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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Erstes Buch.
einer demnächst zu erhoffenden Arbeit, für die er sich ohne Zweifel in
einer sehr günstigen Lage befindet. Die Galerie des Prado ist unter
der Leitung seines Vaters d. Jose (dessen schöne, am Hofe Ferdinands VII
gefeierte Gemalin eine Tochter des deutschen Malers Kuntz in Rom war)
ausgewählt und aufgestellt worden; jener besass selbst eine Gemälde-
galerie, die von den Söhnen an den Bankier Salamanca verkauft wurde;
er hat die königliche Sammlung in einem lithographischen Prachtwerk
herausgegeben. Diese ist seitdem in einer Art Erbpacht der Familie
verblieben; auch nachdem sie durch die Revolution von 1868 aus dem
Museo del Rey ein Museo nacional geworden war, eine Annexion, die
Alfons XII edelmüthig bestätigte. -- Gewiss eine vortreffliche Situation,
um Kenner wo nicht durchs Auge, so doch durchs Ohr zu werden.

Der Advocat und Bibliophile d. Francisco Asensio in Sevilla hat in
einer Schrift über Pacheco1) die Urkunden der Kirchenbücher mitgetheilt
und kürzlich dessen von ihm wiederentdecktes und erworbenes Bildnisswerk
phototypisch herausgegeben, -- die ergiebigste Quelle für die Kennt-
niss der damaligen Gesellschaft Sevilla's. Ich habe den Text seiner
Zeit noch in einer Abschrift der Bibliothek der historischen Akademie
benutzt.

Neuerdings ist an Velazquez (und Murillo) eine Arbeit gewandt
worden, wie man sie wohl für mehr Künstler haben möchte, ich meine
das merkwürdige Buch von Charles B. Curtis in New-York2), mit welchem
Amerika auf der Arena des kunstgeschichtlichen Studiums erschienen
ist. Dies Werk seltener Liebe und eines wohl zwanzigjährigen
Sammelfleisses beabsichtigt eine beschreibende Zusammenstellung alles
dessen, was jemals auf den Namen des Velazquez (wenigstens durch die
Druckerpresse) getauft worden ist, nebst der Geschichte der Bilder,
ihren Preisen und dem Verzeichniss aller Reproductionen, von welchen
Curtis wohl die vollständigste vorhandene Sammlung besitzt. Der Verfasser
hat grundsätzlich von einer kritischen Sichtung abgesehen, die freilich
denen die sein Buch gebrauchen viel vergebliche Wege erspart haben
würde, aber auch seine eigene Mühe mehr als verdoppelt und das
Buch dem Ideal, welches der heutigen Kunstgelehrsamkeit vorzuschweben
scheint, sehr nahe gebracht hätte. Zu den besonders gescheiten Eigen-
schaften des Werkes gehört, dass er ihm die Form gegeben hat die für
den Inhalt passte: die eines Katalogs, während andere aus dem Material,
das für einen räsonnirenden Katalog allenfalls hingereicht hatte, eine

1) Francisco Pacheco, sus obras arstisticas y literarias. Apuntes por D. Jose
Asensio. Sevilla 1876.
2) Velazquez and Murillo. A descriptive and historical Catalogue by Ch. B.
Curtis. London 1883.

Erstes Buch.
einer demnächst zu erhoffenden Arbeit, für die er sich ohne Zweifel in
einer sehr günstigen Lage befindet. Die Galerie des Prado ist unter
der Leitung seines Vaters d. José (dessen schöne, am Hofe Ferdinands VII
gefeierte Gemalin eine Tochter des deutschen Malers Kuntz in Rom war)
ausgewählt und aufgestellt worden; jener besass selbst eine Gemälde-
galerie, die von den Söhnen an den Bankier Salamanca verkauft wurde;
er hat die königliche Sammlung in einem lithographischen Prachtwerk
herausgegeben. Diese ist seitdem in einer Art Erbpacht der Familie
verblieben; auch nachdem sie durch die Revolution von 1868 aus dem
Museo del Rey ein Museo nacional geworden war, eine Annexion, die
Alfons XII edelmüthig bestätigte. — Gewiss eine vortreffliche Situation,
um Kenner wo nicht durchs Auge, so doch durchs Ohr zu werden.

Der Advocat und Bibliophile d. Francisco Asensio in Sevilla hat in
einer Schrift über Pacheco1) die Urkunden der Kirchenbücher mitgetheilt
und kürzlich dessen von ihm wiederentdecktes und erworbenes Bildnisswerk
phototypisch herausgegeben, — die ergiebigste Quelle für die Kennt-
niss der damaligen Gesellschaft Sevilla’s. Ich habe den Text seiner
Zeit noch in einer Abschrift der Bibliothek der historischen Akademie
benutzt.

Neuerdings ist an Velazquez (und Murillo) eine Arbeit gewandt
worden, wie man sie wohl für mehr Künstler haben möchte, ich meine
das merkwürdige Buch von Charles B. Curtis in New-York2), mit welchem
Amerika auf der Arena des kunstgeschichtlichen Studiums erschienen
ist. Dies Werk seltener Liebe und eines wohl zwanzigjährigen
Sammelfleisses beabsichtigt eine beschreibende Zusammenstellung alles
dessen, was jemals auf den Namen des Velazquez (wenigstens durch die
Druckerpresse) getauft worden ist, nebst der Geschichte der Bilder,
ihren Preisen und dem Verzeichniss aller Reproductionen, von welchen
Curtis wohl die vollständigste vorhandene Sammlung besitzt. Der Verfasser
hat grundsätzlich von einer kritischen Sichtung abgesehen, die freilich
denen die sein Buch gebrauchen viel vergebliche Wege erspart haben
würde, aber auch seine eigene Mühe mehr als verdoppelt und das
Buch dem Ideal, welches der heutigen Kunstgelehrsamkeit vorzuschweben
scheint, sehr nahe gebracht hätte. Zu den besonders gescheiten Eigen-
schaften des Werkes gehört, dass er ihm die Form gegeben hat die für
den Inhalt passte: die eines Katalogs, während andere aus dem Material,
das für einen räsonnirenden Katalog allenfalls hingereicht hatte, eine

1) Francisco Pacheco, sus obras arstísticas y literarias. Apuntes por D. José
Asensio. Sevilla 1876.
2) Velazquez and Murillo. A descriptive and historical Catalogue by Ch. B.
Curtis. London 1883.
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[18/0038] Erstes Buch. einer demnächst zu erhoffenden Arbeit, für die er sich ohne Zweifel in einer sehr günstigen Lage befindet. Die Galerie des Prado ist unter der Leitung seines Vaters d. José (dessen schöne, am Hofe Ferdinands VII gefeierte Gemalin eine Tochter des deutschen Malers Kuntz in Rom war) ausgewählt und aufgestellt worden; jener besass selbst eine Gemälde- galerie, die von den Söhnen an den Bankier Salamanca verkauft wurde; er hat die königliche Sammlung in einem lithographischen Prachtwerk herausgegeben. Diese ist seitdem in einer Art Erbpacht der Familie verblieben; auch nachdem sie durch die Revolution von 1868 aus dem Museo del Rey ein Museo nacional geworden war, eine Annexion, die Alfons XII edelmüthig bestätigte. — Gewiss eine vortreffliche Situation, um Kenner wo nicht durchs Auge, so doch durchs Ohr zu werden. Der Advocat und Bibliophile d. Francisco Asensio in Sevilla hat in einer Schrift über Pacheco 1) die Urkunden der Kirchenbücher mitgetheilt und kürzlich dessen von ihm wiederentdecktes und erworbenes Bildnisswerk phototypisch herausgegeben, — die ergiebigste Quelle für die Kennt- niss der damaligen Gesellschaft Sevilla’s. Ich habe den Text seiner Zeit noch in einer Abschrift der Bibliothek der historischen Akademie benutzt. Neuerdings ist an Velazquez (und Murillo) eine Arbeit gewandt worden, wie man sie wohl für mehr Künstler haben möchte, ich meine das merkwürdige Buch von Charles B. Curtis in New-York 2), mit welchem Amerika auf der Arena des kunstgeschichtlichen Studiums erschienen ist. Dies Werk seltener Liebe und eines wohl zwanzigjährigen Sammelfleisses beabsichtigt eine beschreibende Zusammenstellung alles dessen, was jemals auf den Namen des Velazquez (wenigstens durch die Druckerpresse) getauft worden ist, nebst der Geschichte der Bilder, ihren Preisen und dem Verzeichniss aller Reproductionen, von welchen Curtis wohl die vollständigste vorhandene Sammlung besitzt. Der Verfasser hat grundsätzlich von einer kritischen Sichtung abgesehen, die freilich denen die sein Buch gebrauchen viel vergebliche Wege erspart haben würde, aber auch seine eigene Mühe mehr als verdoppelt und das Buch dem Ideal, welches der heutigen Kunstgelehrsamkeit vorzuschweben scheint, sehr nahe gebracht hätte. Zu den besonders gescheiten Eigen- schaften des Werkes gehört, dass er ihm die Form gegeben hat die für den Inhalt passte: die eines Katalogs, während andere aus dem Material, das für einen räsonnirenden Katalog allenfalls hingereicht hatte, eine 1) Francisco Pacheco, sus obras arstísticas y literarias. Apuntes por D. José Asensio. Sevilla 1876. 2) Velazquez and Murillo. A descriptive and historical Catalogue by Ch. B. Curtis. London 1883.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/38>, abgerufen am 21.11.2024.