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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Stadt Madrid.
bot ihm vergebens 2000 Escudos; aber der König kaufte ihn
selbst und machte ihn dem Gast zum Geschenk 1). Damals war die
Almoneda des Grafen von Villamediana noch offen. Dieser Mann
von glänzendem Geist war am 21. August 1622 auf Anstiften
des Königs in seiner Kutsche erschossen worden, man weiss
nicht genau, ob wegen seiner satirischen Gedichte von unerhörter
Keckheit und Bosheit, oder wegen seiner verwegenen Galanterien
mit der jungen Königin. Er war sechs Jahre in Neapel und
Florenz gewesen, von wo er Gemälde, Waffen und Alterthümer
mitbrachte. Als der neuernannte Erzbischof von Burgos, Fer-
nando de Azevedo sich in Madrid verabschiedete, schenkte er ihm
einen Tizian von tausend Escudos Werth, "damit er sich seiner
in Burgos erinnere". Jener Verkauf fand statt an der Puerta
del Sol, gegenüber S. Felipe el Real. Oft kam der Prinz in
das Haus des D. Geronimo Fures y Munnoz, eines Sammlers und
Erfinders gemalter Sinnbilder (empresas), um dessen Cabinet von
Gemälden und Originalzeichnungen der grossen Italiener zu sehn.
Dieser schenkte ihm acht Gemälde und eine Anzahl kunstreicher
Waffen. Aus Crescenzi's Sammlung erhielt er später durch
Cottington ein Gemälde Rosso's, den Streit der Musen und
Pieriden (Louvre 369) für 400 Dukaten. Der Prinz fand auch
an spanischen Malern Geschmack. In seiner Sammlung kommen
Stillleben vor von dem als Blumenmaler sehr geschätzten, jetzt
verschollenen Juan Labrador (+ 1600); ferner ein Nachtstück der
"Hirten" von Pedro Orrente.

Gelegenheit gute Sachen aus Privatbesitz zu sehen, gaben
auch die grossen Kirchenfeste, wie Fronleichnam, S. Johannis.
Da wurden die Balkons mit Tapisserien behängt, im Erdge-
schoss von der Strasse aus sichtbare Altäre errichtet, geschmückt
mit Blumen, grünen Zweigen, Gemälden, Paramenten und Lich-
tern, vor denen man sang, spielte und tanzte.




1) Khevenhiller, Annales Ferdin. X, 333. In einem Ms. des Brit. Mus., Ob-
servations concerning pictures & paintings in England 1650 & 52, wird dieser
sbozzo als in Mr. Bayley's Besitz befindlich erwähnt, nebst der "Schule des Amor".
Vielleicht ist es das Bild in Petworth. Waagen, Treasures III, 43.
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Die Stadt Madrid.
bot ihm vergebens 2000 Escudos; aber der König kaufte ihn
selbst und machte ihn dem Gast zum Geschenk 1). Damals war die
Almoneda des Grafen von Villamediana noch offen. Dieser Mann
von glänzendem Geist war am 21. August 1622 auf Anstiften
des Königs in seiner Kutsche erschossen worden, man weiss
nicht genau, ob wegen seiner satirischen Gedichte von unerhörter
Keckheit und Bosheit, oder wegen seiner verwegenen Galanterien
mit der jungen Königin. Er war sechs Jahre in Neapel und
Florenz gewesen, von wo er Gemälde, Waffen und Alterthümer
mitbrachte. Als der neuernannte Erzbischof von Burgos, Fer-
nando de Azevedo sich in Madrid verabschiedete, schenkte er ihm
einen Tizian von tausend Escudos Werth, „damit er sich seiner
in Burgos erinnere“. Jener Verkauf fand statt an der Puerta
del Sol, gegenüber S. Felipe el Real. Oft kam der Prinz in
das Haus des D. Gerónimo Fures y Múñoz, eines Sammlers und
Erfinders gemalter Sinnbilder (empresas), um dessen Cabinet von
Gemälden und Originalzeichnungen der grossen Italiener zu sehn.
Dieser schenkte ihm acht Gemälde und eine Anzahl kunstreicher
Waffen. Aus Crescenzi’s Sammlung erhielt er später durch
Cottington ein Gemälde Rosso’s, den Streit der Musen und
Pieriden (Louvre 369) für 400 Dukaten. Der Prinz fand auch
an spanischen Malern Geschmack. In seiner Sammlung kommen
Stillleben vor von dem als Blumenmaler sehr geschätzten, jetzt
verschollenen Juan Labrador († 1600); ferner ein Nachtstück der
„Hirten“ von Pedro Orrente.

Gelegenheit gute Sachen aus Privatbesitz zu sehen, gaben
auch die grossen Kirchenfeste, wie Fronleichnam, S. Johannis.
Da wurden die Balkons mit Tapisserien behängt, im Erdge-
schoss von der Strasse aus sichtbare Altäre errichtet, geschmückt
mit Blumen, grünen Zweigen, Gemälden, Paramenten und Lich-
tern, vor denen man sang, spielte und tanzte.




1) Khevenhiller, Annales Ferdin. X, 333. In einem Ms. des Brit. Mus., Ob-
servations concerning pictures & paintings in England 1650 & 52, wird dieser
sbozzo als in Mr. Bayley’s Besitz befindlich erwähnt, nebst der „Schule des Amor“.
Vielleicht ist es das Bild in Petworth. Waagen, Treasures III, 43.
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[177/0197] Die Stadt Madrid. bot ihm vergebens 2000 Escudos; aber der König kaufte ihn selbst und machte ihn dem Gast zum Geschenk 1). Damals war die Almoneda des Grafen von Villamediana noch offen. Dieser Mann von glänzendem Geist war am 21. August 1622 auf Anstiften des Königs in seiner Kutsche erschossen worden, man weiss nicht genau, ob wegen seiner satirischen Gedichte von unerhörter Keckheit und Bosheit, oder wegen seiner verwegenen Galanterien mit der jungen Königin. Er war sechs Jahre in Neapel und Florenz gewesen, von wo er Gemälde, Waffen und Alterthümer mitbrachte. Als der neuernannte Erzbischof von Burgos, Fer- nando de Azevedo sich in Madrid verabschiedete, schenkte er ihm einen Tizian von tausend Escudos Werth, „damit er sich seiner in Burgos erinnere“. Jener Verkauf fand statt an der Puerta del Sol, gegenüber S. Felipe el Real. Oft kam der Prinz in das Haus des D. Gerónimo Fures y Múñoz, eines Sammlers und Erfinders gemalter Sinnbilder (empresas), um dessen Cabinet von Gemälden und Originalzeichnungen der grossen Italiener zu sehn. Dieser schenkte ihm acht Gemälde und eine Anzahl kunstreicher Waffen. Aus Crescenzi’s Sammlung erhielt er später durch Cottington ein Gemälde Rosso’s, den Streit der Musen und Pieriden (Louvre 369) für 400 Dukaten. Der Prinz fand auch an spanischen Malern Geschmack. In seiner Sammlung kommen Stillleben vor von dem als Blumenmaler sehr geschätzten, jetzt verschollenen Juan Labrador († 1600); ferner ein Nachtstück der „Hirten“ von Pedro Orrente. Gelegenheit gute Sachen aus Privatbesitz zu sehen, gaben auch die grossen Kirchenfeste, wie Fronleichnam, S. Johannis. Da wurden die Balkons mit Tapisserien behängt, im Erdge- schoss von der Strasse aus sichtbare Altäre errichtet, geschmückt mit Blumen, grünen Zweigen, Gemälden, Paramenten und Lich- tern, vor denen man sang, spielte und tanzte. 1) Khevenhiller, Annales Ferdin. X, 333. In einem Ms. des Brit. Mus., Ob- servations concerning pictures & paintings in England 1650 & 52, wird dieser sbozzo als in Mr. Bayley’s Besitz befindlich erwähnt, nebst der „Schule des Amor“. Vielleicht ist es das Bild in Petworth. Waagen, Treasures III, 43. 12

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/197>, abgerufen am 24.11.2024.