gen, erhöhende und üppige Bedürfnisse aus seelischen oder geistigen Gefühlen.
* Hier ist der wahre Unterschied zwischen Thier und Mensch. Das Thier befrie- digt nur die wesentlichen Bedürfnisse, von Ausbreitung, Erhöhung der Exi- stenz weiß es nichts.
§. 17. Ein jeder Mensch ist ein einzelnes Wesen, er unterscheidet sich durch gewisse Merkmale von allen andern in der Welt, und dahin gehört auch, daß er in allen dreien Gattungen der Bedürfnisse, seine von allen andern verschiedene Gesühle hat, mithin Dinge zu seiner Befriedigung verlangt, die ein anderer nicht verlangt. Diese Gefühle, abgezogen von den allgemeinen Gefühlen der Menschheit in gleichen ähnlichen Fällen, nennt man den einzelnen (individuellen) Ge- schmack.
§. 18. Jeder Mensch hat auch Hang zur Verähnlichung, zur Einheit mit andern Men- schen, wenn er daher an andern etwas entdeckt, das ihm schön und gut deucht, so fühlt er Verlangen nach demselben, er macht sich dasselbe zum Bedürfniß, daher entsteht
Nach-
A 5
Beduͤrfniß-Lehre
gen, erhoͤhende und uͤppige Beduͤrfniſſe aus ſeeliſchen oder geiſtigen Gefuͤhlen.
* Hier iſt der wahre Unterſchied zwiſchen Thier und Menſch. Das Thier befrie- digt nur die weſentlichen Beduͤrfniſſe, von Ausbreitung, Erhoͤhung der Exi- ſtenz weiß es nichts.
§. 17. Ein jeder Menſch iſt ein einzelnes Weſen, er unterſcheidet ſich durch gewiſſe Merkmale von allen andern in der Welt, und dahin gehoͤrt auch, daß er in allen dreien Gattungen der Beduͤrfniſſe, ſeine von allen andern verſchiedene Geſuͤhle hat, mithin Dinge zu ſeiner Befriedigung verlangt, die ein anderer nicht verlangt. Dieſe Gefuͤhle, abgezogen von den allgemeinen Gefuͤhlen der Menſchheit in gleichen aͤhnlichen Faͤllen, nennt man den einzelnen (individuellen) Ge- ſchmack.
§. 18. Jeder Menſch hat auch Hang zur Veraͤhnlichung, zur Einheit mit andern Men- ſchen, wenn er daher an andern etwas entdeckt, das ihm ſchoͤn und gut deucht, ſo fuͤhlt er Verlangen nach demſelben, er macht ſich dasſelbe zum Beduͤrfniß, daher entſteht
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Beduͤrfniß-Lehre
gen, erhoͤhende und uͤppige Beduͤrfniſſe aus
ſeeliſchen oder geiſtigen Gefuͤhlen.
* Hier iſt der wahre Unterſchied zwiſchen
Thier und Menſch. Das Thier befrie-
digt nur die weſentlichen Beduͤrfniſſe,
von Ausbreitung, Erhoͤhung der Exi-
ſtenz weiß es nichts.
§. 17. Ein jeder Menſch iſt ein einzelnes
Weſen, er unterſcheidet ſich durch gewiſſe
Merkmale von allen andern in der Welt, und
dahin gehoͤrt auch, daß er in allen dreien
Gattungen der Beduͤrfniſſe, ſeine von allen
andern verſchiedene Geſuͤhle hat, mithin
Dinge zu ſeiner Befriedigung verlangt, die
ein anderer nicht verlangt. Dieſe Gefuͤhle,
abgezogen von den allgemeinen Gefuͤhlen der
Menſchheit in gleichen aͤhnlichen Faͤllen, nennt
man den einzelnen (individuellen) Ge-
ſchmack.
§. 18. Jeder Menſch hat auch Hang zur
Veraͤhnlichung, zur Einheit mit andern Men-
ſchen, wenn er daher an andern etwas
entdeckt, das ihm ſchoͤn und gut deucht, ſo
fuͤhlt er Verlangen nach demſelben, er macht
ſich dasſelbe zum Beduͤrfniß, daher entſteht
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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften. Lautern, 1779, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jungstilling_versuch_1779/29>, abgerufen am 08.07.2024.
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