Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

der Pole und Himmelsgegenden.
Sechse, als den höchsten Wurf zum Gewinnst, auf-
recht haben.

Es ist demnach aus dem allen mit vollkommener
Ueberzeugung dargethan, daß sich die Pole um unsern
Erdcörper in vorigen Zeiten haben verändern, und da-
durch veruhrsachen können, daß die Länder auf dem
Erdboden ihre vorige Lage und Himmelsgegend ver-
lohren haben, und in einen ganz andern Erdgrad und
Zustand der Wärme oder Kälte versetzet worden sind.
Ob sich aber dieses während unserer jetzigen Be-
wohnung und Bevölkerung des Erdbodens zuge-
tragen habe, wie aus der angeführten Nachricht des
Herodots hervorscheinen will, das ist eine ganz an-
dere Frage, die wir noch im kurzen etwas erörtern
müssen.

Die meisten Gelehrten haben zwar kein großes Zu-
trauen zu der Glaubwürdigkeit des Herodots, als ei-
nes Geschichtschreibers, und man kann nicht läugnen,
daß derselbe in der That viele offenbare Mährchen,
Fabeln und durchaus unwahrscheinliche Dinge erzäh-
let. Allein, wenn man genau auf dergleichen Erzäh-
lungen Acht hat; so findet man allemahl, daß er Fa-
beln und unwahrscheinliche Erzählungen nur vom Hö-
rensagen beybringet, niemahls aber versichert, daß
er dergleichen selbst gesehen und erfahren habe. So
bald derselbe seine Erzählungen aus eigener Erfahrung
und Einsicht vorträgt; so hat derselbe alle Kennzeichen
eines glaubwürdigen und aufrichtigen Geschichtschrei-
bers an sich, dem es gar nicht an Einsicht mangelt.
Bey demjenigen aber, was er von der egyptischen Ge-

schichte
M 5

der Pole und Himmelsgegenden.
Sechſe, als den hoͤchſten Wurf zum Gewinnſt, auf-
recht haben.

Es iſt demnach aus dem allen mit vollkommener
Ueberzeugung dargethan, daß ſich die Pole um unſern
Erdcoͤrper in vorigen Zeiten haben veraͤndern, und da-
durch veruhrſachen koͤnnen, daß die Laͤnder auf dem
Erdboden ihre vorige Lage und Himmelsgegend ver-
lohren haben, und in einen ganz andern Erdgrad und
Zuſtand der Waͤrme oder Kaͤlte verſetzet worden ſind.
Ob ſich aber dieſes waͤhrend unſerer jetzigen Be-
wohnung und Bevoͤlkerung des Erdbodens zuge-
tragen habe, wie aus der angefuͤhrten Nachricht des
Herodots hervorſcheinen will, das iſt eine ganz an-
dere Frage, die wir noch im kurzen etwas eroͤrtern
muͤſſen.

Die meiſten Gelehrten haben zwar kein großes Zu-
trauen zu der Glaubwuͤrdigkeit des Herodots, als ei-
nes Geſchichtſchreibers, und man kann nicht laͤugnen,
daß derſelbe in der That viele offenbare Maͤhrchen,
Fabeln und durchaus unwahrſcheinliche Dinge erzaͤh-
let. Allein, wenn man genau auf dergleichen Erzaͤh-
lungen Acht hat; ſo findet man allemahl, daß er Fa-
beln und unwahrſcheinliche Erzaͤhlungen nur vom Hoͤ-
renſagen beybringet, niemahls aber verſichert, daß
er dergleichen ſelbſt geſehen und erfahren habe. So
bald derſelbe ſeine Erzaͤhlungen aus eigener Erfahrung
und Einſicht vortraͤgt; ſo hat derſelbe alle Kennzeichen
eines glaubwuͤrdigen und aufrichtigen Geſchichtſchrei-
bers an ſich, dem es gar nicht an Einſicht mangelt.
Bey demjenigen aber, was er von der egyptiſchen Ge-

ſchichte
M 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0213" n="185"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Pole und Himmelsgegenden.</hi></fw><lb/>
Sech&#x017F;e, als den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Wurf zum Gewinn&#x017F;t, auf-<lb/>
recht haben.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t demnach aus dem allen mit vollkommener<lb/>
Ueberzeugung dargethan, daß &#x017F;ich die Pole um un&#x017F;ern<lb/>
Erdco&#x0364;rper in vorigen Zeiten haben vera&#x0364;ndern, und da-<lb/>
durch veruhr&#x017F;achen ko&#x0364;nnen, daß die La&#x0364;nder auf dem<lb/>
Erdboden ihre vorige Lage und Himmelsgegend ver-<lb/>
lohren haben, und in einen ganz andern Erdgrad und<lb/>
Zu&#x017F;tand der Wa&#x0364;rme oder Ka&#x0364;lte ver&#x017F;etzet worden &#x017F;ind.<lb/>
Ob &#x017F;ich aber die&#x017F;es wa&#x0364;hrend un&#x017F;erer jetzigen Be-<lb/>
wohnung und Bevo&#x0364;lkerung des Erdbodens zuge-<lb/>
tragen habe, wie aus der angefu&#x0364;hrten Nachricht des<lb/><hi rendition="#fr">Herodots</hi> hervor&#x017F;cheinen will, das i&#x017F;t eine ganz an-<lb/>
dere Frage, die wir noch im kurzen etwas ero&#x0364;rtern<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Die mei&#x017F;ten Gelehrten haben zwar kein großes Zu-<lb/>
trauen zu der Glaubwu&#x0364;rdigkeit des <hi rendition="#fr">Herodots,</hi> als ei-<lb/>
nes Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreibers, und man kann nicht la&#x0364;ugnen,<lb/>
daß der&#x017F;elbe in der That viele offenbare Ma&#x0364;hrchen,<lb/>
Fabeln und durchaus unwahr&#x017F;cheinliche Dinge erza&#x0364;h-<lb/>
let. Allein, wenn man genau auf dergleichen Erza&#x0364;h-<lb/>
lungen Acht hat; &#x017F;o findet man allemahl, daß er Fa-<lb/>
beln und unwahr&#x017F;cheinliche Erza&#x0364;hlungen nur vom Ho&#x0364;-<lb/>
ren&#x017F;agen beybringet, niemahls aber ver&#x017F;ichert, daß<lb/>
er dergleichen &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;ehen und erfahren habe. So<lb/>
bald der&#x017F;elbe &#x017F;eine Erza&#x0364;hlungen aus eigener Erfahrung<lb/>
und Ein&#x017F;icht vortra&#x0364;gt; &#x017F;o hat der&#x017F;elbe alle Kennzeichen<lb/>
eines glaubwu&#x0364;rdigen und aufrichtigen Ge&#x017F;chicht&#x017F;chrei-<lb/>
bers an &#x017F;ich, dem es gar nicht an Ein&#x017F;icht mangelt.<lb/>
Bey demjenigen aber, was er von der egypti&#x017F;chen Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chichte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0213] der Pole und Himmelsgegenden. Sechſe, als den hoͤchſten Wurf zum Gewinnſt, auf- recht haben. Es iſt demnach aus dem allen mit vollkommener Ueberzeugung dargethan, daß ſich die Pole um unſern Erdcoͤrper in vorigen Zeiten haben veraͤndern, und da- durch veruhrſachen koͤnnen, daß die Laͤnder auf dem Erdboden ihre vorige Lage und Himmelsgegend ver- lohren haben, und in einen ganz andern Erdgrad und Zuſtand der Waͤrme oder Kaͤlte verſetzet worden ſind. Ob ſich aber dieſes waͤhrend unſerer jetzigen Be- wohnung und Bevoͤlkerung des Erdbodens zuge- tragen habe, wie aus der angefuͤhrten Nachricht des Herodots hervorſcheinen will, das iſt eine ganz an- dere Frage, die wir noch im kurzen etwas eroͤrtern muͤſſen. Die meiſten Gelehrten haben zwar kein großes Zu- trauen zu der Glaubwuͤrdigkeit des Herodots, als ei- nes Geſchichtſchreibers, und man kann nicht laͤugnen, daß derſelbe in der That viele offenbare Maͤhrchen, Fabeln und durchaus unwahrſcheinliche Dinge erzaͤh- let. Allein, wenn man genau auf dergleichen Erzaͤh- lungen Acht hat; ſo findet man allemahl, daß er Fa- beln und unwahrſcheinliche Erzaͤhlungen nur vom Hoͤ- renſagen beybringet, niemahls aber verſichert, daß er dergleichen ſelbſt geſehen und erfahren habe. So bald derſelbe ſeine Erzaͤhlungen aus eigener Erfahrung und Einſicht vortraͤgt; ſo hat derſelbe alle Kennzeichen eines glaubwuͤrdigen und aufrichtigen Geſchichtſchrei- bers an ſich, dem es gar nicht an Einſicht mangelt. Bey demjenigen aber, was er von der egyptiſchen Ge- ſchichte M 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/213
Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/213>, abgerufen am 24.11.2024.