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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Schüler.
oder zwei Stücke von sich zwischen die fremde Arbeit zu setzen.
So bedurfte er weniger der Gehülfenschaft (aus der die Schule
hervorgeht) als andere.

Die Biographen nennen eine ziemliche Anzahl Schüler,
aber es sind kaum drei darunter, welche seine Malweise ange-
nommen haben, von einigen ist gar nichts mehr nachzuweisen.
Bei seinem zeitraubenden Dienst wird er wenig Zeit zum Unter-
richt übrig gehabt haben. Da Seine Majestät sehr oft im Atelier
erschien, so werden dort wol nur Leute von Stand und gewandt in
der Unterhaltung gern gesehn worden sein. Ein solcher witziger
Kopf (de dichos muy agudos y sentenciosos) war Benito Manuel
de Agüero, ein Schüler seines Schwiegersohns. Mehrere waren
Adlige, wie D. Nicolas de Villacis aus Murcia, D. Juan de Alfaro
y Gamez aus Cordoba, der Andalusier Diego de Lucena, "Ca-
ballero de ilustre sangre"
. Diese vielseitigen jungen Herren
übten die Kunst zu ihrem Vergnügen; sie hatten wol gar die
Schwachheit (wie Alfaro), den Namen Maler abzulehnen.

Des Meisters Lehrthätigkeit mag sich also auf Winke,
Empfehlung von Vorbildern beschränkt haben. Und letztere
können nur die Venezianer und Niederländer im Palast gewesen
sein, welche ohnehin jenen für Farbe und Helldunkel empfäng-
lichen Südländern am meisten zusagen mussten. Aber von den
Wegen des Meisters führten sie ab.

Diess zeigt auch ein Blick auf die zahlreiche und glänzende
Malerschaar, welche sich zu seiner Zeit und unter seinen Augen
in Madrid gebildet hat, -- die Cerezo, Escalante, Francisco Rizi,
Diego Polo, Carrenno und Claudio Coello.

In Studien und Auffassung haben sie mit Velazquez nicht
viel gemein. Die Kontraposte Tintoretto's, die Gruppirungen
Bassano's, die vornehmen Posen Paolo's bestreiten die Kosten
der Komposition. Die Ankunft der römischen Abgüsse verräth
sich sofort in klassischen Masken; weibliche Modelle waren ja
so schwer zu haben. Die grossen Maschinen der Visionen und
Glorien, die Kargheit des Lohnes, die angeborne Bequemlichkeit
drängte zur maniera; zu feineren Naturbeobachtungen hatten sie
keine Zeit.

Einige fühlten sich von dem blühenden Colorit der Nieder-
länder angezogen, Cerezo's mystische Vermählung der heil. Ca-
tharina im Kapitelsaal zu Palencia würde sich neben dem farben-
glühendsten Rubens behaupten. Die meisten aber wandten sich
Tizian zu, dessen spätere Manier auf sie einen solchen Eindruck

Die Schüler.
oder zwei Stücke von sich zwischen die fremde Arbeit zu setzen.
So bedurfte er weniger der Gehülfenschaft (aus der die Schule
hervorgeht) als andere.

Die Biographen nennen eine ziemliche Anzahl Schüler,
aber es sind kaum drei darunter, welche seine Malweise ange-
nommen haben, von einigen ist gar nichts mehr nachzuweisen.
Bei seinem zeitraubenden Dienst wird er wenig Zeit zum Unter-
richt übrig gehabt haben. Da Seine Majestät sehr oft im Atelier
erschien, so werden dort wol nur Leute von Stand und gewandt in
der Unterhaltung gern gesehn worden sein. Ein solcher witziger
Kopf (de dichos muy agudos y sentenciosos) war Benito Manuel
de Agüero, ein Schüler seines Schwiegersohns. Mehrere waren
Adlige, wie D. Nicolas de Villacis aus Murcia, D. Juan de Alfaro
y Gamez aus Cordoba, der Andalusier Diego de Lucena, „Ca-
ballero de ilustre sangre“
. Diese vielseitigen jungen Herren
übten die Kunst zu ihrem Vergnügen; sie hatten wol gar die
Schwachheit (wie Alfaro), den Namen Maler abzulehnen.

Des Meisters Lehrthätigkeit mag sich also auf Winke,
Empfehlung von Vorbildern beschränkt haben. Und letztere
können nur die Venezianer und Niederländer im Palast gewesen
sein, welche ohnehin jenen für Farbe und Helldunkel empfäng-
lichen Südländern am meisten zusagen mussten. Aber von den
Wegen des Meisters führten sie ab.

Diess zeigt auch ein Blick auf die zahlreiche und glänzende
Malerschaar, welche sich zu seiner Zeit und unter seinen Augen
in Madrid gebildet hat, — die Cerezo, Escalante, Francisco Rizi,
Diego Polo, Carreño und Claudio Coello.

In Studien und Auffassung haben sie mit Velazquez nicht
viel gemein. Die Kontraposte Tintoretto’s, die Gruppirungen
Bassano’s, die vornehmen Posen Paolo’s bestreiten die Kosten
der Komposition. Die Ankunft der römischen Abgüsse verräth
sich sofort in klassischen Masken; weibliche Modelle waren ja
so schwer zu haben. Die grossen Maschinen der Visionen und
Glorien, die Kargheit des Lohnes, die angeborne Bequemlichkeit
drängte zur maniera; zu feineren Naturbeobachtungen hatten sie
keine Zeit.

Einige fühlten sich von dem blühenden Colorit der Nieder-
länder angezogen, Cerezo’s mystische Vermählung der heil. Ca-
tharina im Kapitelsaal zu Palencia würde sich neben dem farben-
glühendsten Rubens behaupten. Die meisten aber wandten sich
Tizian zu, dessen spätere Manier auf sie einen solchen Eindruck

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[263/0283] Die Schüler. oder zwei Stücke von sich zwischen die fremde Arbeit zu setzen. So bedurfte er weniger der Gehülfenschaft (aus der die Schule hervorgeht) als andere. Die Biographen nennen eine ziemliche Anzahl Schüler, aber es sind kaum drei darunter, welche seine Malweise ange- nommen haben, von einigen ist gar nichts mehr nachzuweisen. Bei seinem zeitraubenden Dienst wird er wenig Zeit zum Unter- richt übrig gehabt haben. Da Seine Majestät sehr oft im Atelier erschien, so werden dort wol nur Leute von Stand und gewandt in der Unterhaltung gern gesehn worden sein. Ein solcher witziger Kopf (de dichos muy agudos y sentenciosos) war Benito Manuel de Agüero, ein Schüler seines Schwiegersohns. Mehrere waren Adlige, wie D. Nicolas de Villacis aus Murcia, D. Juan de Alfaro y Gamez aus Cordoba, der Andalusier Diego de Lucena, „Ca- ballero de ilustre sangre“. Diese vielseitigen jungen Herren übten die Kunst zu ihrem Vergnügen; sie hatten wol gar die Schwachheit (wie Alfaro), den Namen Maler abzulehnen. Des Meisters Lehrthätigkeit mag sich also auf Winke, Empfehlung von Vorbildern beschränkt haben. Und letztere können nur die Venezianer und Niederländer im Palast gewesen sein, welche ohnehin jenen für Farbe und Helldunkel empfäng- lichen Südländern am meisten zusagen mussten. Aber von den Wegen des Meisters führten sie ab. Diess zeigt auch ein Blick auf die zahlreiche und glänzende Malerschaar, welche sich zu seiner Zeit und unter seinen Augen in Madrid gebildet hat, — die Cerezo, Escalante, Francisco Rizi, Diego Polo, Carreño und Claudio Coello. In Studien und Auffassung haben sie mit Velazquez nicht viel gemein. Die Kontraposte Tintoretto’s, die Gruppirungen Bassano’s, die vornehmen Posen Paolo’s bestreiten die Kosten der Komposition. Die Ankunft der römischen Abgüsse verräth sich sofort in klassischen Masken; weibliche Modelle waren ja so schwer zu haben. Die grossen Maschinen der Visionen und Glorien, die Kargheit des Lohnes, die angeborne Bequemlichkeit drängte zur maniera; zu feineren Naturbeobachtungen hatten sie keine Zeit. Einige fühlten sich von dem blühenden Colorit der Nieder- länder angezogen, Cerezo’s mystische Vermählung der heil. Ca- tharina im Kapitelsaal zu Palencia würde sich neben dem farben- glühendsten Rubens behaupten. Die meisten aber wandten sich Tizian zu, dessen spätere Manier auf sie einen solchen Eindruck

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/283>, abgerufen am 19.04.2024.