§. 26. Der Mensch hat also einzelne (po- sitive) und gesellschaftliche (relative) Be- dürfnisse, jene geben das Muster, den Maas- stab der lezteren ab. Endlich erfodert auch noch das Gesez der Liebe, für die Bedürfnisse des Armen zu sorgen, und dieses ist eine von den wichtigsten Pflichten in Befriedigung der ge- sellschaftlichen Bedürfnisse.
§. 27. Alle bisher vorgelegte Säze sind Grundsäze, und zwar die ersten entferntesten der Kameralwissenschaften, allein sie sind doch Lehrsäze in Absicht auf die Quellen, woraus sie geschöpft sind, und diese enthält die Welt- weisheit. Die Vernunftlehre leitet die Kräfte des Verstandes zur Erkänntniß der Wahrheit. Die Grundlehre enthält die er- sten Gründe der Erkänntniß der ersten Din- ge, der Körper, der Welt, der Geister, der Seelen und Gottes. Die Sittenlehre, das Natur- und Völkerrecht endlich machen die ausübende Weltweisheit aus, so wie jene die betrachtende (theoretische) in sich be- greifen.
* Wir müssen uns einsweilen noch mit dem
Allgemeine Beduͤrfniß-Lehre
§. 26. Der Menſch hat alſo einzelne (po- ſitive) und geſellſchaftliche (relative) Be- duͤrfniſſe, jene geben das Muſter, den Maas- ſtab der lezteren ab. Endlich erfodert auch noch das Geſez der Liebe, fuͤr die Beduͤrfniſſe des Armen zu ſorgen, und dieſes iſt eine von den wichtigſten Pflichten in Befriedigung der ge- ſellſchaftlichen Beduͤrfniſſe.
§. 27. Alle bisher vorgelegte Saͤze ſind Grundſaͤze, und zwar die erſten entfernteſten der Kameralwiſſenſchaften, allein ſie ſind doch Lehrſaͤze in Abſicht auf die Quellen, woraus ſie geſchoͤpft ſind, und dieſe enthaͤlt die Welt- weisheit. Die Vernunftlehre leitet die Kraͤfte des Verſtandes zur Erkaͤnntniß der Wahrheit. Die Grundlehre enthaͤlt die er- ſten Gruͤnde der Erkaͤnntniß der erſten Din- ge, der Koͤrper, der Welt, der Geiſter, der Seelen und Gottes. Die Sittenlehre, das Natur- und Voͤlkerrecht endlich machen die ausuͤbende Weltweisheit aus, ſo wie jene die betrachtende (theoretiſche) in ſich be- greifen.
* Wir muͤſſen uns einsweilen noch mit dem
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Allgemeine Beduͤrfniß-Lehre
§. 26. Der Menſch hat alſo einzelne (po-
ſitive) und geſellſchaftliche (relative) Be-
duͤrfniſſe, jene geben das Muſter, den Maas-
ſtab der lezteren ab. Endlich erfodert auch noch
das Geſez der Liebe, fuͤr die Beduͤrfniſſe des
Armen zu ſorgen, und dieſes iſt eine von den
wichtigſten Pflichten in Befriedigung der ge-
ſellſchaftlichen Beduͤrfniſſe.
§. 27. Alle bisher vorgelegte Saͤze ſind
Grundſaͤze, und zwar die erſten entfernteſten
der Kameralwiſſenſchaften, allein ſie ſind doch
Lehrſaͤze in Abſicht auf die Quellen, woraus
ſie geſchoͤpft ſind, und dieſe enthaͤlt die Welt-
weisheit. Die Vernunftlehre leitet die
Kraͤfte des Verſtandes zur Erkaͤnntniß der
Wahrheit. Die Grundlehre enthaͤlt die er-
ſten Gruͤnde der Erkaͤnntniß der erſten Din-
ge, der Koͤrper, der Welt, der Geiſter, der
Seelen und Gottes. Die Sittenlehre, das
Natur- und Voͤlkerrecht endlich machen die
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die betrachtende (theoretiſche) in ſich be-
greifen.
* Wir muͤſſen uns einsweilen noch mit dem
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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/34>, abgerufen am 16.02.2025.
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