viel-
gelobte Exemplar, welches Ferdinand VII vom Canonikus Cepero in Sevilla für
zwei Zurbarans eintauschte, und das in der Versteigerung des General Meade (1847)
von R. Ford für dreizehn Guineen erstanden wurde, ist mit hastigem, breitem,
aber flauem und eintönigem Pinsel gemacht, fast nur mit schwarz und gelb. So
stumpfe dunkle Farben kommen am wenigsten in dieser Zeit bei dem Meister vor.
Die Perrücke ist hier statt in lothrechten Locken, in bogenförmigen Wülsten tressirt.
Aehnlich wie in dem Brustbild bei Nicolas Gato de Lema in Madrid (Laurent
1293), mit welchem das Exemplar der Galerie Villasante de Montija ziemlich über-
einstimmt. Diess kam aus A. Febvre’s Versteigerung für 3000 Francs in eine Berliner
Sammlung und ist in H. Thode’s Kunstfreund (1885, S. 186) vortrefflich beschrieben.
Aber eine äussere Aehnlichkeit mit den lebhaften, pastosen toques des Meisters
kann über die mangelhafte Haltung, die rohe und dürftige Modellirung nicht
täuschen. Auch das Exemplar in der Cook’chen Galerie zu Richmond ist ein
Schulbild.
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[292/0312] Siebentes Buch. den Reiz einer schattenlosen, silberschimmernden, überaus geist- reichen Behandlung. Zur hellen Hautfarbe, noch erhöht durch künstliche Mittel, passt die weisse Seide, die Brillanten und Perlen, die jene noch zu überstrahlen scheint; das blonde Weiss und Roth der Wangen, mit lila Halbtönen, klingt wieder in den Rosen und Diamanten der Haare, und alles gewinnt noch durch den Kontrast des dunkelgrünen Vorhangs. Weiss und schwarz (in den Spitzen), Goldglanz, Zinnober stehen da nebeneinander in fast schrillen borrones, ohne dass ein Ton sich mildernd, ausgleichend darüber legte, oder ein Schatten Ruhe gewährte. Wie ins Kerzenmeer eines Festsaals eingetauchte Gestalten das Auge blenden, sollten so hier durch das in reinster Kraft wirkende Licht- und Farbenspiel die Sinne berückt werden, ehe der Ge- schmack zu einem Urtheil sich sammelte 1)? Unter Leitung ihrer Camarera mayor fand sich die Wienerin bald in ihre Rolle. Der Zwang spanischer Etikette drückte nun ihrem Gesicht jenen stolz-gelangweilten Zug spanischer Majestät auf, nur gesellte sich bei ihr noch eine mürrische Verziehung des Mundes hinzu, die ihren Charakter verrieth: man nannte sie schon die „eigensinnige und starrköpfige Deutsche“ (ostinata e pertinace Allemana). Die Miene verdriesslicher Blasirtheit macht alt; in den beiden Bildnissen, wo sie dem König gegenüber steht, fällt der Unterschied der dreissig Jahre nicht mehr auf. 1) Zahlreiche Schulbilder dieser ersten Jahre beweisen, wie begehrt die Bild- nisse der jungen Königin waren. Das einzige mir bekannte, welches auf jenes Wiener Bildniss zurückgeht, dürfte die Wiederholung in der Galerie La Caze im Louvre (Nr. 37) sein, ihm stand die sehr kindliche Büste nahe, welche auf der Ausstellung im Palais Bourbon (1874, Mr. Ledieu) erschien. Das viel- gelobte Exemplar, welches Ferdinand VII vom Canonikus Cepero in Sevilla für zwei Zurbarans eintauschte, und das in der Versteigerung des General Meade (1847) von R. Ford für dreizehn Guineen erstanden wurde, ist mit hastigem, breitem, aber flauem und eintönigem Pinsel gemacht, fast nur mit schwarz und gelb. So stumpfe dunkle Farben kommen am wenigsten in dieser Zeit bei dem Meister vor. Die Perrücke ist hier statt in lothrechten Locken, in bogenförmigen Wülsten tressirt. Aehnlich wie in dem Brustbild bei Nicolas Gato de Lema in Madrid (Laurent 1293), mit welchem das Exemplar der Galerie Villasante de Montija ziemlich über- einstimmt. Diess kam aus A. Febvre’s Versteigerung für 3000 Francs in eine Berliner Sammlung und ist in H. Thode’s Kunstfreund (1885, S. 186) vortrefflich beschrieben. Aber eine äussere Aehnlichkeit mit den lebhaften, pastosen toques des Meisters kann über die mangelhafte Haltung, die rohe und dürftige Modellirung nicht täuschen. Auch das Exemplar in der Cook’chen Galerie zu Richmond ist ein Schulbild.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/312>, abgerufen am 19.04.2024.