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Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

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X. Abschn. Vereinigung der Schöpfung
seyn könnten. Jch gestehe gern, daß Herodot in
diesen Nachrichten wenig Glauben verdienet. Er sa-
get auch keinesweges, daß er diese Völker selbst gese-
hen habe; sondern er bringet diese Nachrichten nur
vom Hörensagen bey.

Jndessen verdienet insonderheit dasjenige von ihm
beschriebene Volk, das nur ein einziges großes Auge
vor der Stirne gehabt hat, etwas mehr Glauben.
Sowohl Homer in seiner Odissee, als andere alte
Schriftsteller, erwähnen dieser Art von Menschen mit
einem Auge, davon sich einige so gar in denen Jn-
suln des mittelländischen Meeres aufgehalten zu ha-
ben scheinen.

Warum sollte auch die Natur nur eine einzige
Art von Menschen hervorgebracht haben. Wir se-
hen, daß sie in allen andern ihren Werken eine sehr
große Mannichfaltigkeit liebet, und in einer jeden Art
und Hauptgeschlecht von Thieren eine große Verände-
rung und Abwechselung vieler besonderer Nebenarten
oder Specierum erzeuget hat, die zwar alle die we-
sentlichen Kennzeichen ihres Hauptgeschlechts an sich
haben, aber doch in verschiedenen andern Eigenschaf-
ten und Beschaffenheiten von einander unterschieden
sind. Dieser allgemeinen Einrichtung und Haushal-
tung der Natur wird nur ein sehr schwacher Grund
entgegengesetzet, wenn man saget, daß sie deshalb
nur zwey Menschen, als die Stammältern aller Be-
wohner des Erdcörpers, hervorgebracht habe. Da-
mit sich die verschiedenen Hauptgeschlechter der Men-
schen nicht über einander erheben und einander ver-

achten

X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
ſeyn koͤnnten. Jch geſtehe gern, daß Herodot in
dieſen Nachrichten wenig Glauben verdienet. Er ſa-
get auch keinesweges, daß er dieſe Voͤlker ſelbſt geſe-
hen habe; ſondern er bringet dieſe Nachrichten nur
vom Hoͤrenſagen bey.

Jndeſſen verdienet inſonderheit dasjenige von ihm
beſchriebene Volk, das nur ein einziges großes Auge
vor der Stirne gehabt hat, etwas mehr Glauben.
Sowohl Homer in ſeiner Odiſſée, als andere alte
Schriftſteller, erwaͤhnen dieſer Art von Menſchen mit
einem Auge, davon ſich einige ſo gar in denen Jn-
ſuln des mittellaͤndiſchen Meeres aufgehalten zu ha-
ben ſcheinen.

Warum ſollte auch die Natur nur eine einzige
Art von Menſchen hervorgebracht haben. Wir ſe-
hen, daß ſie in allen andern ihren Werken eine ſehr
große Mannichfaltigkeit liebet, und in einer jeden Art
und Hauptgeſchlecht von Thieren eine große Veraͤnde-
rung und Abwechſelung vieler beſonderer Nebenarten
oder Specierum erzeuget hat, die zwar alle die we-
ſentlichen Kennzeichen ihres Hauptgeſchlechts an ſich
haben, aber doch in verſchiedenen andern Eigenſchaf-
ten und Beſchaffenheiten von einander unterſchieden
ſind. Dieſer allgemeinen Einrichtung und Haushal-
tung der Natur wird nur ein ſehr ſchwacher Grund
entgegengeſetzet, wenn man ſaget, daß ſie deshalb
nur zwey Menſchen, als die Stammaͤltern aller Be-
wohner des Erdcoͤrpers, hervorgebracht habe. Da-
mit ſich die verſchiedenen Hauptgeſchlechter der Men-
ſchen nicht uͤber einander erheben und einander ver-

achten
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[314/0342] X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung ſeyn koͤnnten. Jch geſtehe gern, daß Herodot in dieſen Nachrichten wenig Glauben verdienet. Er ſa- get auch keinesweges, daß er dieſe Voͤlker ſelbſt geſe- hen habe; ſondern er bringet dieſe Nachrichten nur vom Hoͤrenſagen bey. Jndeſſen verdienet inſonderheit dasjenige von ihm beſchriebene Volk, das nur ein einziges großes Auge vor der Stirne gehabt hat, etwas mehr Glauben. Sowohl Homer in ſeiner Odiſſée, als andere alte Schriftſteller, erwaͤhnen dieſer Art von Menſchen mit einem Auge, davon ſich einige ſo gar in denen Jn- ſuln des mittellaͤndiſchen Meeres aufgehalten zu ha- ben ſcheinen. Warum ſollte auch die Natur nur eine einzige Art von Menſchen hervorgebracht haben. Wir ſe- hen, daß ſie in allen andern ihren Werken eine ſehr große Mannichfaltigkeit liebet, und in einer jeden Art und Hauptgeſchlecht von Thieren eine große Veraͤnde- rung und Abwechſelung vieler beſonderer Nebenarten oder Specierum erzeuget hat, die zwar alle die we- ſentlichen Kennzeichen ihres Hauptgeſchlechts an ſich haben, aber doch in verſchiedenen andern Eigenſchaf- ten und Beſchaffenheiten von einander unterſchieden ſind. Dieſer allgemeinen Einrichtung und Haushal- tung der Natur wird nur ein ſehr ſchwacher Grund entgegengeſetzet, wenn man ſaget, daß ſie deshalb nur zwey Menſchen, als die Stammaͤltern aller Be- wohner des Erdcoͤrpers, hervorgebracht habe. Da- mit ſich die verſchiedenen Hauptgeſchlechter der Men- ſchen nicht uͤber einander erheben und einander ver- achten

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Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/342>, abgerufen am 09.05.2024.