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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Sechstes Buch.
Roth der Umgebung günstig; er brauchte nur den Purpurstoffen
starke Schatten zu geben und überhaupt das Ganze mit Schwarz
zu stimmen, so hatte er die richtige Umgebung für seinen Kopf
und die Grundlage zu einem coloristischen Meisterwerk. Dazu
gab Raphael der Figur des Pabstes als Hintergrund die graue
Wand des Zimmers; ebenso wie van Dyck in seinem Bentivoglio
die Farbenflut des Cardinalkostüms, der Decke, des Vorhangs
durch die Oeffnung mit den Säulenstellungen unterbrach.

Einen andern Weg schlug Maratta ein in dem Bildniss Cle-
mens IX in der Ermitage (Nr. 307). Diess übertrifft im Prunk
der Umgebung noch das unsrige, aber mit raffinirter Kunst ist
alles auf das Hervorspringen des Gesichts berechnet. Der Pabst
Rospigliosi hatte ein blasses, gefurchtes, nervöses Gesicht, helle
grosse lebhafte Augen, grauen Bart. Maratta hat die Farbe
demgemäss verändert: Der Vorhang z. B. ist grauviolett, ein
Ton der zu dem bleichen Gesicht sehr gut passt, der Purpur
der mozzetta ist ebenfalls stark in Grau gebrochen, das Roth hat
seinen Platz mit dem Gold zu theilen.

Wir können das Experiment machen, wie der Kopf Inno-
cenz X in anders gestimmter Umgebung gewirkt hätte, und
zwar mit einem eigenhändigen Exemplar desselben Porträts --
dem im Apsley House. Hier ist der Grund ein schwärzliches
Braun, und das päbstliche Mäntelchen hat einen stumpfrosa Ton.
Wie überrascht war ich, als ich beim Licht einer den Londoner
Nebel durchbrechenden morgendlichen Märzsonne von dem Bildniss
einen so ganz verschiedenen Eindruck erhielt! Die drei naheste-
henden Noten: das leuchtend rothe Käppchen, der fahle Kragen,
das Incarnat, der gefärbte Stoff und die lebendige frische Haut
des gesunden Alten, statt sich zu schaden, hoben sich gegen-
seitig. Obwol dieses Incarnat dasselbe war wie im Doriabild,
so war hier durch Wegnahme des rothen Vorhanges nicht nur
die schädliche Blendung beseitigt, es hatten sich sogar Kontraste
gebildet. Die Hautfarbe erschien vor dem dunklen Grund hell
und klar, unter dem gleissenden Roth der Mütze dagegen zart
und milde, und neben dem Stich ins Violett des Kragens warm,
ja in die pastosen Lichter, die hellgrauen Halbtöne und Re-
flexe kam ein Goldton. Der weisse Leinenkragen wirkte glück-
lich trennend. Die Plastik des Kopfes kam ganz anders zur
Geltung.

Der Pabst schenkte dem Maler, als Zeichen seines Beifalls,
eine goldene Kette und Medaille mit seinem Bildnisse. Diese Aus-

Sechstes Buch.
Roth der Umgebung günstig; er brauchte nur den Purpurstoffen
starke Schatten zu geben und überhaupt das Ganze mit Schwarz
zu stimmen, so hatte er die richtige Umgebung für seinen Kopf
und die Grundlage zu einem coloristischen Meisterwerk. Dazu
gab Raphael der Figur des Pabstes als Hintergrund die graue
Wand des Zimmers; ebenso wie van Dyck in seinem Bentivoglio
die Farbenflut des Cardinalkostüms, der Decke, des Vorhangs
durch die Oeffnung mit den Säulenstellungen unterbrach.

Einen andern Weg schlug Maratta ein in dem Bildniss Cle-
mens IX in der Ermitage (Nr. 307). Diess übertrifft im Prunk
der Umgebung noch das unsrige, aber mit raffinirter Kunst ist
alles auf das Hervorspringen des Gesichts berechnet. Der Pabst
Rospigliosi hatte ein blasses, gefurchtes, nervöses Gesicht, helle
grosse lebhafte Augen, grauen Bart. Maratta hat die Farbe
demgemäss verändert: Der Vorhang z. B. ist grauviolett, ein
Ton der zu dem bleichen Gesicht sehr gut passt, der Purpur
der mozzetta ist ebenfalls stark in Grau gebrochen, das Roth hat
seinen Platz mit dem Gold zu theilen.

Wir können das Experiment machen, wie der Kopf Inno-
cenz X in anders gestimmter Umgebung gewirkt hätte, und
zwar mit einem eigenhändigen Exemplar desselben Porträts —
dem im Apsley House. Hier ist der Grund ein schwärzliches
Braun, und das päbstliche Mäntelchen hat einen stumpfrosa Ton.
Wie überrascht war ich, als ich beim Licht einer den Londoner
Nebel durchbrechenden morgendlichen Märzsonne von dem Bildniss
einen so ganz verschiedenen Eindruck erhielt! Die drei naheste-
henden Noten: das leuchtend rothe Käppchen, der fahle Kragen,
das Incarnat, der gefärbte Stoff und die lebendige frische Haut
des gesunden Alten, statt sich zu schaden, hoben sich gegen-
seitig. Obwol dieses Incarnat dasselbe war wie im Doriabild,
so war hier durch Wegnahme des rothen Vorhanges nicht nur
die schädliche Blendung beseitigt, es hatten sich sogar Kontraste
gebildet. Die Hautfarbe erschien vor dem dunklen Grund hell
und klar, unter dem gleissenden Roth der Mütze dagegen zart
und milde, und neben dem Stich ins Violett des Kragens warm,
ja in die pastosen Lichter, die hellgrauen Halbtöne und Re-
flexe kam ein Goldton. Der weisse Leinenkragen wirkte glück-
lich trennend. Die Plastik des Kopfes kam ganz anders zur
Geltung.

Der Pabst schenkte dem Maler, als Zeichen seines Beifalls,
eine goldene Kette und Medaille mit seinem Bildnisse. Diese Aus-

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[188/0208] Sechstes Buch. Roth der Umgebung günstig; er brauchte nur den Purpurstoffen starke Schatten zu geben und überhaupt das Ganze mit Schwarz zu stimmen, so hatte er die richtige Umgebung für seinen Kopf und die Grundlage zu einem coloristischen Meisterwerk. Dazu gab Raphael der Figur des Pabstes als Hintergrund die graue Wand des Zimmers; ebenso wie van Dyck in seinem Bentivoglio die Farbenflut des Cardinalkostüms, der Decke, des Vorhangs durch die Oeffnung mit den Säulenstellungen unterbrach. Einen andern Weg schlug Maratta ein in dem Bildniss Cle- mens IX in der Ermitage (Nr. 307). Diess übertrifft im Prunk der Umgebung noch das unsrige, aber mit raffinirter Kunst ist alles auf das Hervorspringen des Gesichts berechnet. Der Pabst Rospigliosi hatte ein blasses, gefurchtes, nervöses Gesicht, helle grosse lebhafte Augen, grauen Bart. Maratta hat die Farbe demgemäss verändert: Der Vorhang z. B. ist grauviolett, ein Ton der zu dem bleichen Gesicht sehr gut passt, der Purpur der mozzetta ist ebenfalls stark in Grau gebrochen, das Roth hat seinen Platz mit dem Gold zu theilen. Wir können das Experiment machen, wie der Kopf Inno- cenz X in anders gestimmter Umgebung gewirkt hätte, und zwar mit einem eigenhändigen Exemplar desselben Porträts — dem im Apsley House. Hier ist der Grund ein schwärzliches Braun, und das päbstliche Mäntelchen hat einen stumpfrosa Ton. Wie überrascht war ich, als ich beim Licht einer den Londoner Nebel durchbrechenden morgendlichen Märzsonne von dem Bildniss einen so ganz verschiedenen Eindruck erhielt! Die drei naheste- henden Noten: das leuchtend rothe Käppchen, der fahle Kragen, das Incarnat, der gefärbte Stoff und die lebendige frische Haut des gesunden Alten, statt sich zu schaden, hoben sich gegen- seitig. Obwol dieses Incarnat dasselbe war wie im Doriabild, so war hier durch Wegnahme des rothen Vorhanges nicht nur die schädliche Blendung beseitigt, es hatten sich sogar Kontraste gebildet. Die Hautfarbe erschien vor dem dunklen Grund hell und klar, unter dem gleissenden Roth der Mütze dagegen zart und milde, und neben dem Stich ins Violett des Kragens warm, ja in die pastosen Lichter, die hellgrauen Halbtöne und Re- flexe kam ein Goldton. Der weisse Leinenkragen wirkte glück- lich trennend. Die Plastik des Kopfes kam ganz anders zur Geltung. Der Pabst schenkte dem Maler, als Zeichen seines Beifalls, eine goldene Kette und Medaille mit seinem Bildnisse. Diese Aus-

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/208>, abgerufen am 29.03.2024.