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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
Mode sammelten, gab es auch echte Liebhaber. Das lebhaft ge-
färbte Bild eines solchen entwirft Quevedo 1). Juan de Espina
war nach ihm das Muster eines Kunstfreunds, und ausserdem ein
wahrer Philosoph. Feinheit und Gründlichkeit der Kenntnisse,
Findigkeit und Ausdauer im Suchen, Nichtachtung der Preise
(er hatte fünftausend Dukaten Einkünfte); Auswahl des "Unbe-
zahlbaren" und Geschmack in der Aufstellung, stete Offenheit
des Hauses für Künstler und Gelehrte. "Er konnte jeden Gast
fragen nach Geschmack und Beschäftigung, und dieser sicher
sein, dass sich etwas für ihn finde. Dort gewann man die Stun-
den, die man anderwärts verlor, und der Tag verging, ohne dass
man die Schritte zählte". Ein tiefsinniger Grübler, galt er für
einen Magier und ist als solcher sogar auf die Bühne gebracht
worden.

"Er allein bewahrte in seinen Gemächern Gemälde, welche
die Macht und Herrschaft der Nepoten in Rom und die Grösse
der Potentaten nicht aufzuspeichern vermochte; er hat mit
grossem Aufwand in seinem Haus das seltenste vereinigt, was Alle
in den verschiedensten Provinzen besassen; und Jahre lang war
dieses Haus ein Auszug (abreviatura) der Wunder Europa's, auf-
gesucht von den Fremden, zu grosser Ehre unsrer Nation, die
oft vielleicht nichts weiter von Spanien erzählten, als die Erinne-
rung an ihn."

In dasselbe Jahr, wo Velazquez nach Madrid übersiedelte,
fällt der Besuch des Prinzen von Wales, Carl, der dort vom
17. März bis zum 9. September verweilte 2). Nach Lope de
Vega brachte er "mit merkwürdigem Eifer alle Gemälde zusam-
men die zu haben waren, er schätzte und zahlte sie mit über-
mässigen Preisen". Jenem Espina suchte er denn auch sein
Kleinod, die zwei Bände Handschriften mit Zeichnungen des
Leonardo da Vinci abzuhandeln, aber ohne Erfolg; der Besitzer
hatte sie nach seinem Tode dem Könige bestimmt; vierzehn
Jahre später liess der Graf Arundel darnach forschen, der sie
auch erhielt. Diese stammten aus der Almoneda des Pompeo
Leoni (+ 1608), in der Andres Velazquez einen kleinen (einen
Fuss hohen) auf Kupfer gemalten Correggio davongetragen hatte,
eine Madonna mit dem Kinde und dem heil. Joseph; der Prinz

1) Quevedo, obras, Ausgabe von Guerra y Orbe, I, 219, hier zum erstenmale
abgedruckt.
2) Man s. meinen Artikel in der Deutschen Rundschau von 1883.

Zweites Buch.
Mode sammelten, gab es auch echte Liebhaber. Das lebhaft ge-
färbte Bild eines solchen entwirft Quevedo 1). Juan de Espina
war nach ihm das Muster eines Kunstfreunds, und ausserdem ein
wahrer Philosoph. Feinheit und Gründlichkeit der Kenntnisse,
Findigkeit und Ausdauer im Suchen, Nichtachtung der Preise
(er hatte fünftausend Dukaten Einkünfte); Auswahl des „Unbe-
zahlbaren“ und Geschmack in der Aufstellung, stete Offenheit
des Hauses für Künstler und Gelehrte. „Er konnte jeden Gast
fragen nach Geschmack und Beschäftigung, und dieser sicher
sein, dass sich etwas für ihn finde. Dort gewann man die Stun-
den, die man anderwärts verlor, und der Tag verging, ohne dass
man die Schritte zählte“. Ein tiefsinniger Grübler, galt er für
einen Magier und ist als solcher sogar auf die Bühne gebracht
worden.

„Er allein bewahrte in seinen Gemächern Gemälde, welche
die Macht und Herrschaft der Nepoten in Rom und die Grösse
der Potentaten nicht aufzuspeichern vermochte; er hat mit
grossem Aufwand in seinem Haus das seltenste vereinigt, was Alle
in den verschiedensten Provinzen besassen; und Jahre lang war
dieses Haus ein Auszug (abreviatura) der Wunder Europa’s, auf-
gesucht von den Fremden, zu grosser Ehre unsrer Nation, die
oft vielleicht nichts weiter von Spanien erzählten, als die Erinne-
rung an ihn.“

In dasselbe Jahr, wo Velazquez nach Madrid übersiedelte,
fällt der Besuch des Prinzen von Wales, Carl, der dort vom
17. März bis zum 9. September verweilte 2). Nach Lope de
Vega brachte er „mit merkwürdigem Eifer alle Gemälde zusam-
men die zu haben waren, er schätzte und zahlte sie mit über-
mässigen Preisen“. Jenem Espina suchte er denn auch sein
Kleinod, die zwei Bände Handschriften mit Zeichnungen des
Leonardo da Vinci abzuhandeln, aber ohne Erfolg; der Besitzer
hatte sie nach seinem Tode dem Könige bestimmt; vierzehn
Jahre später liess der Graf Arundel darnach forschen, der sie
auch erhielt. Diese stammten aus der Almoneda des Pompeo
Leoni († 1608), in der Andrés Velazquez einen kleinen (einen
Fuss hohen) auf Kupfer gemalten Correggio davongetragen hatte,
eine Madonna mit dem Kinde und dem heil. Joseph; der Prinz

1) Quevedo, obras, Ausgabe von Guerra y Orbe, I, 219, hier zum erstenmale
abgedruckt.
2) Man s. meinen Artikel in der Deutschen Rundschau von 1883.
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[176/0196] Zweites Buch. Mode sammelten, gab es auch echte Liebhaber. Das lebhaft ge- färbte Bild eines solchen entwirft Quevedo 1). Juan de Espina war nach ihm das Muster eines Kunstfreunds, und ausserdem ein wahrer Philosoph. Feinheit und Gründlichkeit der Kenntnisse, Findigkeit und Ausdauer im Suchen, Nichtachtung der Preise (er hatte fünftausend Dukaten Einkünfte); Auswahl des „Unbe- zahlbaren“ und Geschmack in der Aufstellung, stete Offenheit des Hauses für Künstler und Gelehrte. „Er konnte jeden Gast fragen nach Geschmack und Beschäftigung, und dieser sicher sein, dass sich etwas für ihn finde. Dort gewann man die Stun- den, die man anderwärts verlor, und der Tag verging, ohne dass man die Schritte zählte“. Ein tiefsinniger Grübler, galt er für einen Magier und ist als solcher sogar auf die Bühne gebracht worden. „Er allein bewahrte in seinen Gemächern Gemälde, welche die Macht und Herrschaft der Nepoten in Rom und die Grösse der Potentaten nicht aufzuspeichern vermochte; er hat mit grossem Aufwand in seinem Haus das seltenste vereinigt, was Alle in den verschiedensten Provinzen besassen; und Jahre lang war dieses Haus ein Auszug (abreviatura) der Wunder Europa’s, auf- gesucht von den Fremden, zu grosser Ehre unsrer Nation, die oft vielleicht nichts weiter von Spanien erzählten, als die Erinne- rung an ihn.“ In dasselbe Jahr, wo Velazquez nach Madrid übersiedelte, fällt der Besuch des Prinzen von Wales, Carl, der dort vom 17. März bis zum 9. September verweilte 2). Nach Lope de Vega brachte er „mit merkwürdigem Eifer alle Gemälde zusam- men die zu haben waren, er schätzte und zahlte sie mit über- mässigen Preisen“. Jenem Espina suchte er denn auch sein Kleinod, die zwei Bände Handschriften mit Zeichnungen des Leonardo da Vinci abzuhandeln, aber ohne Erfolg; der Besitzer hatte sie nach seinem Tode dem Könige bestimmt; vierzehn Jahre später liess der Graf Arundel darnach forschen, der sie auch erhielt. Diese stammten aus der Almoneda des Pompeo Leoni († 1608), in der Andrés Velazquez einen kleinen (einen Fuss hohen) auf Kupfer gemalten Correggio davongetragen hatte, eine Madonna mit dem Kinde und dem heil. Joseph; der Prinz 1) Quevedo, obras, Ausgabe von Guerra y Orbe, I, 219, hier zum erstenmale abgedruckt. 2) Man s. meinen Artikel in der Deutschen Rundschau von 1883.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/196>, abgerufen am 24.11.2024.