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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Viertes Buch.
merad etwas zuraunen will, scheint Stille zu gebieten. Justin geht
auf Spinola zu, aber dieser kommt ihm entgegen; indem der
Gouverneur ihn anredet und den Schlüssel hinhält, beugt jener
sich vor und legt ihm die Hand auf die Schulter. -- In Blick
und Gestus liegt eine Verschmelzung vornehmer Eleganz, natür-
licher Gutmüthigkeit und italienischer Feinheit. Der siegreiche
Feldherr fühlt mit dem tapfern Manne, der diesen schweren Schritt
thut, und will ihm das Bittere nehmen 1). Auch wer die Rela-
tion nicht kennt, wird aus dem Bild alles so herauslesen, wie
es geschrieben steht. Die Worte sind nicht überliefert, doch
können Calderon's Versen richtige Mittheilungen zu Grund liegen.
Danach hätte Justin von Nassau von dem Schmerz dieses
Moments gesprochen; nicht verhehlt, dass er in solchem Ausgang
nur das Werk des im Krieg waltenden Schicksals sehe, welches
auch die stolzesten Reiche niederwerfen kann. Und Spinola
rühmte seine Tapferkeit: die Tapferkeit des Besiegten ist des
Siegers Ehre 2). Der Commandant sieht dem General aufmerksam,
wie überrascht ins Auge. Von ihm hat dem Maler schwerlich
ein Porträt vorgelegen; er war ein Greis; insigni canitie vene-
rabilis
sagt Hugo.

Die Wahl einer rein menschlichen, noblen Regung zum her-
vorstechendsten Motiv ist ein Zug, auf den nicht Jeder ge-
kommen wäre. So hat der griechische Maler der Alexander-
schlacht (die nicht bloss in den Lanzen und den Pferden an dieses
Werk erinnert) den unterliegenden Darius erhoben, der die eigne
Noth über dem sich für ihn opfernden Vasallen vergisst.

Die Namen derer, welche in der nächsten Nähe des Feldherrn
standen, werden genannt; es ist nicht einer von den sechsen darun-
ter, welche der Madrider Katalog mit ebenso billiger wie müssiger
Geschichtskenntniss aufzählt. Es waren der Prinz Wolfgang von

1) La tete du marquis de Spinola a un caractere de bienveillance et d'urbanite
qui ferait presque souhaiter de perdre une ville pour lui en rendre les clefs. P. L.
Imbert, L'Espagne. Paris 1875. 212.
2) [Spaltenumbruch] No hay temor que me fuerce
a entregarla, pues tuviera
por menos dolor la muerte.
Aquesto no hasi do trato,
sino fortuna, que vuelve
en polvo las monarquias
[Spaltenumbruch] mas altivas y excelentes.
Esp. Justino, yo las recibo,
y conozco que valiente
sois; que el valor del vencido
hace famoso al que vence.
Mr. Solvay lässt ihn sich ausdrücken nach seinem Geschmack: Mon brave, vous
vous etes bien battu; consolez-vous, cela ira mieux une autre fois. (!)

Viertes Buch.
merad etwas zuraunen will, scheint Stille zu gebieten. Justin geht
auf Spinola zu, aber dieser kommt ihm entgegen; indem der
Gouverneur ihn anredet und den Schlüssel hinhält, beugt jener
sich vor und legt ihm die Hand auf die Schulter. — In Blick
und Gestus liegt eine Verschmelzung vornehmer Eleganz, natür-
licher Gutmüthigkeit und italienischer Feinheit. Der siegreiche
Feldherr fühlt mit dem tapfern Manne, der diesen schweren Schritt
thut, und will ihm das Bittere nehmen 1). Auch wer die Rela-
tion nicht kennt, wird aus dem Bild alles so herauslesen, wie
es geschrieben steht. Die Worte sind nicht überliefert, doch
können Calderon’s Versen richtige Mittheilungen zu Grund liegen.
Danach hätte Justin von Nassau von dem Schmerz dieses
Moments gesprochen; nicht verhehlt, dass er in solchem Ausgang
nur das Werk des im Krieg waltenden Schicksals sehe, welches
auch die stolzesten Reiche niederwerfen kann. Und Spinola
rühmte seine Tapferkeit: die Tapferkeit des Besiegten ist des
Siegers Ehre 2). Der Commandant sieht dem General aufmerksam,
wie überrascht ins Auge. Von ihm hat dem Maler schwerlich
ein Porträt vorgelegen; er war ein Greis; insigni canitie vene-
rabilis
sagt Hugo.

Die Wahl einer rein menschlichen, noblen Regung zum her-
vorstechendsten Motiv ist ein Zug, auf den nicht Jeder ge-
kommen wäre. So hat der griechische Maler der Alexander-
schlacht (die nicht bloss in den Lanzen und den Pferden an dieses
Werk erinnert) den unterliegenden Darius erhoben, der die eigne
Noth über dem sich für ihn opfernden Vasallen vergisst.

Die Namen derer, welche in der nächsten Nähe des Feldherrn
standen, werden genannt; es ist nicht einer von den sechsen darun-
ter, welche der Madrider Katalog mit ebenso billiger wie müssiger
Geschichtskenntniss aufzählt. Es waren der Prinz Wolfgang von

1) La tête du marquis de Spinola a un caractère de bienveillance et d’urbanité
qui ferait presque souhaiter de perdre une ville pour lui en rendre les clefs. P. L.
Imbert, L’Espagne. Paris 1875. 212.
2) [Spaltenumbruch] No hay temor que me fuerce
á entregarla, pues tuviera
por menos dolor la muerte.
Aquesto no hasi do trato,
sino fortuna, que vuelve
en polvo las monarquias
[Spaltenumbruch] mas altivas y excelentes.
Esp. Justino, yo las recibo,
y conozco que valiente
sois; que el valor del vencido
hace famoso al que vence.
Mr. Solvay lässt ihn sich ausdrücken nach seinem Geschmack: Mon brave, vous
vous êtes bien battu; consolez-vous, cela ira mieux une autre fois. (!)
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[362/0390] Viertes Buch. merad etwas zuraunen will, scheint Stille zu gebieten. Justin geht auf Spinola zu, aber dieser kommt ihm entgegen; indem der Gouverneur ihn anredet und den Schlüssel hinhält, beugt jener sich vor und legt ihm die Hand auf die Schulter. — In Blick und Gestus liegt eine Verschmelzung vornehmer Eleganz, natür- licher Gutmüthigkeit und italienischer Feinheit. Der siegreiche Feldherr fühlt mit dem tapfern Manne, der diesen schweren Schritt thut, und will ihm das Bittere nehmen 1). Auch wer die Rela- tion nicht kennt, wird aus dem Bild alles so herauslesen, wie es geschrieben steht. Die Worte sind nicht überliefert, doch können Calderon’s Versen richtige Mittheilungen zu Grund liegen. Danach hätte Justin von Nassau von dem Schmerz dieses Moments gesprochen; nicht verhehlt, dass er in solchem Ausgang nur das Werk des im Krieg waltenden Schicksals sehe, welches auch die stolzesten Reiche niederwerfen kann. Und Spinola rühmte seine Tapferkeit: die Tapferkeit des Besiegten ist des Siegers Ehre 2). Der Commandant sieht dem General aufmerksam, wie überrascht ins Auge. Von ihm hat dem Maler schwerlich ein Porträt vorgelegen; er war ein Greis; insigni canitie vene- rabilis sagt Hugo. Die Wahl einer rein menschlichen, noblen Regung zum her- vorstechendsten Motiv ist ein Zug, auf den nicht Jeder ge- kommen wäre. So hat der griechische Maler der Alexander- schlacht (die nicht bloss in den Lanzen und den Pferden an dieses Werk erinnert) den unterliegenden Darius erhoben, der die eigne Noth über dem sich für ihn opfernden Vasallen vergisst. Die Namen derer, welche in der nächsten Nähe des Feldherrn standen, werden genannt; es ist nicht einer von den sechsen darun- ter, welche der Madrider Katalog mit ebenso billiger wie müssiger Geschichtskenntniss aufzählt. Es waren der Prinz Wolfgang von 1) La tête du marquis de Spinola a un caractère de bienveillance et d’urbanité qui ferait presque souhaiter de perdre une ville pour lui en rendre les clefs. P. L. Imbert, L’Espagne. Paris 1875. 212. 2) No hay temor que me fuerce á entregarla, pues tuviera por menos dolor la muerte. Aquesto no hasi do trato, sino fortuna, que vuelve en polvo las monarquias mas altivas y excelentes. Esp. Justino, yo las recibo, y conozco que valiente sois; que el valor del vencido hace famoso al que vence. Mr. Solvay lässt ihn sich ausdrücken nach seinem Geschmack: Mon brave, vous vous êtes bien battu; consolez-vous, cela ira mieux une autre fois. (!)

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/390>, abgerufen am 24.11.2024.