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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Dialog über die Malerei.
buch der Dichtkunst, das wir besitzen, mit derselben Widmung vom
Jahre 1606. Jene Reihe dort von dreissig Folianten enthält die Schrift-
stücke und Privilegien, die er selbst, in Familienangelegenheiten am
Hofe verweilend, in den Archiven der Benedictiner- und Cistercienser-
klöster Castiliens gesammelt hat. Ein grosser Theil der Bibliothek aber
stammt von dem gelehrten Hebraisten und Gräcisten, dem Doctor Lucian
Negron, dem die Prüfung der Bücher für das h. Uffiz oblag, und der
die Bücherei des Meister Ambrosio Morales, des Historiographen der
Krone Kastiliens und Philipp II, überkommen hatte. -- Hier liegt ein
ganz neues Büchlein, gedruckt zu Neapel in diesem Jahr: La Favola
di Mirra
, in Ottave rime; es stammt von seinem Sohne Don Fernando,
der fast noch ein Knabe ist. Aber noch mehr interessirt uns Künstler
diess italienische Tagebuch unsers Luis de Vargas, des Lichts der
Malerei, toscanisch geschrieben. Darin hat er alles gezeichnet was er dort
sah, Städte, Tempel, Trachten und Hosterien, und wenn er müde war, die
Karavanen und Maulesel.

Tr. Was ist das für ein seltsames Bild an der Wand dort, über
dem Bufete mit den Münzen, Medaillen und Ringen?

E. Es stellt eine griechische Hochzeit vor, und ist die genaue
Copie des schönsten und grössten Gemäldes, das aus dem griechischen
Alterthum auf uns gekommen ist. Selbiges wurde unter Pabst Paul V
im Jahre 1606 beim Ausgraben eines verschütteten Hauses in der Nähe
des Palastes von Monte Cavallo an einer Wand entdeckt, und die
Freskofarben waren damals wie neu, obwol sie 1600 Jahre alt waren.
Der Neffe Clemens VIII, Cardinal Pedro Aldobrandini, hat es in einem
Speisesaal seines dortigen Gartens aufgestellt und durch hölzerne Thüren
geschützt. Diess weiss ich aus einem Briefe des Herzogs vom Jahre
1625 an mich, in dem er das Bild genau beschreibt; die Copie hat er
damals in Rom anfertigen lassen. Die kleinen Tafeln zur Seite stammen
ebenfalls aus Rom und sind Mosaikgemälde; der Papagei zwischen
Kirschen und Blumen ist antik, der h. Franciscus modern. Damals
liess der Pabst die metallene Decke des Pantheon abbrechen, um sich
von der Bronze sein Grabmal giessen zu lassen, nebst Kanonen für die
Engelsburg; eine Reliquie ist dieser mächtige Nagel, anderthalb Ellen
lang, den der Herzog damals kaufte1). Er bereiste ganz Italien und
besonders Venedig.


1) Novoa in den Documentos ineditos 77, 140. -- Ha regalato sua santita di
diverse gentilezze di Spagna, e dell' Indie ancora . . Il duca d' Alcala e partito
questa mattina per Napoli. Deve anco gionger a Venezia per curiosita di veder
cotesta citta, prima del suo incaminarsi in Spagna. Depeschen des venez. Gesandten
vom 6. Sept. 1625 und 14. Februar 1626.

Dialog über die Malerei.
buch der Dichtkunst, das wir besitzen, mit derselben Widmung vom
Jahre 1606. Jene Reihe dort von dreissig Folianten enthält die Schrift-
stücke und Privilegien, die er selbst, in Familienangelegenheiten am
Hofe verweilend, in den Archiven der Benedictiner- und Cistercienser-
klöster Castiliens gesammelt hat. Ein grosser Theil der Bibliothek aber
stammt von dem gelehrten Hebraisten und Gräcisten, dem Doctor Lucian
Negron, dem die Prüfung der Bücher für das h. Uffiz oblag, und der
die Bücherei des Meister Ambrosio Morales, des Historiographen der
Krone Kastiliens und Philipp II, überkommen hatte. — Hier liegt ein
ganz neues Büchlein, gedruckt zu Neapel in diesem Jahr: La Favola
di Mirra
, in Ottave rime; es stammt von seinem Sohne Don Fernando,
der fast noch ein Knabe ist. Aber noch mehr interessirt uns Künstler
diess italienische Tagebuch unsers Luis de Vargas, des Lichts der
Malerei, toscanisch geschrieben. Darin hat er alles gezeichnet was er dort
sah, Städte, Tempel, Trachten und Hosterien, und wenn er müde war, die
Karavanen und Maulesel.

Tr. Was ist das für ein seltsames Bild an der Wand dort, über
dem Bufete mit den Münzen, Medaillen und Ringen?

E. Es stellt eine griechische Hochzeit vor, und ist die genaue
Copie des schönsten und grössten Gemäldes, das aus dem griechischen
Alterthum auf uns gekommen ist. Selbiges wurde unter Pabst Paul V
im Jahre 1606 beim Ausgraben eines verschütteten Hauses in der Nähe
des Palastes von Monte Cavallo an einer Wand entdeckt, und die
Freskofarben waren damals wie neu, obwol sie 1600 Jahre alt waren.
Der Neffe Clemens VIII, Cardinal Pedro Aldobrandini, hat es in einem
Speisesaal seines dortigen Gartens aufgestellt und durch hölzerne Thüren
geschützt. Diess weiss ich aus einem Briefe des Herzogs vom Jahre
1625 an mich, in dem er das Bild genau beschreibt; die Copie hat er
damals in Rom anfertigen lassen. Die kleinen Tafeln zur Seite stammen
ebenfalls aus Rom und sind Mosaikgemälde; der Papagei zwischen
Kirschen und Blumen ist antik, der h. Franciscus modern. Damals
liess der Pabst die metallene Decke des Pantheon abbrechen, um sich
von der Bronze sein Grabmal giessen zu lassen, nebst Kanonen für die
Engelsburg; eine Reliquie ist dieser mächtige Nagel, anderthalb Ellen
lang, den der Herzog damals kaufte1). Er bereiste ganz Italien und
besonders Venedig.


1) Novoa in den Documentos inéditos 77, 140. — Ha regalato sua santità di
diverse gentilezze di Spagna, e dell’ Indie ancora . . Il duca d’ Alcalá è partito
questa mattina per Napoli. Deve anco gionger a Venezia per curiosità di veder
cotesta città, prima del suo incaminarsi in Spagna. Depeschen des venez. Gesandten
vom 6. Sept. 1625 und 14. Februar 1626.
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[89/0109] Dialog über die Malerei. buch der Dichtkunst, das wir besitzen, mit derselben Widmung vom Jahre 1606. Jene Reihe dort von dreissig Folianten enthält die Schrift- stücke und Privilegien, die er selbst, in Familienangelegenheiten am Hofe verweilend, in den Archiven der Benedictiner- und Cistercienser- klöster Castiliens gesammelt hat. Ein grosser Theil der Bibliothek aber stammt von dem gelehrten Hebraisten und Gräcisten, dem Doctor Lucian Negron, dem die Prüfung der Bücher für das h. Uffiz oblag, und der die Bücherei des Meister Ambrosio Morales, des Historiographen der Krone Kastiliens und Philipp II, überkommen hatte. — Hier liegt ein ganz neues Büchlein, gedruckt zu Neapel in diesem Jahr: La Favola di Mirra, in Ottave rime; es stammt von seinem Sohne Don Fernando, der fast noch ein Knabe ist. Aber noch mehr interessirt uns Künstler diess italienische Tagebuch unsers Luis de Vargas, des Lichts der Malerei, toscanisch geschrieben. Darin hat er alles gezeichnet was er dort sah, Städte, Tempel, Trachten und Hosterien, und wenn er müde war, die Karavanen und Maulesel. Tr. Was ist das für ein seltsames Bild an der Wand dort, über dem Bufete mit den Münzen, Medaillen und Ringen? E. Es stellt eine griechische Hochzeit vor, und ist die genaue Copie des schönsten und grössten Gemäldes, das aus dem griechischen Alterthum auf uns gekommen ist. Selbiges wurde unter Pabst Paul V im Jahre 1606 beim Ausgraben eines verschütteten Hauses in der Nähe des Palastes von Monte Cavallo an einer Wand entdeckt, und die Freskofarben waren damals wie neu, obwol sie 1600 Jahre alt waren. Der Neffe Clemens VIII, Cardinal Pedro Aldobrandini, hat es in einem Speisesaal seines dortigen Gartens aufgestellt und durch hölzerne Thüren geschützt. Diess weiss ich aus einem Briefe des Herzogs vom Jahre 1625 an mich, in dem er das Bild genau beschreibt; die Copie hat er damals in Rom anfertigen lassen. Die kleinen Tafeln zur Seite stammen ebenfalls aus Rom und sind Mosaikgemälde; der Papagei zwischen Kirschen und Blumen ist antik, der h. Franciscus modern. Damals liess der Pabst die metallene Decke des Pantheon abbrechen, um sich von der Bronze sein Grabmal giessen zu lassen, nebst Kanonen für die Engelsburg; eine Reliquie ist dieser mächtige Nagel, anderthalb Ellen lang, den der Herzog damals kaufte 1). Er bereiste ganz Italien und besonders Venedig. 1) Novoa in den Documentos inéditos 77, 140. — Ha regalato sua santità di diverse gentilezze di Spagna, e dell’ Indie ancora . . Il duca d’ Alcalá è partito questa mattina per Napoli. Deve anco gionger a Venezia per curiosità di veder cotesta città, prima del suo incaminarsi in Spagna. Depeschen des venez. Gesandten vom 6. Sept. 1625 und 14. Februar 1626.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/109>, abgerufen am 25.11.2024.