des Chiaroscuro bei den Naturalisten und Bolognesern eine Rückbewegung zum Einfachwahren gefolgt, und das Ergebniss würde noch erfreulicher gewesen sein, wenn dieser Umschwung nicht in die Zeit der Schnellmalerei und des sinkenden Ernstes gefallen wäre. Luca Giordano, Francesco de Mura, Tiepolo wird man öfters auf diesen Wegen antreffen.
Eigentlich war ja das Neuste hier wieder eine Rückkehr zum Aeltesten. Die italienischen Tempera- und Freskomaler des fünfzehnten Jahrhunderts hat nicht bloss die Natur ihrer Farben oft auf die natürlichste Art der Beleuchtung geführt (z. B. Pier della Francesca); und die altflandrische und niederrheinische Malerei würde ihr noch öfter nahe gekommen sein, wenn nicht die Liebe zu schönen und leuchtenden Farben, wie die neue Tech- nik sie ermöglichte, davon abgelenkt hätte, jene Beleuchtung auch in der Farbenabtönung folgerichtig durchzuführen. Aber die Ita- liener der grossen Zeit seit Leonardo haben sich unter dem Ein- fluss der Oelmalerei den starken Gegensätzen zugewendet: diese kamen dem Streben nach Vereinfachung des Vortrags, frappanten Wirkungen, Sammlung des Interesses entgegen. --
Eine Technik wie die des Velazquez, welche auf der Fein- heit und Schärfe malerischen Sehens beruht, sich den Gegen- ständen wechselnd anpasst und mit einfachen Mitteln durch eine vom optischen Gefühl geleitete Hand ihre Wirkungen erzielt, ist nicht gemacht für Nachahmer. Dennoch sind Kenner oft mit Schulbildern und Kopien getäuscht worden. Man sah zu sehr auf das Aeussere, den Ton und Strich: aber das Un- nachahmliche liegt nie im Aeusserlichen, sondern im Umfang und der Tiefe des Wissens, Sehens und Könnens. Es giebt Merk- male, die sich bei den echten Stücken immer finden und nie bei den Schülern. Dazu gehört die Unveränderlichkeit der Farbe und die damit zusammenhängende Klarheit des Auseinander- gehens im Raum, ferner die Frische des Incarnats, die Zartheit der durchsichtigen Haut und ihr feiner Schimmer, den Mengs an dem Reiterkopf Philipp IV bewunderte (sembra rilucervi la cute) und Waagen an den Bettelphilosophen, "wo jeder Versuch mit Worten eine Vorstellung von dieser Wahrheit der Fleisch- töne zu geben umsonst sei". Getrost aberkennen kann man ihm alle stumpfen, trüben Gesichter; alle noch so bravourmässigen borrones, wo dieser flüchtige und skizzenhafte Schein nicht der meisterhaften Festigkeit und Feinheit der Zeichnung und Modelli- rung dient, und der Vollkommenheit des Verständnisses von Form und Textur.
Der dritte Stil.
des Chiaroscuro bei den Naturalisten und Bolognesern eine Rückbewegung zum Einfachwahren gefolgt, und das Ergebniss würde noch erfreulicher gewesen sein, wenn dieser Umschwung nicht in die Zeit der Schnellmalerei und des sinkenden Ernstes gefallen wäre. Luca Giordano, Francesco de Mura, Tiepolo wird man öfters auf diesen Wegen antreffen.
Eigentlich war ja das Neuste hier wieder eine Rückkehr zum Aeltesten. Die italienischen Tempera- und Freskomaler des fünfzehnten Jahrhunderts hat nicht bloss die Natur ihrer Farben oft auf die natürlichste Art der Beleuchtung geführt (z. B. Pier della Francesca); und die altflandrische und niederrheinische Malerei würde ihr noch öfter nahe gekommen sein, wenn nicht die Liebe zu schönen und leuchtenden Farben, wie die neue Tech- nik sie ermöglichte, davon abgelenkt hätte, jene Beleuchtung auch in der Farbenabtönung folgerichtig durchzuführen. Aber die Ita- liener der grossen Zeit seit Leonardo haben sich unter dem Ein- fluss der Oelmalerei den starken Gegensätzen zugewendet: diese kamen dem Streben nach Vereinfachung des Vortrags, frappanten Wirkungen, Sammlung des Interesses entgegen. —
Eine Technik wie die des Velazquez, welche auf der Fein- heit und Schärfe malerischen Sehens beruht, sich den Gegen- ständen wechselnd anpasst und mit einfachen Mitteln durch eine vom optischen Gefühl geleitete Hand ihre Wirkungen erzielt, ist nicht gemacht für Nachahmer. Dennoch sind Kenner oft mit Schulbildern und Kopien getäuscht worden. Man sah zu sehr auf das Aeussere, den Ton und Strich: aber das Un- nachahmliche liegt nie im Aeusserlichen, sondern im Umfang und der Tiefe des Wissens, Sehens und Könnens. Es giebt Merk- male, die sich bei den echten Stücken immer finden und nie bei den Schülern. Dazu gehört die Unveränderlichkeit der Farbe und die damit zusammenhängende Klarheit des Auseinander- gehens im Raum, ferner die Frische des Incarnats, die Zartheit der durchsichtigen Haut und ihr feiner Schimmer, den Mengs an dem Reiterkopf Philipp IV bewunderte (sembra rilucervi la cute) und Waagen an den Bettelphilosophen, „wo jeder Versuch mit Worten eine Vorstellung von dieser Wahrheit der Fleisch- töne zu geben umsonst sei“. Getrost aberkennen kann man ihm alle stumpfen, trüben Gesichter; alle noch so bravourmässigen borrones, wo dieser flüchtige und skizzenhafte Schein nicht der meisterhaften Festigkeit und Feinheit der Zeichnung und Modelli- rung dient, und der Vollkommenheit des Verständnisses von Form und Textur.
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Der dritte Stil.
des Chiaroscuro bei den Naturalisten und Bolognesern eine
Rückbewegung zum Einfachwahren gefolgt, und das Ergebniss
würde noch erfreulicher gewesen sein, wenn dieser Umschwung
nicht in die Zeit der Schnellmalerei und des sinkenden Ernstes
gefallen wäre. Luca Giordano, Francesco de Mura, Tiepolo wird
man öfters auf diesen Wegen antreffen.
Eigentlich war ja das Neuste hier wieder eine Rückkehr
zum Aeltesten. Die italienischen Tempera- und Freskomaler des
fünfzehnten Jahrhunderts hat nicht bloss die Natur ihrer Farben
oft auf die natürlichste Art der Beleuchtung geführt (z. B. Pier
della Francesca); und die altflandrische und niederrheinische
Malerei würde ihr noch öfter nahe gekommen sein, wenn nicht
die Liebe zu schönen und leuchtenden Farben, wie die neue Tech-
nik sie ermöglichte, davon abgelenkt hätte, jene Beleuchtung auch
in der Farbenabtönung folgerichtig durchzuführen. Aber die Ita-
liener der grossen Zeit seit Leonardo haben sich unter dem Ein-
fluss der Oelmalerei den starken Gegensätzen zugewendet: diese
kamen dem Streben nach Vereinfachung des Vortrags, frappanten
Wirkungen, Sammlung des Interesses entgegen. —
Eine Technik wie die des Velazquez, welche auf der Fein-
heit und Schärfe malerischen Sehens beruht, sich den Gegen-
ständen wechselnd anpasst und mit einfachen Mitteln durch eine
vom optischen Gefühl geleitete Hand ihre Wirkungen erzielt,
ist nicht gemacht für Nachahmer. Dennoch sind Kenner oft
mit Schulbildern und Kopien getäuscht worden. Man sah zu
sehr auf das Aeussere, den Ton und Strich: aber das Un-
nachahmliche liegt nie im Aeusserlichen, sondern im Umfang und
der Tiefe des Wissens, Sehens und Könnens. Es giebt Merk-
male, die sich bei den echten Stücken immer finden und nie bei
den Schülern. Dazu gehört die Unveränderlichkeit der Farbe
und die damit zusammenhängende Klarheit des Auseinander-
gehens im Raum, ferner die Frische des Incarnats, die Zartheit
der durchsichtigen Haut und ihr feiner Schimmer, den Mengs
an dem Reiterkopf Philipp IV bewunderte (sembra rilucervi la
cute) und Waagen an den Bettelphilosophen, „wo jeder Versuch
mit Worten eine Vorstellung von dieser Wahrheit der Fleisch-
töne zu geben umsonst sei“. Getrost aberkennen kann man ihm
alle stumpfen, trüben Gesichter; alle noch so bravourmässigen
borrones, wo dieser flüchtige und skizzenhafte Schein nicht der
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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