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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Wer ihm auch in geheimen Angelegenheiten sein Vertrauen
geschenkt hat, wird es, während Jung-Stilling lebte, nicht bereut
haben. Niemand braucht auch nach dieses Freundes Tode zu
besorgen, daß seine Geheimnisse unbewahrt blieben. Keins sei-
ner Kinder und keiner seiner Vertrauten hat etwas von dem er-
fahren, was ihm je ein Freund als ein Heiligthum in seine Seele
gelegt. Auch hat er selbst alles Geheime für sich nur in Chif-
fern geschrieben, die nur er verstand, und hat alle seine gehei-
men Papiere dem ältesten Sohne, dem damaligen Hofgerichts-
rath Jung in Rastadt, jetzigen Oberhofgerichtsrath zu Mannheim,
übergeben, dessen Treue anerkannt ist, und der alles heilig ver-
wahrt, bis es etwa von denen, welchen es eignet, abgefordert
wird. Wir wissen jedes Vertrauen, das unserm seligen Vater
geschenkt worden, noch nach seinem Tode zu ehren.

Auch manche Große der Erde gewährten ihm das Glück einer
nähern Bekanntschaft, worin er das schauen konnte, was er in
jedem Menschen so gerne sah, und was er mit doppelter Freude
in ihnen erblickte. Denn er ehrte in ihnen ihre göttliche Bestim-
mung, und auch das war ihm Religion. Sie schätzten seine
Gradheit, Offenheit und Bescheidenheit, erfreuten sich an seinem
reichen Geiste, und stärkten sich an seiner Gottseligkeit. Er suchte
nicht die Großen, sie suchten ihn, und das machte ihnen Ehre,
denn er sprach auch ihnen seine Ueberzeugung freimüthig aus,
und erlaubte nie irgend eine Schmeichelei; nur vergaß er nie
seine Ehrfurcht. Ueberhaupt hatte er in diesen Verbindungen nie-
mals sich vor Augen, und machte zu keinem äußern Zwecke da-
von Gebrauch, als etwa wo es anging, für irgend eine wichtige
Wohlthat. Daß er auch den Seinigen hierdurch nicht Vortheile
zu verschaffen suchte, war ganz seiner Würde und unsern Wün-
schen gemäß.

Wo er einmal Gnade von einem Großen empfangen hatte,
blieb es ihm stets ins Herz geschrieben. So dachte er bis an
sein Ende mit Dankgefühl an seinen vorigen Landesherrn, den
Kurfürsten Wilhelm den IX. von Hessen Kön. H. Er hatte
auch die Huld Sr. Majestät des russischen Kaisers Alexan-
der
I. auf eine Art erfahren, daß sein ganzes Herz diesem ho-
hen Menschenfreund mit Segenswünschen ergeben war. -- Doch

Wer ihm auch in geheimen Angelegenheiten ſein Vertrauen
geſchenkt hat, wird es, waͤhrend Jung-Stilling lebte, nicht bereut
haben. Niemand braucht auch nach dieſes Freundes Tode zu
beſorgen, daß ſeine Geheimniſſe unbewahrt blieben. Keins ſei-
ner Kinder und keiner ſeiner Vertrauten hat etwas von dem er-
fahren, was ihm je ein Freund als ein Heiligthum in ſeine Seele
gelegt. Auch hat er ſelbſt alles Geheime fuͤr ſich nur in Chif-
fern geſchrieben, die nur er verſtand, und hat alle ſeine gehei-
men Papiere dem aͤlteſten Sohne, dem damaligen Hofgerichts-
rath Jung in Raſtadt, jetzigen Oberhofgerichtsrath zu Mannheim,
uͤbergeben, deſſen Treue anerkannt iſt, und der alles heilig ver-
wahrt, bis es etwa von denen, welchen es eignet, abgefordert
wird. Wir wiſſen jedes Vertrauen, das unſerm ſeligen Vater
geſchenkt worden, noch nach ſeinem Tode zu ehren.

Auch manche Große der Erde gewaͤhrten ihm das Gluͤck einer
naͤhern Bekanntſchaft, worin er das ſchauen konnte, was er in
jedem Menſchen ſo gerne ſah, und was er mit doppelter Freude
in ihnen erblickte. Denn er ehrte in ihnen ihre goͤttliche Beſtim-
mung, und auch das war ihm Religion. Sie ſchaͤtzten ſeine
Gradheit, Offenheit und Beſcheidenheit, erfreuten ſich an ſeinem
reichen Geiſte, und ſtaͤrkten ſich an ſeiner Gottſeligkeit. Er ſuchte
nicht die Großen, ſie ſuchten ihn, und das machte ihnen Ehre,
denn er ſprach auch ihnen ſeine Ueberzeugung freimuͤthig aus,
und erlaubte nie irgend eine Schmeichelei; nur vergaß er nie
ſeine Ehrfurcht. Ueberhaupt hatte er in dieſen Verbindungen nie-
mals ſich vor Augen, und machte zu keinem aͤußern Zwecke da-
von Gebrauch, als etwa wo es anging, fuͤr irgend eine wichtige
Wohlthat. Daß er auch den Seinigen hierdurch nicht Vortheile
zu verſchaffen ſuchte, war ganz ſeiner Wuͤrde und unſern Wuͤn-
ſchen gemaͤß.

Wo er einmal Gnade von einem Großen empfangen hatte,
blieb es ihm ſtets ins Herz geſchrieben. So dachte er bis an
ſein Ende mit Dankgefuͤhl an ſeinen vorigen Landesherrn, den
Kurfuͤrſten Wilhelm den IX. von Heſſen Koͤn. H. Er hatte
auch die Huld Sr. Majeſtaͤt des ruſſiſchen Kaiſers Alexan-
der
I. auf eine Art erfahren, daß ſein ganzes Herz dieſem ho-
hen Menſchenfreund mit Segenswuͤnſchen ergeben war. — Doch

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[667/0675] Wer ihm auch in geheimen Angelegenheiten ſein Vertrauen geſchenkt hat, wird es, waͤhrend Jung-Stilling lebte, nicht bereut haben. Niemand braucht auch nach dieſes Freundes Tode zu beſorgen, daß ſeine Geheimniſſe unbewahrt blieben. Keins ſei- ner Kinder und keiner ſeiner Vertrauten hat etwas von dem er- fahren, was ihm je ein Freund als ein Heiligthum in ſeine Seele gelegt. Auch hat er ſelbſt alles Geheime fuͤr ſich nur in Chif- fern geſchrieben, die nur er verſtand, und hat alle ſeine gehei- men Papiere dem aͤlteſten Sohne, dem damaligen Hofgerichts- rath Jung in Raſtadt, jetzigen Oberhofgerichtsrath zu Mannheim, uͤbergeben, deſſen Treue anerkannt iſt, und der alles heilig ver- wahrt, bis es etwa von denen, welchen es eignet, abgefordert wird. Wir wiſſen jedes Vertrauen, das unſerm ſeligen Vater geſchenkt worden, noch nach ſeinem Tode zu ehren. Auch manche Große der Erde gewaͤhrten ihm das Gluͤck einer naͤhern Bekanntſchaft, worin er das ſchauen konnte, was er in jedem Menſchen ſo gerne ſah, und was er mit doppelter Freude in ihnen erblickte. Denn er ehrte in ihnen ihre goͤttliche Beſtim- mung, und auch das war ihm Religion. Sie ſchaͤtzten ſeine Gradheit, Offenheit und Beſcheidenheit, erfreuten ſich an ſeinem reichen Geiſte, und ſtaͤrkten ſich an ſeiner Gottſeligkeit. Er ſuchte nicht die Großen, ſie ſuchten ihn, und das machte ihnen Ehre, denn er ſprach auch ihnen ſeine Ueberzeugung freimuͤthig aus, und erlaubte nie irgend eine Schmeichelei; nur vergaß er nie ſeine Ehrfurcht. Ueberhaupt hatte er in dieſen Verbindungen nie- mals ſich vor Augen, und machte zu keinem aͤußern Zwecke da- von Gebrauch, als etwa wo es anging, fuͤr irgend eine wichtige Wohlthat. Daß er auch den Seinigen hierdurch nicht Vortheile zu verſchaffen ſuchte, war ganz ſeiner Wuͤrde und unſern Wuͤn- ſchen gemaͤß. Wo er einmal Gnade von einem Großen empfangen hatte, blieb es ihm ſtets ins Herz geſchrieben. So dachte er bis an ſein Ende mit Dankgefuͤhl an ſeinen vorigen Landesherrn, den Kurfuͤrſten Wilhelm den IX. von Heſſen Koͤn. H. Er hatte auch die Huld Sr. Majeſtaͤt des ruſſiſchen Kaiſers Alexan- der I. auf eine Art erfahren, daß ſein ganzes Herz dieſem ho- hen Menſchenfreund mit Segenswuͤnſchen ergeben war. — Doch

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/675>, abgerufen am 22.11.2024.