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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.

Wie er dazu kam? Längst war er zu den Berathschlagun-
gen über Aufstellung und Umstellung von Gemälden und Statuen,
über Ausstattung der Palastzimmer und Neubauten zugezogen wor-
den; das sind Dinge bei welchen man einen Maler nicht entbehren
kann. So lange er aber dienstlich nicht mitzureden hatte, mag ihm
seine Einmischung, gegenüber nicht sachverständigen Vorgesetz-
ten, oft Unannehmlichkeiten bereitet haben. Er wünschte diese ihm
liebgewordene Thätigkeit mit amtlichem Ansehn auszuüben. Ein
solches wurde ihm, jedoch nur in beschränktem Umfang, bereits
vor Jahren gewährt, als ihn der König zum Direktorialassistenten
seiner ausserordentlichen Bauten (1643) und zum Inspector des
Baus der Tribuna ernannte (1647). Jetzt nun eröffnete sich ihm
die Aussicht auf ein Hofamt, welches ihm jene Autorität in der
für ihn überhaupt erreichbaren Ausdehnung und Unabhängigkeit
geben konnte. Das schlimme war freilich, dass er nun eine Un-
zahl von kleinlichen Geschäften mit in den Kauf nehmen
musste, welche ihm die Zeit nicht nur, sondern auch die Stim-
mung für edlere Dinge raubten. Und dadurch unterschied sich
diese Stelle von frühern, bei denen wohl mehr die Absicht gewesen
war, sein Einkommen zu verbessern und ihm am Hof Respekt
zu verschaffen.

Die Stelle des Palastmarschalls des Königs wurde ein Jahr
nach seiner Rückkehr aus Italien erledigt. Der Posten, obwol
kein Amt des hohen Adels, galt für sehr ehrenvoll1). Velaz-
quez beschloss sich darum zu bewerben, gewiss mit stillschwei-
gender Zustimmung wo nicht Ermunterung des Königs. Er be-
gründet das Gesuch u. a. damit, dass diess Amt zu seiner Eigen-
thümlichkeit, Neigung (genio) und Beschäftigung passe. Der Ge-
halt betrug dreitausend Dukaten. Seine Amtswohnung befand
sich in der Casa del Tesoro.

Das Amt des aposentador (italienisch foriere maggiore, Hofmar-
schall) gehörte im Haushalt der kastilischen Könige zum Ressort
des Mayordomo mayor, des Chefs des Palasts. Der Venezianer Vin-
cenzo Quirini in seiner Relation von 1505 führt drei Aposentadori
maggiori
auf, welche die Befugniss haben, allen welche dem Hofe
folgen, nach Gutdünken Quartier zu geben; sie haben zehn apo-
sentadori
(oder camerini di corte) unter sich. Das hier in Frage
stehende Amt des Aposentador mayor de palacio de S. M. oder

1) Jusepe Martinez nennt ihn carga de mucha importancia y honor. Dis-
cursos 119.
Siebentes Buch.

Wie er dazu kam? Längst war er zu den Berathschlagun-
gen über Aufstellung und Umstellung von Gemälden und Statuen,
über Ausstattung der Palastzimmer und Neubauten zugezogen wor-
den; das sind Dinge bei welchen man einen Maler nicht entbehren
kann. So lange er aber dienstlich nicht mitzureden hatte, mag ihm
seine Einmischung, gegenüber nicht sachverständigen Vorgesetz-
ten, oft Unannehmlichkeiten bereitet haben. Er wünschte diese ihm
liebgewordene Thätigkeit mit amtlichem Ansehn auszuüben. Ein
solches wurde ihm, jedoch nur in beschränktem Umfang, bereits
vor Jahren gewährt, als ihn der König zum Direktorialassistenten
seiner ausserordentlichen Bauten (1643) und zum Inspector des
Baus der Tribuna ernannte (1647). Jetzt nun eröffnete sich ihm
die Aussicht auf ein Hofamt, welches ihm jene Autorität in der
für ihn überhaupt erreichbaren Ausdehnung und Unabhängigkeit
geben konnte. Das schlimme war freilich, dass er nun eine Un-
zahl von kleinlichen Geschäften mit in den Kauf nehmen
musste, welche ihm die Zeit nicht nur, sondern auch die Stim-
mung für edlere Dinge raubten. Und dadurch unterschied sich
diese Stelle von frühern, bei denen wohl mehr die Absicht gewesen
war, sein Einkommen zu verbessern und ihm am Hof Respekt
zu verschaffen.

Die Stelle des Palastmarschalls des Königs wurde ein Jahr
nach seiner Rückkehr aus Italien erledigt. Der Posten, obwol
kein Amt des hohen Adels, galt für sehr ehrenvoll1). Velaz-
quez beschloss sich darum zu bewerben, gewiss mit stillschwei-
gender Zustimmung wo nicht Ermunterung des Königs. Er be-
gründet das Gesuch u. a. damit, dass diess Amt zu seiner Eigen-
thümlichkeit, Neigung (genio) und Beschäftigung passe. Der Ge-
halt betrug dreitausend Dukaten. Seine Amtswohnung befand
sich in der Casa del Tesoro.

Das Amt des aposentador (italienisch foriere maggiore, Hofmar-
schall) gehörte im Haushalt der kastilischen Könige zum Ressort
des Mayordomo mayor, des Chefs des Palasts. Der Venezianer Vin-
cenzo Quirini in seiner Relation von 1505 führt drei Aposentadori
maggiori
auf, welche die Befugniss haben, allen welche dem Hofe
folgen, nach Gutdünken Quartier zu geben; sie haben zehn apo-
sentadori
(oder camerini di corte) unter sich. Das hier in Frage
stehende Amt des Aposentador mayor de palacio de S. M. oder

1) Jusepe Martinez nennt ihn carga de mucha importancia y honor. Dis-
cursos 119.
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[216/0236] Siebentes Buch. Wie er dazu kam? Längst war er zu den Berathschlagun- gen über Aufstellung und Umstellung von Gemälden und Statuen, über Ausstattung der Palastzimmer und Neubauten zugezogen wor- den; das sind Dinge bei welchen man einen Maler nicht entbehren kann. So lange er aber dienstlich nicht mitzureden hatte, mag ihm seine Einmischung, gegenüber nicht sachverständigen Vorgesetz- ten, oft Unannehmlichkeiten bereitet haben. Er wünschte diese ihm liebgewordene Thätigkeit mit amtlichem Ansehn auszuüben. Ein solches wurde ihm, jedoch nur in beschränktem Umfang, bereits vor Jahren gewährt, als ihn der König zum Direktorialassistenten seiner ausserordentlichen Bauten (1643) und zum Inspector des Baus der Tribuna ernannte (1647). Jetzt nun eröffnete sich ihm die Aussicht auf ein Hofamt, welches ihm jene Autorität in der für ihn überhaupt erreichbaren Ausdehnung und Unabhängigkeit geben konnte. Das schlimme war freilich, dass er nun eine Un- zahl von kleinlichen Geschäften mit in den Kauf nehmen musste, welche ihm die Zeit nicht nur, sondern auch die Stim- mung für edlere Dinge raubten. Und dadurch unterschied sich diese Stelle von frühern, bei denen wohl mehr die Absicht gewesen war, sein Einkommen zu verbessern und ihm am Hof Respekt zu verschaffen. Die Stelle des Palastmarschalls des Königs wurde ein Jahr nach seiner Rückkehr aus Italien erledigt. Der Posten, obwol kein Amt des hohen Adels, galt für sehr ehrenvoll 1). Velaz- quez beschloss sich darum zu bewerben, gewiss mit stillschwei- gender Zustimmung wo nicht Ermunterung des Königs. Er be- gründet das Gesuch u. a. damit, dass diess Amt zu seiner Eigen- thümlichkeit, Neigung (genio) und Beschäftigung passe. Der Ge- halt betrug dreitausend Dukaten. Seine Amtswohnung befand sich in der Casa del Tesoro. Das Amt des aposentador (italienisch foriere maggiore, Hofmar- schall) gehörte im Haushalt der kastilischen Könige zum Ressort des Mayordomo mayor, des Chefs des Palasts. Der Venezianer Vin- cenzo Quirini in seiner Relation von 1505 führt drei Aposentadori maggiori auf, welche die Befugniss haben, allen welche dem Hofe folgen, nach Gutdünken Quartier zu geben; sie haben zehn apo- sentadori (oder camerini di corte) unter sich. Das hier in Frage stehende Amt des Aposentador mayor de palacio de S. M. oder 1) Jusepe Martinez nennt ihn carga de mucha importancia y honor. Dis- cursos 119.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/236>, abgerufen am 28.03.2024.