Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

X. Abschn. Vereinigung der Schöpfung
trifft die vorhergehende an Gottlosigkeit, und wird wie-
der von ihren Kindern übertroffen, bis sie endlich auf
den höchsten Grad steiget. Man kann aber von der
Langmuth Gottes allerdings erwarten, daß sie mit ih-
rer Strafgerechtigkeit nicht eher verfahren haben wer-
de, als bis die Bosheit und Abgötterey der Juden zu
einer hohen Stufe gelanget war. Solchemnach muß
man viel eher nach den Grundsätzen der gesunden Ver-
nunft und Wahrscheinlichkeit annehmen, daß nach dem
Tode eines Richters wenigstens funfzig Jahre, wo nicht
ein längerer Zeitraum, verflossen ist, ehe die Kinder
Jsrael wieder in die Dienstbarkeit eines benachbarten
heydnischen Königes zur Bestrafung ihrer Bosheit und
Abgötterey gefallen sind. Und wenn man den Zeit-
raum, den die jüdische Zeitrechnung von der Regie-
rung der Richter in Jsrael nimmt, dreyfach verdop-
pelt; so wird man dadurch kaum der wahren und rich-
tigen Zeitrechnung von dem Ausgange der Kinder
Jsrael bis zu Anfange der Regierung Sauls ein Ge-
nüge leisten.

Dergleichen Fehler in der jüdischen Zeitrechnung
könnte man noch mehrere anführen, wenn es nöthig
wäre, sich bey der Sache aufzuhalten. Jch weis zwar
wohl, daß man die in der Bibel enthaltenen verschiedenen
Geschlechtsregister, insonderheit die von Christo, zur Un-
terstützung der jüdischen Zeitrechnung zu gebrauchen
pflegt. Allein, wie leicht ist es nicht, daß bey solchen
Geschlechtsregistern, die durch die Hände so vieler Ab-
schreiber gegangen sind, große Auslassungen geschehen
können. Die Nachricht in der Bibel ist genugsam be-

kannt,

X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
trifft die vorhergehende an Gottloſigkeit, und wird wie-
der von ihren Kindern uͤbertroffen, bis ſie endlich auf
den hoͤchſten Grad ſteiget. Man kann aber von der
Langmuth Gottes allerdings erwarten, daß ſie mit ih-
rer Strafgerechtigkeit nicht eher verfahren haben wer-
de, als bis die Bosheit und Abgoͤtterey der Juden zu
einer hohen Stufe gelanget war. Solchemnach muß
man viel eher nach den Grundſaͤtzen der geſunden Ver-
nunft und Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß nach dem
Tode eines Richters wenigſtens funfzig Jahre, wo nicht
ein laͤngerer Zeitraum, verfloſſen iſt, ehe die Kinder
Jſrael wieder in die Dienſtbarkeit eines benachbarten
heydniſchen Koͤniges zur Beſtrafung ihrer Bosheit und
Abgoͤtterey gefallen ſind. Und wenn man den Zeit-
raum, den die juͤdiſche Zeitrechnung von der Regie-
rung der Richter in Jſrael nimmt, dreyfach verdop-
pelt; ſo wird man dadurch kaum der wahren und rich-
tigen Zeitrechnung von dem Ausgange der Kinder
Jſrael bis zu Anfange der Regierung Sauls ein Ge-
nuͤge leiſten.

Dergleichen Fehler in der juͤdiſchen Zeitrechnung
koͤnnte man noch mehrere anfuͤhren, wenn es noͤthig
waͤre, ſich bey der Sache aufzuhalten. Jch weis zwar
wohl, daß man die in der Bibel enthaltenen verſchiedenen
Geſchlechtsregiſter, inſonderheit die von Chriſto, zur Un-
terſtuͤtzung der juͤdiſchen Zeitrechnung zu gebrauchen
pflegt. Allein, wie leicht iſt es nicht, daß bey ſolchen
Geſchlechtsregiſtern, die durch die Haͤnde ſo vieler Ab-
ſchreiber gegangen ſind, große Auslaſſungen geſchehen
koͤnnen. Die Nachricht in der Bibel iſt genugſam be-

kannt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0348" n="320"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">X.</hi> Ab&#x017F;chn. Vereinigung der Scho&#x0364;pfung</hi></fw><lb/>
trifft die vorhergehende an Gottlo&#x017F;igkeit, und wird wie-<lb/>
der von ihren Kindern u&#x0364;bertroffen, bis &#x017F;ie endlich auf<lb/>
den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad &#x017F;teiget. Man kann aber von der<lb/>
Langmuth Gottes allerdings erwarten, daß &#x017F;ie mit ih-<lb/>
rer Strafgerechtigkeit nicht eher verfahren haben wer-<lb/>
de, als bis die Bosheit und Abgo&#x0364;tterey der Juden zu<lb/>
einer hohen Stufe gelanget war. Solchemnach muß<lb/>
man viel eher nach den Grund&#x017F;a&#x0364;tzen der ge&#x017F;unden Ver-<lb/>
nunft und Wahr&#x017F;cheinlichkeit annehmen, daß nach dem<lb/>
Tode eines Richters wenig&#x017F;tens funfzig Jahre, wo nicht<lb/>
ein la&#x0364;ngerer Zeitraum, verflo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, ehe die Kinder<lb/>
J&#x017F;rael wieder in die Dien&#x017F;tbarkeit eines benachbarten<lb/>
heydni&#x017F;chen Ko&#x0364;niges zur Be&#x017F;trafung ihrer Bosheit und<lb/>
Abgo&#x0364;tterey gefallen &#x017F;ind. Und wenn man den Zeit-<lb/>
raum, den die ju&#x0364;di&#x017F;che Zeitrechnung von der Regie-<lb/>
rung der Richter in J&#x017F;rael nimmt, dreyfach verdop-<lb/>
pelt; &#x017F;o wird man dadurch kaum der wahren und rich-<lb/>
tigen Zeitrechnung von dem Ausgange der Kinder<lb/>
J&#x017F;rael bis zu Anfange der Regierung Sauls ein Ge-<lb/>
nu&#x0364;ge lei&#x017F;ten.</p><lb/>
          <p>Dergleichen Fehler in der ju&#x0364;di&#x017F;chen Zeitrechnung<lb/>
ko&#x0364;nnte man noch mehrere anfu&#x0364;hren, wenn es no&#x0364;thig<lb/>
wa&#x0364;re, &#x017F;ich bey der Sache aufzuhalten. Jch weis zwar<lb/>
wohl, daß man die in der Bibel enthaltenen ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Ge&#x017F;chlechtsregi&#x017F;ter, in&#x017F;onderheit die von Chri&#x017F;to, zur Un-<lb/>
ter&#x017F;tu&#x0364;tzung der ju&#x0364;di&#x017F;chen Zeitrechnung zu gebrauchen<lb/>
pflegt. Allein, wie leicht i&#x017F;t es nicht, daß bey &#x017F;olchen<lb/>
Ge&#x017F;chlechtsregi&#x017F;tern, die durch die Ha&#x0364;nde &#x017F;o vieler Ab-<lb/>
&#x017F;chreiber gegangen &#x017F;ind, große Ausla&#x017F;&#x017F;ungen ge&#x017F;chehen<lb/>
ko&#x0364;nnen. Die Nachricht in der Bibel i&#x017F;t genug&#x017F;am be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kannt,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0348] X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung trifft die vorhergehende an Gottloſigkeit, und wird wie- der von ihren Kindern uͤbertroffen, bis ſie endlich auf den hoͤchſten Grad ſteiget. Man kann aber von der Langmuth Gottes allerdings erwarten, daß ſie mit ih- rer Strafgerechtigkeit nicht eher verfahren haben wer- de, als bis die Bosheit und Abgoͤtterey der Juden zu einer hohen Stufe gelanget war. Solchemnach muß man viel eher nach den Grundſaͤtzen der geſunden Ver- nunft und Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß nach dem Tode eines Richters wenigſtens funfzig Jahre, wo nicht ein laͤngerer Zeitraum, verfloſſen iſt, ehe die Kinder Jſrael wieder in die Dienſtbarkeit eines benachbarten heydniſchen Koͤniges zur Beſtrafung ihrer Bosheit und Abgoͤtterey gefallen ſind. Und wenn man den Zeit- raum, den die juͤdiſche Zeitrechnung von der Regie- rung der Richter in Jſrael nimmt, dreyfach verdop- pelt; ſo wird man dadurch kaum der wahren und rich- tigen Zeitrechnung von dem Ausgange der Kinder Jſrael bis zu Anfange der Regierung Sauls ein Ge- nuͤge leiſten. Dergleichen Fehler in der juͤdiſchen Zeitrechnung koͤnnte man noch mehrere anfuͤhren, wenn es noͤthig waͤre, ſich bey der Sache aufzuhalten. Jch weis zwar wohl, daß man die in der Bibel enthaltenen verſchiedenen Geſchlechtsregiſter, inſonderheit die von Chriſto, zur Un- terſtuͤtzung der juͤdiſchen Zeitrechnung zu gebrauchen pflegt. Allein, wie leicht iſt es nicht, daß bey ſolchen Geſchlechtsregiſtern, die durch die Haͤnde ſo vieler Ab- ſchreiber gegangen ſind, große Auslaſſungen geſchehen koͤnnen. Die Nachricht in der Bibel iſt genugſam be- kannt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/348
Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/348>, abgerufen am 09.05.2024.