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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
für S. Lorenzo el Real Sorge zu tragen. Er beschloss der Kirche
41 ausgewählte Gemälde, die in den letzten Jahren, meist durch
Geschenke, in seinen Besitz gekommen waren, zu verehren. Ge-
mälde der ersten italienischen Meister: Raphael, Tizian, Paul
Veronese und Tintoretto. Nichts gab es, das geeigneter gewesen
wäre, den Glanz des Klosters zu erhöhen.

"Seine Majestät bemerkte (nach de los Santos Worten),
dass mehrere Räume, insonderheit die Sakristei, arm an Gemälden
seien, und er schritt sofort zur Abhülfe, indem er eine Anzahl
heiliger Bilder aus denen seines Palasts wählte. Indem er sich
von ihnen trennt, gibt er ein neues und besondres Zeugniss
seiner Liebe zu diesem heiligen Hause, und wie er, um es pracht-
voll auszustatten, nie sich bedenken wird (wenn es nöthig ist),
das von ihm bewohnte des werthvollsten zu berauben."

Es dürften indess noch andere Beweggründe mit im Spiel
gewesen sein.

Zu den vorzüglichsten dieser Gemälde gehörten die vier,
welche D. Luis de Haro bei der Versteigerung des Nachlasses
Carl I Stuart erworben hatte. Es waren die sogenannte Perle
Raphaels (für die der Commissär Major Edward Bass am 23. Ok-
tober 1651 2000 Pfund zahlte), die heilige Familie des Andrea
del Sarto (Prado 385, £ 230), Paolo's Hochzeit zu Cana (534) und
Tintoretto's Fusswaschung (im Kapitelsaal des Escorial, £ 250).

Als das Parlament am 23. März 1648 die Inventarisirung
und Veräusserung des Nachlasses des gemordeten Königs be-
schloss, hatte Spanien das Glück, einen Diplomaten in London
zu besitzen, der sich von Anfang an mit den Parlamentariern auf
besten Fuss zu stellen verstanden, D. Alonso de Cardenas. "Der
spanische Gesandte, heisst es in einem gleichzeitigen Tagebuch 1),
war der erste, der diese Sachen kaufte. Er hat von dem Holz-
händler Harison dergleichen bis zu £ 500 an Werth erworben;
vom Schneider Murray und andern zwei Gemälde Tizians, eine
Venus, Halbfigur, und die Juweliere für £ 50 [Galerie des Bel-
vedere Nr. 508]. Ein Cardinal sitzend und zwei Alte hinter
ihm, von Tintoretto, £ 800. Der Staat gab ihm die elf Kaiser
Tizian's, sammt dem zwölften, gemalt von van Dyck. Diese
kosteten den König hundert £ das Stück, und 12000 (?) sind ihm
dafür geboten worden. [Nach Walpole's Anecdotes II, 116 kaufte
sie D. Alonso für £ 1200]. Er besitzt die berühmte Venus des

1) Egerton manuscripts 1636. British Museum.

Siebentes Buch.
für S. Lorenzo el Real Sorge zu tragen. Er beschloss der Kirche
41 ausgewählte Gemälde, die in den letzten Jahren, meist durch
Geschenke, in seinen Besitz gekommen waren, zu verehren. Ge-
mälde der ersten italienischen Meister: Raphael, Tizian, Paul
Veronese und Tintoretto. Nichts gab es, das geeigneter gewesen
wäre, den Glanz des Klosters zu erhöhen.

„Seine Majestät bemerkte (nach de los Santos Worten),
dass mehrere Räume, insonderheit die Sakristei, arm an Gemälden
seien, und er schritt sofort zur Abhülfe, indem er eine Anzahl
heiliger Bilder aus denen seines Palasts wählte. Indem er sich
von ihnen trennt, gibt er ein neues und besondres Zeugniss
seiner Liebe zu diesem heiligen Hause, und wie er, um es pracht-
voll auszustatten, nie sich bedenken wird (wenn es nöthig ist),
das von ihm bewohnte des werthvollsten zu berauben.“

Es dürften indess noch andere Beweggründe mit im Spiel
gewesen sein.

Zu den vorzüglichsten dieser Gemälde gehörten die vier,
welche D. Luis de Haro bei der Versteigerung des Nachlasses
Carl I Stuart erworben hatte. Es waren die sogenannte Perle
Raphaels (für die der Commissär Major Edward Bass am 23. Ok-
tober 1651 2000 Pfund zahlte), die heilige Familie des Andrea
del Sarto (Prado 385, £ 230), Paolo’s Hochzeit zu Cana (534) und
Tintoretto’s Fusswaschung (im Kapitelsaal des Escorial, £ 250).

Als das Parlament am 23. März 1648 die Inventarisirung
und Veräusserung des Nachlasses des gemordeten Königs be-
schloss, hatte Spanien das Glück, einen Diplomaten in London
zu besitzen, der sich von Anfang an mit den Parlamentariern auf
besten Fuss zu stellen verstanden, D. Alonso de Cárdenas. „Der
spanische Gesandte, heisst es in einem gleichzeitigen Tagebuch 1),
war der erste, der diese Sachen kaufte. Er hat von dem Holz-
händler Harison dergleichen bis zu £ 500 an Werth erworben;
vom Schneider Murray und andern zwei Gemälde Tizians, eine
Venus, Halbfigur, und die Juweliere für £ 50 [Galerie des Bel-
vedere Nr. 508]. Ein Cardinal sitzend und zwei Alte hinter
ihm, von Tintoretto, £ 800. Der Staat gab ihm die elf Kaiser
Tizian’s, sammt dem zwölften, gemalt von van Dyck. Diese
kosteten den König hundert £ das Stück, und 12000 (?) sind ihm
dafür geboten worden. [Nach Walpole’s Anecdotes II, 116 kaufte
sie D. Alonso für £ 1200]. Er besitzt die berühmte Venus des

1) Egerton manuscripts 1636. British Museum.
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[238/0258] Siebentes Buch. für S. Lorenzo el Real Sorge zu tragen. Er beschloss der Kirche 41 ausgewählte Gemälde, die in den letzten Jahren, meist durch Geschenke, in seinen Besitz gekommen waren, zu verehren. Ge- mälde der ersten italienischen Meister: Raphael, Tizian, Paul Veronese und Tintoretto. Nichts gab es, das geeigneter gewesen wäre, den Glanz des Klosters zu erhöhen. „Seine Majestät bemerkte (nach de los Santos Worten), dass mehrere Räume, insonderheit die Sakristei, arm an Gemälden seien, und er schritt sofort zur Abhülfe, indem er eine Anzahl heiliger Bilder aus denen seines Palasts wählte. Indem er sich von ihnen trennt, gibt er ein neues und besondres Zeugniss seiner Liebe zu diesem heiligen Hause, und wie er, um es pracht- voll auszustatten, nie sich bedenken wird (wenn es nöthig ist), das von ihm bewohnte des werthvollsten zu berauben.“ Es dürften indess noch andere Beweggründe mit im Spiel gewesen sein. Zu den vorzüglichsten dieser Gemälde gehörten die vier, welche D. Luis de Haro bei der Versteigerung des Nachlasses Carl I Stuart erworben hatte. Es waren die sogenannte Perle Raphaels (für die der Commissär Major Edward Bass am 23. Ok- tober 1651 2000 Pfund zahlte), die heilige Familie des Andrea del Sarto (Prado 385, £ 230), Paolo’s Hochzeit zu Cana (534) und Tintoretto’s Fusswaschung (im Kapitelsaal des Escorial, £ 250). Als das Parlament am 23. März 1648 die Inventarisirung und Veräusserung des Nachlasses des gemordeten Königs be- schloss, hatte Spanien das Glück, einen Diplomaten in London zu besitzen, der sich von Anfang an mit den Parlamentariern auf besten Fuss zu stellen verstanden, D. Alonso de Cárdenas. „Der spanische Gesandte, heisst es in einem gleichzeitigen Tagebuch 1), war der erste, der diese Sachen kaufte. Er hat von dem Holz- händler Harison dergleichen bis zu £ 500 an Werth erworben; vom Schneider Murray und andern zwei Gemälde Tizians, eine Venus, Halbfigur, und die Juweliere für £ 50 [Galerie des Bel- vedere Nr. 508]. Ein Cardinal sitzend und zwei Alte hinter ihm, von Tintoretto, £ 800. Der Staat gab ihm die elf Kaiser Tizian’s, sammt dem zwölften, gemalt von van Dyck. Diese kosteten den König hundert £ das Stück, und 12000 (?) sind ihm dafür geboten worden. [Nach Walpole’s Anecdotes II, 116 kaufte sie D. Alonso für £ 1200]. Er besitzt die berühmte Venus des 1) Egerton manuscripts 1636. British Museum.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/258>, abgerufen am 28.03.2024.