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Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

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mit dem Alterthum des Erdcörpers.
kannt, daß das ganze Gesetz Mosis eine lange Zeit
unter den Juden ganz vergessen war, und daß es nur
alsdann gleichsam aus dem Staube und halb vermo-
dert wieder hervorgesucht wurde, als die Priester die
Königinn Athalia vom Throne stoßen wollten. Wie
leicht also haben nicht bey dem Abschreiben einer unle-
serlich gewordenen Schrift viele Fehler vorgehen kön-
nen. Ueberdies können dergleichen Geschlechtsregister
ausgedehnet und in eine Form gezogen werden, wie
man will, wenn nicht bey einem jeden Gliede in dem-
selben ausdrückliche Nachricht vorhanden ist, was vor
ein Alter dasselbe erreichet hatte, als es das nachfol-
gende Glied in dem Geschlechtsregister erzeugte, und
das ist bey den allerwenigsten Geschlechtsregistern in
der Bibel zu finden. Es kommt demnach auf den
Zeitrechner an, ob er ein jedes Glied in solchen Ge-
schlechtsregistern ausdehnen oder verkürzen will, und
das thut er gemeiniglich seinen Absichten gemäß.

Zwar wenn man der jüdischen Zeitrechnung noch
so viele Fehler beweisen, und dieselbe auf eine vier-
fach längere Zeit ausdehnen könnte; so würde sie doch
mit dem Alterthum des Erdcörpers auf keinerley Art
in einiges Verhältniß kommen. Das ist aber auch
gar nicht meine Absicht. Jch habe durch diese Aus-
führungen nur darthun wollen, daß die jüdische Zeit-
rechnung von augenscheinlichen F[e]hlern nicht befreyet,
daß sie kein Glaubensarticul und keine Wirkung der
unmittelbaren göttlichen Eingebung ist, und daß wir
uns dannenhero nicht abhalten lassen dürfen, unserm
Erdcörper dasjenige Alterthum beyzumessen, was aus

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mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
kannt, daß das ganze Geſetz Moſis eine lange Zeit
unter den Juden ganz vergeſſen war, und daß es nur
alsdann gleichſam aus dem Staube und halb vermo-
dert wieder hervorgeſucht wurde, als die Prieſter die
Koͤniginn Athalia vom Throne ſtoßen wollten. Wie
leicht alſo haben nicht bey dem Abſchreiben einer unle-
ſerlich gewordenen Schrift viele Fehler vorgehen koͤn-
nen. Ueberdies koͤnnen dergleichen Geſchlechtsregiſter
ausgedehnet und in eine Form gezogen werden, wie
man will, wenn nicht bey einem jeden Gliede in dem-
ſelben ausdruͤckliche Nachricht vorhanden iſt, was vor
ein Alter daſſelbe erreichet hatte, als es das nachfol-
gende Glied in dem Geſchlechtsregiſter erzeugte, und
das iſt bey den allerwenigſten Geſchlechtsregiſtern in
der Bibel zu finden. Es kommt demnach auf den
Zeitrechner an, ob er ein jedes Glied in ſolchen Ge-
ſchlechtsregiſtern ausdehnen oder verkuͤrzen will, und
das thut er gemeiniglich ſeinen Abſichten gemaͤß.

Zwar wenn man der juͤdiſchen Zeitrechnung noch
ſo viele Fehler beweiſen, und dieſelbe auf eine vier-
fach laͤngere Zeit ausdehnen koͤnnte; ſo wuͤrde ſie doch
mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers auf keinerley Art
in einiges Verhaͤltniß kommen. Das iſt aber auch
gar nicht meine Abſicht. Jch habe durch dieſe Aus-
fuͤhrungen nur darthun wollen, daß die juͤdiſche Zeit-
rechnung von augenſcheinlichen F[e]hlern nicht befreyet,
daß ſie kein Glaubensarticul und keine Wirkung der
unmittelbaren goͤttlichen Eingebung iſt, und daß wir
uns dannenhero nicht abhalten laſſen duͤrfen, unſerm
Erdcoͤrper dasjenige Alterthum beyzumeſſen, was aus

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[321/0349] mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers. kannt, daß das ganze Geſetz Moſis eine lange Zeit unter den Juden ganz vergeſſen war, und daß es nur alsdann gleichſam aus dem Staube und halb vermo- dert wieder hervorgeſucht wurde, als die Prieſter die Koͤniginn Athalia vom Throne ſtoßen wollten. Wie leicht alſo haben nicht bey dem Abſchreiben einer unle- ſerlich gewordenen Schrift viele Fehler vorgehen koͤn- nen. Ueberdies koͤnnen dergleichen Geſchlechtsregiſter ausgedehnet und in eine Form gezogen werden, wie man will, wenn nicht bey einem jeden Gliede in dem- ſelben ausdruͤckliche Nachricht vorhanden iſt, was vor ein Alter daſſelbe erreichet hatte, als es das nachfol- gende Glied in dem Geſchlechtsregiſter erzeugte, und das iſt bey den allerwenigſten Geſchlechtsregiſtern in der Bibel zu finden. Es kommt demnach auf den Zeitrechner an, ob er ein jedes Glied in ſolchen Ge- ſchlechtsregiſtern ausdehnen oder verkuͤrzen will, und das thut er gemeiniglich ſeinen Abſichten gemaͤß. Zwar wenn man der juͤdiſchen Zeitrechnung noch ſo viele Fehler beweiſen, und dieſelbe auf eine vier- fach laͤngere Zeit ausdehnen koͤnnte; ſo wuͤrde ſie doch mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers auf keinerley Art in einiges Verhaͤltniß kommen. Das iſt aber auch gar nicht meine Abſicht. Jch habe durch dieſe Aus- fuͤhrungen nur darthun wollen, daß die juͤdiſche Zeit- rechnung von augenſcheinlichen Fehlern nicht befreyet, daß ſie kein Glaubensarticul und keine Wirkung der unmittelbaren goͤttlichen Eingebung iſt, und daß wir uns dannenhero nicht abhalten laſſen duͤrfen, unſerm Erdcoͤrper dasjenige Alterthum beyzumeſſen, was aus ſo X

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Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/349>, abgerufen am 09.05.2024.