Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Schlossmarschallamt.
(3. März 1665). In Folge davon wurde der Sequester aufgeho-
ben (11. Aprril 1666).

Palomino bemerkt richtig, dies Amt nehme einen Mann
ganz in Anspruch und spricht sich über diesen Punkt mit einer
Freimüthigkeit aus, die er sich wol unter der alten Dynastie
nicht erlaubt hätte (S. 340 f.).

"Eine grosse Ehre war es für Velazquez; dennoch hat es
nicht an Stimmen gefehlt, die eine Behandlung dieser Sache nach
höhern Gesichtspunkten für passend erachtet hätten. Belohnung
von Künstlern sei wol zu unterscheiden von der anderer Ver-
dienste. Bei Leuten ohne bestimmte Thätigkeit wird durch Ueber-
tragung eines solchen Amts ihr Verdienst erhöht; bei Künstlern
heisst es vielmehr sie durch die Belohnung um ihr Verdienst be-
trügen. Gründete sich das Verdienst auf die Ausübung ihrer
Kunst, wie kann diess Verdienst erhalten bleiben, wenn die Mög-
lichkeit entzogen wird sie auszuüben? Deshalb sollten Beloh-
nungen der Künstler nur in Ehre und Geld bestehen. In Ehre,
als Sporn und Anerkennung ihrer Leistungen, in Geld, weil es
ihnen Musse verschafft, bloss um des Nachruhms willen, durch
ihre Studien verborgene Schönheiten der Kunst hervorzulocken.
Das sind also die Belohnungen, durch die der Künstlergrösse
Anerkennung und Ansehn zu Theil werden kann. -- Das Schaffen,
sagt er anderswo (Museo II, 108), ist weit das grösste Glück des
Künstlers, das mit dem Gewinn, ja selbst mit dem Ruhm und
dem befriedigten Selbstgefühl nicht zu vergleichen ist. -- Allein
die Ausübung der Kunst unterbrechen, sei es auch durch ein
Ehrenamt, das ist eine Art Belohnung, die wie eine verkleidete
Strafe aussieht. Wer gefehlt hat, wird vom Amte suspendirt.
Was nun für den eine Züchtigung ist, wie kann das für
den andern eine Belohnung sein? Freilich, das Köstlichste bei
solchen Ehren ist, Seiner Majestät zu dienen. Nun, dann mögen
sie dienen in der Sphäre, durch die sie zur Gnade des Souveräns
emporgestiegen sind, und nicht auf Wegen, die ihrem Genius
fremd sind. Sonst verscherzen sie mit all ihren Diensten den
eigenartigen Werth des Dienstes wie des Verdienstes. Für Hof-
ämter ist abgesehn von der Routine jedes gewöhnliche Talent
geeignet, für höhere Geschicklichkeiten keineswegs. Die Natur
selbst lehrt, wieviel es kostet hervorragende Geister über die
Menge emporzuheben, wo die meisten am Fuss des Berges zu-
rückbleiben. Viele werden sich finden, die es dem grössten
Künstler im Hofdienst gleich, ja zuvorthun werden; aber für

Das Schlossmarschallamt.
(3. März 1665). In Folge davon wurde der Sequester aufgeho-
ben (11. Aprril 1666).

Palomino bemerkt richtig, dies Amt nehme einen Mann
ganz in Anspruch und spricht sich über diesen Punkt mit einer
Freimüthigkeit aus, die er sich wol unter der alten Dynastie
nicht erlaubt hätte (S. 340 f.).

„Eine grosse Ehre war es für Velazquez; dennoch hat es
nicht an Stimmen gefehlt, die eine Behandlung dieser Sache nach
höhern Gesichtspunkten für passend erachtet hätten. Belohnung
von Künstlern sei wol zu unterscheiden von der anderer Ver-
dienste. Bei Leuten ohne bestimmte Thätigkeit wird durch Ueber-
tragung eines solchen Amts ihr Verdienst erhöht; bei Künstlern
heisst es vielmehr sie durch die Belohnung um ihr Verdienst be-
trügen. Gründete sich das Verdienst auf die Ausübung ihrer
Kunst, wie kann diess Verdienst erhalten bleiben, wenn die Mög-
lichkeit entzogen wird sie auszuüben? Deshalb sollten Beloh-
nungen der Künstler nur in Ehre und Geld bestehen. In Ehre,
als Sporn und Anerkennung ihrer Leistungen, in Geld, weil es
ihnen Musse verschafft, bloss um des Nachruhms willen, durch
ihre Studien verborgene Schönheiten der Kunst hervorzulocken.
Das sind also die Belohnungen, durch die der Künstlergrösse
Anerkennung und Ansehn zu Theil werden kann. — Das Schaffen,
sagt er anderswo (Museo II, 108), ist weit das grösste Glück des
Künstlers, das mit dem Gewinn, ja selbst mit dem Ruhm und
dem befriedigten Selbstgefühl nicht zu vergleichen ist. — Allein
die Ausübung der Kunst unterbrechen, sei es auch durch ein
Ehrenamt, das ist eine Art Belohnung, die wie eine verkleidete
Strafe aussieht. Wer gefehlt hat, wird vom Amte suspendirt.
Was nun für den eine Züchtigung ist, wie kann das für
den andern eine Belohnung sein? Freilich, das Köstlichste bei
solchen Ehren ist, Seiner Majestät zu dienen. Nun, dann mögen
sie dienen in der Sphäre, durch die sie zur Gnade des Souveräns
emporgestiegen sind, und nicht auf Wegen, die ihrem Genius
fremd sind. Sonst verscherzen sie mit all ihren Diensten den
eigenartigen Werth des Dienstes wie des Verdienstes. Für Hof-
ämter ist abgesehn von der Routine jedes gewöhnliche Talent
geeignet, für höhere Geschicklichkeiten keineswegs. Die Natur
selbst lehrt, wieviel es kostet hervorragende Geister über die
Menge emporzuheben, wo die meisten am Fuss des Berges zu-
rückbleiben. Viele werden sich finden, die es dem grössten
Künstler im Hofdienst gleich, ja zuvorthun werden; aber für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0243" n="223"/><fw place="top" type="header">Das Schlossmarschallamt.</fw><lb/>
(3. März 1665). In Folge davon wurde der Sequester aufgeho-<lb/>
ben (11. Aprril 1666).</p><lb/>
            <p>Palomino bemerkt richtig, dies Amt nehme einen Mann<lb/>
ganz in Anspruch und spricht sich über diesen Punkt mit einer<lb/>
Freimüthigkeit aus, die er sich wol unter der alten Dynastie<lb/>
nicht erlaubt hätte (S. 340 f.).</p><lb/>
            <p>&#x201E;Eine grosse Ehre war es für Velazquez; dennoch hat es<lb/>
nicht an Stimmen gefehlt, die eine Behandlung dieser Sache nach<lb/>
höhern Gesichtspunkten für passend erachtet hätten. Belohnung<lb/>
von Künstlern sei wol zu unterscheiden von der anderer Ver-<lb/>
dienste. Bei Leuten ohne bestimmte Thätigkeit wird durch Ueber-<lb/>
tragung eines solchen Amts ihr Verdienst erhöht; bei Künstlern<lb/>
heisst es vielmehr sie durch die Belohnung um ihr Verdienst be-<lb/>
trügen. Gründete sich das Verdienst auf die Ausübung ihrer<lb/>
Kunst, wie kann diess Verdienst erhalten bleiben, wenn die Mög-<lb/>
lichkeit entzogen wird sie auszuüben? Deshalb sollten Beloh-<lb/>
nungen der Künstler nur in Ehre und Geld bestehen. In Ehre,<lb/>
als Sporn und Anerkennung ihrer Leistungen, in Geld, weil es<lb/>
ihnen Musse verschafft, bloss um des Nachruhms willen, durch<lb/>
ihre Studien verborgene Schönheiten der Kunst hervorzulocken.<lb/>
Das sind also die Belohnungen, durch die der Künstlergrösse<lb/>
Anerkennung und Ansehn zu Theil werden kann. &#x2014; Das Schaffen,<lb/>
sagt er anderswo (Museo II, 108), ist weit das grösste Glück des<lb/>
Künstlers, das mit dem Gewinn, ja selbst mit dem Ruhm und<lb/>
dem befriedigten Selbstgefühl nicht zu vergleichen ist. &#x2014; Allein<lb/>
die Ausübung der Kunst unterbrechen, sei es auch durch ein<lb/>
Ehrenamt, das ist eine Art Belohnung, die wie eine verkleidete<lb/>
Strafe aussieht. Wer gefehlt hat, wird vom Amte suspendirt.<lb/>
Was nun für den eine Züchtigung ist, wie kann das für<lb/>
den andern eine Belohnung sein? Freilich, das Köstlichste bei<lb/>
solchen Ehren ist, Seiner Majestät zu dienen. Nun, dann mögen<lb/>
sie dienen in der Sphäre, durch die sie zur Gnade des Souveräns<lb/>
emporgestiegen sind, und nicht auf Wegen, die ihrem Genius<lb/>
fremd sind. Sonst verscherzen sie mit all ihren Diensten den<lb/>
eigenartigen Werth des Dienstes wie des Verdienstes. Für Hof-<lb/>
ämter ist abgesehn von der Routine jedes gewöhnliche Talent<lb/>
geeignet, für höhere Geschicklichkeiten keineswegs. Die Natur<lb/>
selbst lehrt, wieviel es kostet hervorragende Geister über die<lb/>
Menge emporzuheben, wo die meisten am Fuss des Berges zu-<lb/>
rückbleiben. Viele werden sich finden, die es dem grössten<lb/>
Künstler im Hofdienst gleich, ja zuvorthun werden; aber für<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0243] Das Schlossmarschallamt. (3. März 1665). In Folge davon wurde der Sequester aufgeho- ben (11. Aprril 1666). Palomino bemerkt richtig, dies Amt nehme einen Mann ganz in Anspruch und spricht sich über diesen Punkt mit einer Freimüthigkeit aus, die er sich wol unter der alten Dynastie nicht erlaubt hätte (S. 340 f.). „Eine grosse Ehre war es für Velazquez; dennoch hat es nicht an Stimmen gefehlt, die eine Behandlung dieser Sache nach höhern Gesichtspunkten für passend erachtet hätten. Belohnung von Künstlern sei wol zu unterscheiden von der anderer Ver- dienste. Bei Leuten ohne bestimmte Thätigkeit wird durch Ueber- tragung eines solchen Amts ihr Verdienst erhöht; bei Künstlern heisst es vielmehr sie durch die Belohnung um ihr Verdienst be- trügen. Gründete sich das Verdienst auf die Ausübung ihrer Kunst, wie kann diess Verdienst erhalten bleiben, wenn die Mög- lichkeit entzogen wird sie auszuüben? Deshalb sollten Beloh- nungen der Künstler nur in Ehre und Geld bestehen. In Ehre, als Sporn und Anerkennung ihrer Leistungen, in Geld, weil es ihnen Musse verschafft, bloss um des Nachruhms willen, durch ihre Studien verborgene Schönheiten der Kunst hervorzulocken. Das sind also die Belohnungen, durch die der Künstlergrösse Anerkennung und Ansehn zu Theil werden kann. — Das Schaffen, sagt er anderswo (Museo II, 108), ist weit das grösste Glück des Künstlers, das mit dem Gewinn, ja selbst mit dem Ruhm und dem befriedigten Selbstgefühl nicht zu vergleichen ist. — Allein die Ausübung der Kunst unterbrechen, sei es auch durch ein Ehrenamt, das ist eine Art Belohnung, die wie eine verkleidete Strafe aussieht. Wer gefehlt hat, wird vom Amte suspendirt. Was nun für den eine Züchtigung ist, wie kann das für den andern eine Belohnung sein? Freilich, das Köstlichste bei solchen Ehren ist, Seiner Majestät zu dienen. Nun, dann mögen sie dienen in der Sphäre, durch die sie zur Gnade des Souveräns emporgestiegen sind, und nicht auf Wegen, die ihrem Genius fremd sind. Sonst verscherzen sie mit all ihren Diensten den eigenartigen Werth des Dienstes wie des Verdienstes. Für Hof- ämter ist abgesehn von der Routine jedes gewöhnliche Talent geeignet, für höhere Geschicklichkeiten keineswegs. Die Natur selbst lehrt, wieviel es kostet hervorragende Geister über die Menge emporzuheben, wo die meisten am Fuss des Berges zu- rückbleiben. Viele werden sich finden, die es dem grössten Künstler im Hofdienst gleich, ja zuvorthun werden; aber für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/243
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/243>, abgerufen am 26.11.2024.