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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
eingesogen. Der Ausdruck lo que sobrevivio a este caso scheint
anzudeuten, dass dieser Vorfall kurz vor Velazquez' Ableben
stattfand.

Pareja war vornehmlich Maler von Bildnissen, auch seine
Köpfe wurden nach Palomino mit denen seines Herrn verwech-
selt. Keins ist mit Sicherheit bekannt; vielleicht ist das schöne
Porträt in der Galerie zu Lille (Nr. 651, 1,03 x 1,80), dort Murillo
zugeschrieben, das gerühmte Bildniss des Baumeisters Jose Rates.
Dass er aber selbst grossen Historien gewachsen war, beweist
sein Meisterwerk im Pradomuseum, zugleich sein einziges Werk
dort, das Zollhaus (el telonio) genannt, vom Jahre 1661; im
vorigen Jahrhundert in San Ildefonso und Aranjuez; damals auf
viertausend Realen geschätzt. Unter dem Fenster im Schatten
links sieht man auch die Figur des Malers mit einem Zettel, auf
dem sein Name steht. Die Scene, die Berufung des Matthäus,
war bei den Naturalisten beliebt, und ein ähnlich beschriebenes
Nachtstück dieses Inhalts im Schloss (schon 1636 angeführt) kann
Pareja die Anregung gegeben haben.

Das Zollhaus verräth einen in jeder Beziehung so durchge-
bildeten Maler, wie man es nach jenen seltsamen Lehrjahren
nicht erwartet hätte; ebenso überrascht die bei aller Lebendig-
keit der Erzählung gewahrte Noblesse der Aktion. Der Zufall
hatte Velazquez augenscheinlich einen geborenen Maler als
Sklaven zugeführt. Das wunderlichste aber ist, dass das Ge-
mälde gar nicht einmal Nachahmung des Meisters zeigt; höchstens
im Schema der Komposition und in dem Doppellicht von Fen-
ster und Vorsaal könnte man einen Anklang finden; im übrigen
aber hat ihm eher die reiche Farbe und die Opulenz der
Ausstattung eines Rubens und Paul Veronese vorgeschwebt,
was auch zu seinem afrikanischen Blut passt.

Auf dieser Höhe aber scheint er sich nicht gehalten zu
haben. Sechs Jahre später malte er für die Trinitarier zu Toledo
eine Taufe Christi, die kürzlich aus dem Nationalmuseum in die
städtische Galerie von Huesca gewandert ist. Hier hat er
sich in dem altbeliebten Kirchenstil versucht: Glorie, viel Land-
schaft, Nebenscenen im Grund. Aber der Ton ist fahl, gelb und
kalt, die Zeichnung manierirt, der Strich aufgelöst locker, die
Hauptgestalt unedel. Gewohnt sich anzulehnen hat er sich in
Toledo den Greco zum Vorbild genommen. Noch von einer
dritten Seite zeigte ihn ein tumultuarisches Reitergefecht des
ehemaligen Nationalmuseums (Nr. 414) im Geschmack Salvators. --

Siebentes Buch.
eingesogen. Der Ausdruck lo que sobrevivió á este caso scheint
anzudeuten, dass dieser Vorfall kurz vor Velazquez’ Ableben
stattfand.

Pareja war vornehmlich Maler von Bildnissen, auch seine
Köpfe wurden nach Palomino mit denen seines Herrn verwech-
selt. Keins ist mit Sicherheit bekannt; vielleicht ist das schöne
Porträt in der Galerie zu Lille (Nr. 651, 1,03 × 1,80), dort Murillo
zugeschrieben, das gerühmte Bildniss des Baumeisters José Ratés.
Dass er aber selbst grossen Historien gewachsen war, beweist
sein Meisterwerk im Pradomuseum, zugleich sein einziges Werk
dort, das Zollhaus (el telonio) genannt, vom Jahre 1661; im
vorigen Jahrhundert in San Ildefonso und Aranjuez; damals auf
viertausend Realen geschätzt. Unter dem Fenster im Schatten
links sieht man auch die Figur des Malers mit einem Zettel, auf
dem sein Name steht. Die Scene, die Berufung des Matthäus,
war bei den Naturalisten beliebt, und ein ähnlich beschriebenes
Nachtstück dieses Inhalts im Schloss (schon 1636 angeführt) kann
Pareja die Anregung gegeben haben.

Das Zollhaus verräth einen in jeder Beziehung so durchge-
bildeten Maler, wie man es nach jenen seltsamen Lehrjahren
nicht erwartet hätte; ebenso überrascht die bei aller Lebendig-
keit der Erzählung gewahrte Noblesse der Aktion. Der Zufall
hatte Velazquez augenscheinlich einen geborenen Maler als
Sklaven zugeführt. Das wunderlichste aber ist, dass das Ge-
mälde gar nicht einmal Nachahmung des Meisters zeigt; höchstens
im Schema der Komposition und in dem Doppellicht von Fen-
ster und Vorsaal könnte man einen Anklang finden; im übrigen
aber hat ihm eher die reiche Farbe und die Opulenz der
Ausstattung eines Rubens und Paul Veronese vorgeschwebt,
was auch zu seinem afrikanischen Blut passt.

Auf dieser Höhe aber scheint er sich nicht gehalten zu
haben. Sechs Jahre später malte er für die Trinitarier zu Toledo
eine Taufe Christi, die kürzlich aus dem Nationalmuseum in die
städtische Galerie von Huesca gewandert ist. Hier hat er
sich in dem altbeliebten Kirchenstil versucht: Glorie, viel Land-
schaft, Nebenscenen im Grund. Aber der Ton ist fahl, gelb und
kalt, die Zeichnung manierirt, der Strich aufgelöst locker, die
Hauptgestalt unedel. Gewohnt sich anzulehnen hat er sich in
Toledo den Greco zum Vorbild genommen. Noch von einer
dritten Seite zeigte ihn ein tumultuarisches Reitergefecht des
ehemaligen Nationalmuseums (Nr. 414) im Geschmack Salvators. —

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[268/0288] Siebentes Buch. eingesogen. Der Ausdruck lo que sobrevivió á este caso scheint anzudeuten, dass dieser Vorfall kurz vor Velazquez’ Ableben stattfand. Pareja war vornehmlich Maler von Bildnissen, auch seine Köpfe wurden nach Palomino mit denen seines Herrn verwech- selt. Keins ist mit Sicherheit bekannt; vielleicht ist das schöne Porträt in der Galerie zu Lille (Nr. 651, 1,03 × 1,80), dort Murillo zugeschrieben, das gerühmte Bildniss des Baumeisters José Ratés. Dass er aber selbst grossen Historien gewachsen war, beweist sein Meisterwerk im Pradomuseum, zugleich sein einziges Werk dort, das Zollhaus (el telonio) genannt, vom Jahre 1661; im vorigen Jahrhundert in San Ildefonso und Aranjuez; damals auf viertausend Realen geschätzt. Unter dem Fenster im Schatten links sieht man auch die Figur des Malers mit einem Zettel, auf dem sein Name steht. Die Scene, die Berufung des Matthäus, war bei den Naturalisten beliebt, und ein ähnlich beschriebenes Nachtstück dieses Inhalts im Schloss (schon 1636 angeführt) kann Pareja die Anregung gegeben haben. Das Zollhaus verräth einen in jeder Beziehung so durchge- bildeten Maler, wie man es nach jenen seltsamen Lehrjahren nicht erwartet hätte; ebenso überrascht die bei aller Lebendig- keit der Erzählung gewahrte Noblesse der Aktion. Der Zufall hatte Velazquez augenscheinlich einen geborenen Maler als Sklaven zugeführt. Das wunderlichste aber ist, dass das Ge- mälde gar nicht einmal Nachahmung des Meisters zeigt; höchstens im Schema der Komposition und in dem Doppellicht von Fen- ster und Vorsaal könnte man einen Anklang finden; im übrigen aber hat ihm eher die reiche Farbe und die Opulenz der Ausstattung eines Rubens und Paul Veronese vorgeschwebt, was auch zu seinem afrikanischen Blut passt. Auf dieser Höhe aber scheint er sich nicht gehalten zu haben. Sechs Jahre später malte er für die Trinitarier zu Toledo eine Taufe Christi, die kürzlich aus dem Nationalmuseum in die städtische Galerie von Huesca gewandert ist. Hier hat er sich in dem altbeliebten Kirchenstil versucht: Glorie, viel Land- schaft, Nebenscenen im Grund. Aber der Ton ist fahl, gelb und kalt, die Zeichnung manierirt, der Strich aufgelöst locker, die Hauptgestalt unedel. Gewohnt sich anzulehnen hat er sich in Toledo den Greco zum Vorbild genommen. Noch von einer dritten Seite zeigte ihn ein tumultuarisches Reitergefecht des ehemaligen Nationalmuseums (Nr. 414) im Geschmack Salvators. —

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/288>, abgerufen am 19.04.2024.