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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Galerieverwaltung.
gen von Sachsen und des Landgrafen Philipp des Grossmüthigen
von Hessen, die Venezianerin mit dem Palmenfächer.

Im Schlafzimmer umgab er sich mit Bildern der grossen
Ahnen: hier war die Begegnung Rudolfs von Habsburg mit dem
Priester von Rubens, der christliche Glaube von Spanien be-
schirmt von Tizian (aus dem Pardo), das Kaiserpaar ebendaher,
seine Tante Isabella, die Königin Isabella, die blutige Maria,
sein Vater in einer Allegorie von Justus Tiles, er selbst und
sein Bruder in jugendlichem Alter. Also Werke, bestimmt den
erhabenen Beruf des Hauses zu vergegenwärtigen. Dass man
indess noch andere Götter neben jenen hatte, veranschaulichte der
Bacchus des Velazquez.

Auch in dem Oratorium taucht Rubens auf, von ihm war
die Concepcion über dem Altar, ein Geschenk des Leganes. --

In den dreissiger Jahren nahm die Ausstattung von Buen
Retiro alle künstlerischen Kräfte in Anspruch. Dann kam die
Torre im Pardo, welche das meiste was Rubens lieferte, ver-
schlang. Endlich, bei Gelegenheit der Vollendung des Pantheon
im Escorial, erschien es als königliche Pflicht, dieses seit dem
Tode des Gründers sich selbst überlassenen "Weltwunders"
wieder zu gedenken, und alles was man von kostbaren kirch-
lichen Bildern italienischer Schule bekommen hatte, wurde von
Velazquez dorthin gebracht und aufgestellt. Seit 1656 nahm nun
die Sacristei von S. Lorenzo unter allen Gemäldesälen des Königs
von Spanien den ersten Platz ein.

In Folge davon ist von den Werken des ersten Malers Spa-
niens nicht mehr viel in dem Schlosse aufgestellt worden, obwol
er fast alles dort gemalt hat. Zwar hat das Inventar von 1686
nicht weniger als 43 Velazquez, allein es sind darunter viele Un-
bedeutendheiten, z. B. Hirschgeweihe; vier Pferdestücke, Paare,
darunter zwei bloss skizzirte mit Cavalieren, Pendants zu vier
Darstellungen gleichen Inhalts von Ribera. Alle die Reiter-
bildnisse der dreissiger Jahre, die Uebergabe von Breda, die
Vulcanschmiede, der Wasserträger, die fünf grossen Truhanes-
figuren u. a. wurden in den Palast von Buen Retiro gebracht.

Von den damals im Süden des Reichs blühenden Andalusiern,
an welche die Nachwelt fast allein denkt, wenn von spanischer
Schule die Rede ist, war wenig am Hof bekannt geworden. Die
Namen Zurbaran und Murillo kommen in den Inventaren des Alca-
zars Philipp IV nicht vor. Nur Spagnoletto scheint sich sofort
sein Herz erobert zu haben, 36 Stück zählte man zuletzt und fünf

Galerieverwaltung.
gen von Sachsen und des Landgrafen Philipp des Grossmüthigen
von Hessen, die Venezianerin mit dem Palmenfächer.

Im Schlafzimmer umgab er sich mit Bildern der grossen
Ahnen: hier war die Begegnung Rudolfs von Habsburg mit dem
Priester von Rubens, der christliche Glaube von Spanien be-
schirmt von Tizian (aus dem Pardo), das Kaiserpaar ebendaher,
seine Tante Isabella, die Königin Isabella, die blutige Maria,
sein Vater in einer Allegorie von Justus Tiles, er selbst und
sein Bruder in jugendlichem Alter. Also Werke, bestimmt den
erhabenen Beruf des Hauses zu vergegenwärtigen. Dass man
indess noch andere Götter neben jenen hatte, veranschaulichte der
Bacchus des Velazquez.

Auch in dem Oratorium taucht Rubens auf, von ihm war
die Concepcion über dem Altar, ein Geschenk des Leganés. —

In den dreissiger Jahren nahm die Ausstattung von Buen
Retiro alle künstlerischen Kräfte in Anspruch. Dann kam die
Torre im Pardo, welche das meiste was Rubens lieferte, ver-
schlang. Endlich, bei Gelegenheit der Vollendung des Pantheon
im Escorial, erschien es als königliche Pflicht, dieses seit dem
Tode des Gründers sich selbst überlassenen „Weltwunders“
wieder zu gedenken, und alles was man von kostbaren kirch-
lichen Bildern italienischer Schule bekommen hatte, wurde von
Velazquez dorthin gebracht und aufgestellt. Seit 1656 nahm nun
die Sacristei von S. Lorenzo unter allen Gemäldesälen des Königs
von Spanien den ersten Platz ein.

In Folge davon ist von den Werken des ersten Malers Spa-
niens nicht mehr viel in dem Schlosse aufgestellt worden, obwol
er fast alles dort gemalt hat. Zwar hat das Inventar von 1686
nicht weniger als 43 Velazquez, allein es sind darunter viele Un-
bedeutendheiten, z. B. Hirschgeweihe; vier Pferdestücke, Paare,
darunter zwei bloss skizzirte mit Cavalieren, Pendants zu vier
Darstellungen gleichen Inhalts von Ribera. Alle die Reiter-
bildnisse der dreissiger Jahre, die Uebergabe von Breda, die
Vulcanschmiede, der Wasserträger, die fünf grossen Truhanes-
figuren u. a. wurden in den Palast von Buen Retiro gebracht.

Von den damals im Süden des Reichs blühenden Andalusiern,
an welche die Nachwelt fast allein denkt, wenn von spanischer
Schule die Rede ist, war wenig am Hof bekannt geworden. Die
Namen Zurbaran und Murillo kommen in den Inventaren des Alca-
zars Philipp IV nicht vor. Nur Spagnoletto scheint sich sofort
sein Herz erobert zu haben, 36 Stück zählte man zuletzt und fünf

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[227/0247] Galerieverwaltung. gen von Sachsen und des Landgrafen Philipp des Grossmüthigen von Hessen, die Venezianerin mit dem Palmenfächer. Im Schlafzimmer umgab er sich mit Bildern der grossen Ahnen: hier war die Begegnung Rudolfs von Habsburg mit dem Priester von Rubens, der christliche Glaube von Spanien be- schirmt von Tizian (aus dem Pardo), das Kaiserpaar ebendaher, seine Tante Isabella, die Königin Isabella, die blutige Maria, sein Vater in einer Allegorie von Justus Tiles, er selbst und sein Bruder in jugendlichem Alter. Also Werke, bestimmt den erhabenen Beruf des Hauses zu vergegenwärtigen. Dass man indess noch andere Götter neben jenen hatte, veranschaulichte der Bacchus des Velazquez. Auch in dem Oratorium taucht Rubens auf, von ihm war die Concepcion über dem Altar, ein Geschenk des Leganés. — In den dreissiger Jahren nahm die Ausstattung von Buen Retiro alle künstlerischen Kräfte in Anspruch. Dann kam die Torre im Pardo, welche das meiste was Rubens lieferte, ver- schlang. Endlich, bei Gelegenheit der Vollendung des Pantheon im Escorial, erschien es als königliche Pflicht, dieses seit dem Tode des Gründers sich selbst überlassenen „Weltwunders“ wieder zu gedenken, und alles was man von kostbaren kirch- lichen Bildern italienischer Schule bekommen hatte, wurde von Velazquez dorthin gebracht und aufgestellt. Seit 1656 nahm nun die Sacristei von S. Lorenzo unter allen Gemäldesälen des Königs von Spanien den ersten Platz ein. In Folge davon ist von den Werken des ersten Malers Spa- niens nicht mehr viel in dem Schlosse aufgestellt worden, obwol er fast alles dort gemalt hat. Zwar hat das Inventar von 1686 nicht weniger als 43 Velazquez, allein es sind darunter viele Un- bedeutendheiten, z. B. Hirschgeweihe; vier Pferdestücke, Paare, darunter zwei bloss skizzirte mit Cavalieren, Pendants zu vier Darstellungen gleichen Inhalts von Ribera. Alle die Reiter- bildnisse der dreissiger Jahre, die Uebergabe von Breda, die Vulcanschmiede, der Wasserträger, die fünf grossen Truhanes- figuren u. a. wurden in den Palast von Buen Retiro gebracht. Von den damals im Süden des Reichs blühenden Andalusiern, an welche die Nachwelt fast allein denkt, wenn von spanischer Schule die Rede ist, war wenig am Hof bekannt geworden. Die Namen Zurbaran und Murillo kommen in den Inventaren des Alca- zars Philipp IV nicht vor. Nur Spagnoletto scheint sich sofort sein Herz erobert zu haben, 36 Stück zählte man zuletzt und fünf

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/247>, abgerufen am 22.11.2024.