Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Schlossmarschallamt.
Schlossmarschalls des Königs (denn auch die Königin und die
Infanten hatten ihre Hausmarschälle) ist wol zu unterscheiden
von dem hohen Hofamt des Aposentador mayor oder Oberhof-
marschalls; beide aber hatten am spanischen Hof eine besondere
Bedeutung. Letzteres durch den Umstand, dass dem Könige
das zweite Stockwerk eines jeden Hauses seiner Hauptstadt ge-
hörte; der Oberhofmarschall verlieh allen Hofbeamten und frem-
den Gesandten ihre Wohnung, ganz nach seinem Belieben, mit
Ausnahme der Minister und Räthe, bei denen er bloss Vorschlags-
recht hatte. Er hatte also Gelegenheit genug seine Gunst oder
Kälte fühlbar zu machen.

Dem Palastmarschall war das Innere der königlichen Woh-
nung unterstellt; jenes Theils des Alcazar also, welcher um den
zweiten Hof lag, und die Organisation der königlichen Reisen.
Nach Gil Gonzalez Davila und officiellen Dokumenten1) musste
er allezeit im Mantel, ohne Hut und Degen in des Königs Woh-
nung gegenwärtig sein, deren Thüren und Fenster er öffnet.
Zu seiner Kompetenz gehörte vor allem die Einrichtung (com-
posicion
), die Ordnung und Ausschmückung (el alinno y adorno)
des Palasts, Reinigung und Heizung einbegriffen. Der Schlüssel
den er im Gürtel trug (llave de furiera) öffnete sämmtliche
Thüren; er überreichte im Namen des Königs die Kammerherrn-
schlüssel. Er wies den Palastdamen ihr Quartier an. Wenn
der König öffentlich speiste, so setzte er ihm den Stuhl und
hob die Tafel auf. Wurde dem Prinzen in Castilien und den
übrigen Reichen der Huldigungseid geleistet, so hatte er auch
dessen Stuhl aufzustellen, ebenso bei Audienzen von Kardinälen,
bei Eidesleistungen der Vicekönige und Präsidenten. Er ordnete
die Zurüstung der öffentlichen Feste; bei Maskeraden, Komödien,
Tournieren und Bällen berieth er mit Seiner Majestät das Pro-
gramm und wies den Personen des Hofs ihre Fenstersitze an.
Bei Reisen (jornadas) hatte er die königlichen Personen und
die Hausämter einzuquartieren; Praxis hierin wurde bei den
Bewerbern vorausgesetzt. In einer Urkunde Alfons des Weisen
heisst es: der Aposentador ertheilt des Königs Gefolge Quartier,
schlichtet die Streitigkeiten zwischen Gästen und Hausbesitzern;
am Tag vor der Ankunft steckt er ein Fähnlein aus als sein
Zeichen, damit man weiss wo der König wohnen wird. Schon

1) Gil Gonzalez d'Avila, Teatro de las grandezas de Madrid. 1623. p. 332.
Rodriguez Villa, Etiquetes de la casa de Austria. Madrid s. a. 45 f. (1876).

Das Schlossmarschallamt.
Schlossmarschalls des Königs (denn auch die Königin und die
Infanten hatten ihre Hausmarschälle) ist wol zu unterscheiden
von dem hohen Hofamt des Aposentador mayor oder Oberhof-
marschalls; beide aber hatten am spanischen Hof eine besondere
Bedeutung. Letzteres durch den Umstand, dass dem Könige
das zweite Stockwerk eines jeden Hauses seiner Hauptstadt ge-
hörte; der Oberhofmarschall verlieh allen Hofbeamten und frem-
den Gesandten ihre Wohnung, ganz nach seinem Belieben, mit
Ausnahme der Minister und Räthe, bei denen er bloss Vorschlags-
recht hatte. Er hatte also Gelegenheit genug seine Gunst oder
Kälte fühlbar zu machen.

Dem Palastmarschall war das Innere der königlichen Woh-
nung unterstellt; jenes Theils des Alcazar also, welcher um den
zweiten Hof lag, und die Organisation der königlichen Reisen.
Nach Gil Gonzalez Dávila und officiellen Dokumenten1) musste
er allezeit im Mantel, ohne Hut und Degen in des Königs Woh-
nung gegenwärtig sein, deren Thüren und Fenster er öffnet.
Zu seiner Kompetenz gehörte vor allem die Einrichtung (com-
posicion
), die Ordnung und Ausschmückung (el aliño y adorno)
des Palasts, Reinigung und Heizung einbegriffen. Der Schlüssel
den er im Gürtel trug (llave de furiera) öffnete sämmtliche
Thüren; er überreichte im Namen des Königs die Kammerherrn-
schlüssel. Er wies den Palastdamen ihr Quartier an. Wenn
der König öffentlich speiste, so setzte er ihm den Stuhl und
hob die Tafel auf. Wurde dem Prinzen in Castilien und den
übrigen Reichen der Huldigungseid geleistet, so hatte er auch
dessen Stuhl aufzustellen, ebenso bei Audienzen von Kardinälen,
bei Eidesleistungen der Vicekönige und Präsidenten. Er ordnete
die Zurüstung der öffentlichen Feste; bei Maskeraden, Komödien,
Tournieren und Bällen berieth er mit Seiner Majestät das Pro-
gramm und wies den Personen des Hofs ihre Fenstersitze an.
Bei Reisen (jornadas) hatte er die königlichen Personen und
die Hausämter einzuquartieren; Praxis hierin wurde bei den
Bewerbern vorausgesetzt. In einer Urkunde Alfons des Weisen
heisst es: der Aposentador ertheilt des Königs Gefolge Quartier,
schlichtet die Streitigkeiten zwischen Gästen und Hausbesitzern;
am Tag vor der Ankunft steckt er ein Fähnlein aus als sein
Zeichen, damit man weiss wo der König wohnen wird. Schon

1) Gil Gonzalez d’Avila, Teatro de las grandezas de Madrid. 1623. p. 332.
Rodriguez Villa, Etiquetes de la casa de Austria. Madrid s. a. 45 f. (1876).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0237" n="217"/><fw place="top" type="header">Das Schlossmarschallamt.</fw><lb/>
Schlossmarschalls des Königs (denn auch die Königin und die<lb/>
Infanten hatten ihre Hausmarschälle) ist wol zu unterscheiden<lb/>
von dem hohen Hofamt des Aposentador mayor oder Oberhof-<lb/>
marschalls; beide aber hatten am spanischen Hof eine besondere<lb/>
Bedeutung. Letzteres durch den Umstand, dass dem Könige<lb/>
das zweite Stockwerk eines jeden Hauses seiner Hauptstadt ge-<lb/>
hörte; der Oberhofmarschall verlieh allen Hofbeamten und frem-<lb/>
den Gesandten ihre Wohnung, ganz nach seinem Belieben, mit<lb/>
Ausnahme der Minister und Räthe, bei denen er bloss Vorschlags-<lb/>
recht hatte. Er hatte also Gelegenheit genug seine Gunst oder<lb/>
Kälte fühlbar zu machen.</p><lb/>
            <p>Dem Palastmarschall war das Innere der königlichen Woh-<lb/>
nung unterstellt; jenes Theils des Alcazar also, welcher um den<lb/>
zweiten Hof lag, und die Organisation der königlichen Reisen.<lb/>
Nach Gil Gonzalez Dávila und officiellen Dokumenten<note place="foot" n="1)">Gil Gonzalez d&#x2019;Avila, Teatro de las grandezas de Madrid. 1623. p. 332.<lb/>
Rodriguez Villa, Etiquetes de la casa de Austria. Madrid s. a. 45 f. (1876).</note> musste<lb/>
er allezeit im Mantel, ohne Hut und Degen in des Königs Woh-<lb/>
nung gegenwärtig sein, deren Thüren und Fenster er öffnet.<lb/>
Zu seiner Kompetenz gehörte vor allem die Einrichtung (<hi rendition="#i">com-<lb/>
posicion</hi>), die Ordnung und Ausschmückung (<hi rendition="#i">el aliño y adorno</hi>)<lb/>
des Palasts, Reinigung und Heizung einbegriffen. Der Schlüssel<lb/>
den er im Gürtel trug (<hi rendition="#i">llave de furiera</hi>) öffnete sämmtliche<lb/>
Thüren; er überreichte im Namen des Königs die Kammerherrn-<lb/>
schlüssel. Er wies den Palastdamen ihr Quartier an. Wenn<lb/>
der König öffentlich speiste, so setzte er ihm den Stuhl und<lb/>
hob die Tafel auf. Wurde dem Prinzen in Castilien und den<lb/>
übrigen Reichen der Huldigungseid geleistet, so hatte er auch<lb/>
dessen Stuhl aufzustellen, ebenso bei Audienzen von Kardinälen,<lb/>
bei Eidesleistungen der Vicekönige und Präsidenten. Er ordnete<lb/>
die Zurüstung der öffentlichen Feste; bei Maskeraden, Komödien,<lb/>
Tournieren und Bällen berieth er mit Seiner Majestät das Pro-<lb/>
gramm und wies den Personen des Hofs ihre Fenstersitze an.<lb/>
Bei Reisen (<hi rendition="#i">jornadas</hi>) hatte er die königlichen Personen und<lb/>
die Hausämter einzuquartieren; Praxis hierin wurde bei den<lb/>
Bewerbern vorausgesetzt. In einer Urkunde Alfons des Weisen<lb/>
heisst es: der Aposentador ertheilt des Königs Gefolge Quartier,<lb/>
schlichtet die Streitigkeiten zwischen Gästen und Hausbesitzern;<lb/>
am Tag vor der Ankunft steckt er ein Fähnlein aus als sein<lb/>
Zeichen, damit man weiss wo der König wohnen wird. Schon<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0237] Das Schlossmarschallamt. Schlossmarschalls des Königs (denn auch die Königin und die Infanten hatten ihre Hausmarschälle) ist wol zu unterscheiden von dem hohen Hofamt des Aposentador mayor oder Oberhof- marschalls; beide aber hatten am spanischen Hof eine besondere Bedeutung. Letzteres durch den Umstand, dass dem Könige das zweite Stockwerk eines jeden Hauses seiner Hauptstadt ge- hörte; der Oberhofmarschall verlieh allen Hofbeamten und frem- den Gesandten ihre Wohnung, ganz nach seinem Belieben, mit Ausnahme der Minister und Räthe, bei denen er bloss Vorschlags- recht hatte. Er hatte also Gelegenheit genug seine Gunst oder Kälte fühlbar zu machen. Dem Palastmarschall war das Innere der königlichen Woh- nung unterstellt; jenes Theils des Alcazar also, welcher um den zweiten Hof lag, und die Organisation der königlichen Reisen. Nach Gil Gonzalez Dávila und officiellen Dokumenten 1) musste er allezeit im Mantel, ohne Hut und Degen in des Königs Woh- nung gegenwärtig sein, deren Thüren und Fenster er öffnet. Zu seiner Kompetenz gehörte vor allem die Einrichtung (com- posicion), die Ordnung und Ausschmückung (el aliño y adorno) des Palasts, Reinigung und Heizung einbegriffen. Der Schlüssel den er im Gürtel trug (llave de furiera) öffnete sämmtliche Thüren; er überreichte im Namen des Königs die Kammerherrn- schlüssel. Er wies den Palastdamen ihr Quartier an. Wenn der König öffentlich speiste, so setzte er ihm den Stuhl und hob die Tafel auf. Wurde dem Prinzen in Castilien und den übrigen Reichen der Huldigungseid geleistet, so hatte er auch dessen Stuhl aufzustellen, ebenso bei Audienzen von Kardinälen, bei Eidesleistungen der Vicekönige und Präsidenten. Er ordnete die Zurüstung der öffentlichen Feste; bei Maskeraden, Komödien, Tournieren und Bällen berieth er mit Seiner Majestät das Pro- gramm und wies den Personen des Hofs ihre Fenstersitze an. Bei Reisen (jornadas) hatte er die königlichen Personen und die Hausämter einzuquartieren; Praxis hierin wurde bei den Bewerbern vorausgesetzt. In einer Urkunde Alfons des Weisen heisst es: der Aposentador ertheilt des Königs Gefolge Quartier, schlichtet die Streitigkeiten zwischen Gästen und Hausbesitzern; am Tag vor der Ankunft steckt er ein Fähnlein aus als sein Zeichen, damit man weiss wo der König wohnen wird. Schon 1) Gil Gonzalez d’Avila, Teatro de las grandezas de Madrid. 1623. p. 332. Rodriguez Villa, Etiquetes de la casa de Austria. Madrid s. a. 45 f. (1876).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/237
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/237>, abgerufen am 25.11.2024.