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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Schüler.
Hof gehabt; seine Witwe bewahrte noch lange die Briefe, welche
er ihm geschrieben, sie sollen später nach Mailand gekommen sein.
Da jene Fresken untergegangen sind, so würde man sich kaum
eine Vorstellung von seiner Malerei machen können, wenn nicht
ein sichres Bild von ihm in der Esterhazygalerie zu Pest sich er-
halten hätte, die heil. Therese knieend vor der Mutter Gottes.
Diess Gemälde fesselt durch dreiste Unmittelbarkeit und sinnlich
berückende wenn auch verworrene Orchestrirung der Farbe; mit
der Zeichnung hat er sich abgefunden wie ein hidalgo.

Sonst nennt man noch Francisco Palacios (1640 + 76), der
aber nach dem Tode des Meisters verkam; Tomas de Aguiar,
der kleine Porträts malte und von dem man nur weiss durch
ein Sonett des Dichters Antonio de Solis auf sein Bildniss; und
den Porträtmaler Francisco de Burgos Mantilla aus Burgos,
den Cean nicht einmal aus Diaz del Valle aufzunehmen der
Mühe werth fand. Er kam neunjährig nach Madrid und stand
dem Meister 34 Jahre lang nahe.

Das ist die Gefolgschaft armer Ritter auf dem Wege des
Velazquez zur Nachwelt. Sie waren zu unbedeutend um von
ihm lernen zu können. Das wenige was der Zufall von ihnen
gerettet hat genügt festzustellen, dass sie sich von der breiten
namenlosen Mittelmässigkeit ihrer Zeit kaum unterschieden haben.

Diess wird die für Velazquez nicht einnehmen, welche
glauben, das Recht der Künstler auf einen Platz in der Ge-
schichte gründe sich auf den Nachweis ihrer Einflüsse und ansehn-
liche Descendenz. Aber der Werth eines grossen Dichters und
Künstlers wird um kein Gramm leichter, selbst wenn von seiner
Nachfolge nichts besseres zu sagen wäre, als das römische
Heroum filii nequam. Kein Künstler und Kunstfreund wird
diesen Werth in etwas anderem suchen als dem was er vor
Augen sieht, und jemehr man diesen Werth, der unvergleichbar
ist und von allen zeitlichen Zusammenhängen unabhängig, an-
schauend fasst, desto ferner rücken jene Nebenvorstellungen, wäh-
rend freilich wir Geschichts- und Büchermacher, auf Ueberzeugung
durch die blosse Rede angewiesen, dergleichen dem Gegenstand
fremde Gedankenverbindungen nicht entbehren können.


Die Schüler.
Hof gehabt; seine Witwe bewahrte noch lange die Briefe, welche
er ihm geschrieben, sie sollen später nach Mailand gekommen sein.
Da jene Fresken untergegangen sind, so würde man sich kaum
eine Vorstellung von seiner Malerei machen können, wenn nicht
ein sichres Bild von ihm in der Esterhazygalerie zu Pest sich er-
halten hätte, die heil. Therese knieend vor der Mutter Gottes.
Diess Gemälde fesselt durch dreiste Unmittelbarkeit und sinnlich
berückende wenn auch verworrene Orchestrirung der Farbe; mit
der Zeichnung hat er sich abgefunden wie ein hidalgo.

Sonst nennt man noch Francisco Palacios (1640 † 76), der
aber nach dem Tode des Meisters verkam; Tomas de Aguiar,
der kleine Porträts malte und von dem man nur weiss durch
ein Sonett des Dichters Antonio de Solis auf sein Bildniss; und
den Porträtmaler Francisco de Burgos Mantilla aus Burgos,
den Cean nicht einmal aus Diaz del Valle aufzunehmen der
Mühe werth fand. Er kam neunjährig nach Madrid und stand
dem Meister 34 Jahre lang nahe.

Das ist die Gefolgschaft armer Ritter auf dem Wege des
Velazquez zur Nachwelt. Sie waren zu unbedeutend um von
ihm lernen zu können. Das wenige was der Zufall von ihnen
gerettet hat genügt festzustellen, dass sie sich von der breiten
namenlosen Mittelmässigkeit ihrer Zeit kaum unterschieden haben.

Diess wird die für Velazquez nicht einnehmen, welche
glauben, das Recht der Künstler auf einen Platz in der Ge-
schichte gründe sich auf den Nachweis ihrer Einflüsse und ansehn-
liche Descendenz. Aber der Werth eines grossen Dichters und
Künstlers wird um kein Gramm leichter, selbst wenn von seiner
Nachfolge nichts besseres zu sagen wäre, als das römische
Heroum filii nequam. Kein Künstler und Kunstfreund wird
diesen Werth in etwas anderem suchen als dem was er vor
Augen sieht, und jemehr man diesen Werth, der unvergleichbar
ist und von allen zeitlichen Zusammenhängen unabhängig, an-
schauend fasst, desto ferner rücken jene Nebenvorstellungen, wäh-
rend freilich wir Geschichts- und Büchermacher, auf Ueberzeugung
durch die blosse Rede angewiesen, dergleichen dem Gegenstand
fremde Gedankenverbindungen nicht entbehren können.


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[271/0291] Die Schüler. Hof gehabt; seine Witwe bewahrte noch lange die Briefe, welche er ihm geschrieben, sie sollen später nach Mailand gekommen sein. Da jene Fresken untergegangen sind, so würde man sich kaum eine Vorstellung von seiner Malerei machen können, wenn nicht ein sichres Bild von ihm in der Esterhazygalerie zu Pest sich er- halten hätte, die heil. Therese knieend vor der Mutter Gottes. Diess Gemälde fesselt durch dreiste Unmittelbarkeit und sinnlich berückende wenn auch verworrene Orchestrirung der Farbe; mit der Zeichnung hat er sich abgefunden wie ein hidalgo. Sonst nennt man noch Francisco Palacios (1640 † 76), der aber nach dem Tode des Meisters verkam; Tomas de Aguiar, der kleine Porträts malte und von dem man nur weiss durch ein Sonett des Dichters Antonio de Solis auf sein Bildniss; und den Porträtmaler Francisco de Burgos Mantilla aus Burgos, den Cean nicht einmal aus Diaz del Valle aufzunehmen der Mühe werth fand. Er kam neunjährig nach Madrid und stand dem Meister 34 Jahre lang nahe. Das ist die Gefolgschaft armer Ritter auf dem Wege des Velazquez zur Nachwelt. Sie waren zu unbedeutend um von ihm lernen zu können. Das wenige was der Zufall von ihnen gerettet hat genügt festzustellen, dass sie sich von der breiten namenlosen Mittelmässigkeit ihrer Zeit kaum unterschieden haben. Diess wird die für Velazquez nicht einnehmen, welche glauben, das Recht der Künstler auf einen Platz in der Ge- schichte gründe sich auf den Nachweis ihrer Einflüsse und ansehn- liche Descendenz. Aber der Werth eines grossen Dichters und Künstlers wird um kein Gramm leichter, selbst wenn von seiner Nachfolge nichts besseres zu sagen wäre, als das römische Heroum filii nequam. Kein Künstler und Kunstfreund wird diesen Werth in etwas anderem suchen als dem was er vor Augen sieht, und jemehr man diesen Werth, der unvergleichbar ist und von allen zeitlichen Zusammenhängen unabhängig, an- schauend fasst, desto ferner rücken jene Nebenvorstellungen, wäh- rend freilich wir Geschichts- und Büchermacher, auf Ueberzeugung durch die blosse Rede angewiesen, dergleichen dem Gegenstand fremde Gedankenverbindungen nicht entbehren können.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/291>, abgerufen am 24.04.2024.