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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
löstes Problem ist das Riesengemälde der Himmelfahrt Mariä,
früher in der Kirche der Franciskanerinnen zu Fuensaldanna,
jetzt im Museum zu Valladolid. Man nimmt sich oft nicht die
Mühe es ernstlich zu prüfen, weil es durch eine fremdartige
Art in Ton und Modellirung zurückstösst, obwol grade diese
sich ähnlich in dem sehr frühen Apostolat der Pradogalerie findet.
Aber nachdenklich macht doch die Meisterschaft der Zeichnung,
der in spätern Werken vermisste Wechsel in der Charakteristik,
die vollendete Beherrschung des stürmisch bewegten und doch
ohne jede Störung so klar geordneten Figurengewoges, vor allem
die ungewöhnliche Schönheit dieser Welt von herrlichen Jüng-
lings- und Kindergestalten. --

Was auch seine bestimmten Absichten gewesen sein mögen
-- Studien des dortigen italienischen Gemäldeschatzes, umfas-
sende Aufträge -- gewiss ist, dass er seine Zwecke vollständig
erreicht hat.

Er selbst schreibt Peiresc am 2. December: "Ich halte mich
hier wie überall eifrig ans Malen, und habe bereits das
Reiterbildniss Seiner Majestät aufgenommen, zu deren grossem
Beifall und Zufriedenheit, denn er findet augenscheinlich ganz
besondere Freude an der Malerei, und nach meiner Ansicht ist
dieser Fürst mit den schönsten Gaben ausgestattet. Ich kenne
ihn schon aus persönlichem Verkehr, denn da ich Zimmer im
Palast habe, so besucht er mich fast täglich. Ich habe auch die
Köpfe der ganzen königlichen Familie gemacht, treu mit voller
Bequemlichkeit in ihrer Gegenwart, im Auftrag der durchlauch-
tigen Infantin, meiner Herrin."

Den vollständigsten Bericht aber über seine Thätigkeit ent-
hält das Buch Pacheco's; derselbe kann nur von Velazquez selbst
herrühren, er wird dem Schwiegervater diese kostbaren Notizen
für dessen Werk aufgesetzt haben 1).

"Er brachte für die Majestät unseres Katholischen Königs
Philipp IV acht Gemälde mit von verschiedenem Inhalt und Um-
fang, welche in dem Neuen Saal neben andern herrlichen Stücken
aufgestellt sind. In den neun Monaten, die er in Madrid weilte,
hat er, ohne seine wichtigen Geschäfte zu vernachlässigen, und
obwol er einige Tage an der Gicht litt, viel gemalt, so gross
ist seine Geschicklichkeit und Leichtigkeit. Zuerst nahm er den
König, die Königin und die Infanten auf in Halbfiguren, um

1) Pacheco, Arte de la Pintura I, 132.

Zweites Buch.
löstes Problem ist das Riesengemälde der Himmelfahrt Mariä,
früher in der Kirche der Franciskanerinnen zu Fuensaldaña,
jetzt im Museum zu Valladolid. Man nimmt sich oft nicht die
Mühe es ernstlich zu prüfen, weil es durch eine fremdartige
Art in Ton und Modellirung zurückstösst, obwol grade diese
sich ähnlich in dem sehr frühen Apostolat der Pradogalerie findet.
Aber nachdenklich macht doch die Meisterschaft der Zeichnung,
der in spätern Werken vermisste Wechsel in der Charakteristik,
die vollendete Beherrschung des stürmisch bewegten und doch
ohne jede Störung so klar geordneten Figurengewoges, vor allem
die ungewöhnliche Schönheit dieser Welt von herrlichen Jüng-
lings- und Kindergestalten. —

Was auch seine bestimmten Absichten gewesen sein mögen
— Studien des dortigen italienischen Gemäldeschatzes, umfas-
sende Aufträge — gewiss ist, dass er seine Zwecke vollständig
erreicht hat.

Er selbst schreibt Peiresc am 2. December: „Ich halte mich
hier wie überall eifrig ans Malen, und habe bereits das
Reiterbildniss Seiner Majestät aufgenommen, zu deren grossem
Beifall und Zufriedenheit, denn er findet augenscheinlich ganz
besondere Freude an der Malerei, und nach meiner Ansicht ist
dieser Fürst mit den schönsten Gaben ausgestattet. Ich kenne
ihn schon aus persönlichem Verkehr, denn da ich Zimmer im
Palast habe, so besucht er mich fast täglich. Ich habe auch die
Köpfe der ganzen königlichen Familie gemacht, treu mit voller
Bequemlichkeit in ihrer Gegenwart, im Auftrag der durchlauch-
tigen Infantin, meiner Herrin.“

Den vollständigsten Bericht aber über seine Thätigkeit ent-
hält das Buch Pacheco’s; derselbe kann nur von Velazquez selbst
herrühren, er wird dem Schwiegervater diese kostbaren Notizen
für dessen Werk aufgesetzt haben 1).

„Er brachte für die Majestät unseres Katholischen Königs
Philipp IV acht Gemälde mit von verschiedenem Inhalt und Um-
fang, welche in dem Neuen Saal neben andern herrlichen Stücken
aufgestellt sind. In den neun Monaten, die er in Madrid weilte,
hat er, ohne seine wichtigen Geschäfte zu vernachlässigen, und
obwol er einige Tage an der Gicht litt, viel gemalt, so gross
ist seine Geschicklichkeit und Leichtigkeit. Zuerst nahm er den
König, die Königin und die Infanten auf in Halbfiguren, um

1) Pacheco, Arte de la Pintura I, 132.
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[238/0262] Zweites Buch. löstes Problem ist das Riesengemälde der Himmelfahrt Mariä, früher in der Kirche der Franciskanerinnen zu Fuensaldaña, jetzt im Museum zu Valladolid. Man nimmt sich oft nicht die Mühe es ernstlich zu prüfen, weil es durch eine fremdartige Art in Ton und Modellirung zurückstösst, obwol grade diese sich ähnlich in dem sehr frühen Apostolat der Pradogalerie findet. Aber nachdenklich macht doch die Meisterschaft der Zeichnung, der in spätern Werken vermisste Wechsel in der Charakteristik, die vollendete Beherrschung des stürmisch bewegten und doch ohne jede Störung so klar geordneten Figurengewoges, vor allem die ungewöhnliche Schönheit dieser Welt von herrlichen Jüng- lings- und Kindergestalten. — Was auch seine bestimmten Absichten gewesen sein mögen — Studien des dortigen italienischen Gemäldeschatzes, umfas- sende Aufträge — gewiss ist, dass er seine Zwecke vollständig erreicht hat. Er selbst schreibt Peiresc am 2. December: „Ich halte mich hier wie überall eifrig ans Malen, und habe bereits das Reiterbildniss Seiner Majestät aufgenommen, zu deren grossem Beifall und Zufriedenheit, denn er findet augenscheinlich ganz besondere Freude an der Malerei, und nach meiner Ansicht ist dieser Fürst mit den schönsten Gaben ausgestattet. Ich kenne ihn schon aus persönlichem Verkehr, denn da ich Zimmer im Palast habe, so besucht er mich fast täglich. Ich habe auch die Köpfe der ganzen königlichen Familie gemacht, treu mit voller Bequemlichkeit in ihrer Gegenwart, im Auftrag der durchlauch- tigen Infantin, meiner Herrin.“ Den vollständigsten Bericht aber über seine Thätigkeit ent- hält das Buch Pacheco’s; derselbe kann nur von Velazquez selbst herrühren, er wird dem Schwiegervater diese kostbaren Notizen für dessen Werk aufgesetzt haben 1). „Er brachte für die Majestät unseres Katholischen Königs Philipp IV acht Gemälde mit von verschiedenem Inhalt und Um- fang, welche in dem Neuen Saal neben andern herrlichen Stücken aufgestellt sind. In den neun Monaten, die er in Madrid weilte, hat er, ohne seine wichtigen Geschäfte zu vernachlässigen, und obwol er einige Tage an der Gicht litt, viel gemalt, so gross ist seine Geschicklichkeit und Leichtigkeit. Zuerst nahm er den König, die Königin und die Infanten auf in Halbfiguren, um 1) Pacheco, Arte de la Pintura I, 132.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/262>, abgerufen am 22.11.2024.