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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Infantin Margarita.

Die Gemälde der letzten Jahre.
Der dritte Stil.

Von den Gemälden dieses letzten Jahrzehnts ist die Vor-
stellung des sogenannten dritten Stils hergenommen, den man
oft allein meint, wenn man vom Velazquezstil spricht. Und
nicht ganz mit Unrecht; denn er ist gewissermassen nur die
letzte Wandlung, der Punkt der Reife einer im Grunde sich
stets gleichen Kunst, in Folge wachsender Beherrschung der
Darstellungsmittel und Erfahrung des Auges. Leichtigkeit, Ele-
ganz, Geist sind nicht gerade Eigenschaften jugendlicher Kraft
und Feuers. Doch ist Velazquez bereits in seinen frühsten
Werken ein resoluter, breiter Darsteller gewesen, und schon
der Infant Ferdinand, der im Jahre 1632 Spanien verliess, rühmt
als besondere Eigenschaft seine Raschheit.

Was ist aber dieser dritte Stil? Man könnte sagen, seine
Maxime sei, mit dem geringsten Aufwand von Mitteln und Zeit
die grösste Wirkung zu erzielen; oder, es sei hier Ernst gemacht
mit der Grundregel der zeichnenden Künste: zu malen was man
wirklich sieht, nicht was man zu sehen glaubt oder erschliesst;
farbige Lichterscheinungen, bis zu den optischen Täuschungen.
Je weniger messbar und fassbar aber diess eigentliche Objekt der


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Die Infantin Margarita.

Die Gemälde der letzten Jahre.
Der dritte Stil.

Von den Gemälden dieses letzten Jahrzehnts ist die Vor-
stellung des sogenannten dritten Stils hergenommen, den man
oft allein meint, wenn man vom Velazquezstil spricht. Und
nicht ganz mit Unrecht; denn er ist gewissermassen nur die
letzte Wandlung, der Punkt der Reife einer im Grunde sich
stets gleichen Kunst, in Folge wachsender Beherrschung der
Darstellungsmittel und Erfahrung des Auges. Leichtigkeit, Ele-
ganz, Geist sind nicht gerade Eigenschaften jugendlicher Kraft
und Feuers. Doch ist Velazquez bereits in seinen frühsten
Werken ein resoluter, breiter Darsteller gewesen, und schon
der Infant Ferdinand, der im Jahre 1632 Spanien verliess, rühmt
als besondere Eigenschaft seine Raschheit.

Was ist aber dieser dritte Stil? Man könnte sagen, seine
Maxime sei, mit dem geringsten Aufwand von Mitteln und Zeit
die grösste Wirkung zu erzielen; oder, es sei hier Ernst gemacht
mit der Grundregel der zeichnenden Künste: zu malen was man
wirklich sieht, nicht was man zu sehen glaubt oder erschliesst;
farbige Lichterscheinungen, bis zu den optischen Täuschungen.
Je weniger messbar und fassbar aber diess eigentliche Objekt der

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[[272]/0292] [Abbildung Die Infantin Margarita.] Die Gemälde der letzten Jahre. Der dritte Stil. Von den Gemälden dieses letzten Jahrzehnts ist die Vor- stellung des sogenannten dritten Stils hergenommen, den man oft allein meint, wenn man vom Velazquezstil spricht. Und nicht ganz mit Unrecht; denn er ist gewissermassen nur die letzte Wandlung, der Punkt der Reife einer im Grunde sich stets gleichen Kunst, in Folge wachsender Beherrschung der Darstellungsmittel und Erfahrung des Auges. Leichtigkeit, Ele- ganz, Geist sind nicht gerade Eigenschaften jugendlicher Kraft und Feuers. Doch ist Velazquez bereits in seinen frühsten Werken ein resoluter, breiter Darsteller gewesen, und schon der Infant Ferdinand, der im Jahre 1632 Spanien verliess, rühmt als besondere Eigenschaft seine Raschheit. Was ist aber dieser dritte Stil? Man könnte sagen, seine Maxime sei, mit dem geringsten Aufwand von Mitteln und Zeit die grösste Wirkung zu erzielen; oder, es sei hier Ernst gemacht mit der Grundregel der zeichnenden Künste: zu malen was man wirklich sieht, nicht was man zu sehen glaubt oder erschliesst; farbige Lichterscheinungen, bis zu den optischen Täuschungen. Je weniger messbar und fassbar aber diess eigentliche Objekt der

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. [272]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/292>, abgerufen am 19.04.2024.