Im Frühling 1813 besuchten sie ihre Kinder in Heidelberg, und gewährten diesen, so wie nicht wenigen Einwohnern dieser von ihnen so heimathlich geliebten Stadt, festliche Stunden und Tage.
Diesen Besuch wiederholten sie im Frühling 1816. Allein ihre damals schon völlig sinkende Gesundheit, wo die ungünstige Witterung alle Stärkung versagte, ließen uns keine solche Fami- lienfeier mehr hoffen. Nur wenige Stunden des Tags fand sich der ehrwürdige Greis stark genug zur Unterhaltung; dann war er aber noch mit seiner herrlichen Kraft für alle Anwesende, besonders auch für die Kinder, der angenehm belehrende Gesell- schafter; man fühlte sich bei ihm in ein höheres Daseyn gehoben. Als sie uns verließen, die lieben, frommen Eltern, da sahen wir ihnen mit Wehmuth nach, dankten aber Gott, daß uns noch diese gesegneten Wochen vergönnt gewesen. Auch erhob sich wie- der einige Hoffnung, als sie noch im Sommer ihre Kinder in Rastadt besuchen konnten, und noch einige Wochen nach Baden gingen. Indessen kamen gegen den Winter hin die Krankheits- übel mit doppelter Macht wieder, so daß wir schon um Christ- tag das Hinscheiden des treuen Elternpaars befürchteten Sie erholten sich nur Etwas, und nur auf kurze Zeit. Das Weitere sagt die vorstehende Beschreibung.
Seine Reisen in den letzteren Jahren, die übrigens hier nicht alle angegeben sind, waren immer zugleich für Augenkranke wohl- thätig. Noch im letzten Sommer gelangen seiner schwachen Hand, die aber, wie immer, von seiner Glaubensstärke festgehalten wurde, mehrere Staaroperationen. Seit mehreren Jahren schrieb er sie nicht mehr auf, nachdem er über 2000 solcher, die gelungen waren, zählen konnte, nur Wenige waren nicht gelungen; auch ver- dankte ihm eine nicht kleine Anzahl von Blindgebornen das Gesicht.
Selbst nach seinem Tode blieb noch dem Angesicht seine Würde, und nicht ohne Anmuth. Herr Schmidt der jüngere in Karls- ruhe hat ihn so auf dem Leichenbette mit der Umgebung des häus- lichen Heiligthums schön gezeichnet, und wir finden den seligen Vater in diesem kleinen Bilde besser getroffen, wie in irgend einem von den mehreren Kupferstichen: daher war es uns erfreulich, daß es die Verlagshandlung als Beilage für gegenwärtige Schrift von einem geschätzten Künstler stechen ließ.
Im Fruͤhling 1813 beſuchten ſie ihre Kinder in Heidelberg, und gewaͤhrten dieſen, ſo wie nicht wenigen Einwohnern dieſer von ihnen ſo heimathlich geliebten Stadt, feſtliche Stunden und Tage.
Dieſen Beſuch wiederholten ſie im Fruͤhling 1816. Allein ihre damals ſchon voͤllig ſinkende Geſundheit, wo die unguͤnſtige Witterung alle Staͤrkung verſagte, ließen uns keine ſolche Fami- lienfeier mehr hoffen. Nur wenige Stunden des Tags fand ſich der ehrwuͤrdige Greis ſtark genug zur Unterhaltung; dann war er aber noch mit ſeiner herrlichen Kraft fuͤr alle Anweſende, beſonders auch fuͤr die Kinder, der angenehm belehrende Geſell- ſchafter; man fuͤhlte ſich bei ihm in ein hoͤheres Daſeyn gehoben. Als ſie uns verließen, die lieben, frommen Eltern, da ſahen wir ihnen mit Wehmuth nach, dankten aber Gott, daß uns noch dieſe geſegneten Wochen vergoͤnnt geweſen. Auch erhob ſich wie- der einige Hoffnung, als ſie noch im Sommer ihre Kinder in Raſtadt beſuchen konnten, und noch einige Wochen nach Baden gingen. Indeſſen kamen gegen den Winter hin die Krankheits- uͤbel mit doppelter Macht wieder, ſo daß wir ſchon um Chriſt- tag das Hinſcheiden des treuen Elternpaars befuͤrchteten Sie erholten ſich nur Etwas, und nur auf kurze Zeit. Das Weitere ſagt die vorſtehende Beſchreibung.
Seine Reiſen in den letzteren Jahren, die uͤbrigens hier nicht alle angegeben ſind, waren immer zugleich fuͤr Augenkranke wohl- thaͤtig. Noch im letzten Sommer gelangen ſeiner ſchwachen Hand, die aber, wie immer, von ſeiner Glaubensſtaͤrke feſtgehalten wurde, mehrere Staaroperationen. Seit mehreren Jahren ſchrieb er ſie nicht mehr auf, nachdem er uͤber 2000 ſolcher, die gelungen waren, zaͤhlen konnte, nur Wenige waren nicht gelungen; auch ver- dankte ihm eine nicht kleine Anzahl von Blindgebornen das Geſicht.
Selbſt nach ſeinem Tode blieb noch dem Angeſicht ſeine Wuͤrde, und nicht ohne Anmuth. Herr Schmidt der juͤngere in Karls- ruhe hat ihn ſo auf dem Leichenbette mit der Umgebung des haͤus- lichen Heiligthums ſchoͤn gezeichnet, und wir finden den ſeligen Vater in dieſem kleinen Bilde beſſer getroffen, wie in irgend einem von den mehreren Kupferſtichen: daher war es uns erfreulich, daß es die Verlagshandlung als Beilage fuͤr gegenwaͤrtige Schrift von einem geſchaͤtzten Kuͤnſtler ſtechen ließ.
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Im Fruͤhling 1813 beſuchten ſie ihre Kinder in Heidelberg,
und gewaͤhrten dieſen, ſo wie nicht wenigen Einwohnern dieſer von
ihnen ſo heimathlich geliebten Stadt, feſtliche Stunden und Tage.
Dieſen Beſuch wiederholten ſie im Fruͤhling 1816. Allein
ihre damals ſchon voͤllig ſinkende Geſundheit, wo die unguͤnſtige
Witterung alle Staͤrkung verſagte, ließen uns keine ſolche Fami-
lienfeier mehr hoffen. Nur wenige Stunden des Tags fand
ſich der ehrwuͤrdige Greis ſtark genug zur Unterhaltung; dann
war er aber noch mit ſeiner herrlichen Kraft fuͤr alle Anweſende,
beſonders auch fuͤr die Kinder, der angenehm belehrende Geſell-
ſchafter; man fuͤhlte ſich bei ihm in ein hoͤheres Daſeyn gehoben.
Als ſie uns verließen, die lieben, frommen Eltern, da ſahen wir
ihnen mit Wehmuth nach, dankten aber Gott, daß uns noch
dieſe geſegneten Wochen vergoͤnnt geweſen. Auch erhob ſich wie-
der einige Hoffnung, als ſie noch im Sommer ihre Kinder in
Raſtadt beſuchen konnten, und noch einige Wochen nach Baden
gingen. Indeſſen kamen gegen den Winter hin die Krankheits-
uͤbel mit doppelter Macht wieder, ſo daß wir ſchon um Chriſt-
tag das Hinſcheiden des treuen Elternpaars befuͤrchteten Sie
erholten ſich nur Etwas, und nur auf kurze Zeit. Das Weitere
ſagt die vorſtehende Beſchreibung.
Seine Reiſen in den letzteren Jahren, die uͤbrigens hier nicht
alle angegeben ſind, waren immer zugleich fuͤr Augenkranke wohl-
thaͤtig. Noch im letzten Sommer gelangen ſeiner ſchwachen Hand,
die aber, wie immer, von ſeiner Glaubensſtaͤrke feſtgehalten wurde,
mehrere Staaroperationen. Seit mehreren Jahren ſchrieb er ſie
nicht mehr auf, nachdem er uͤber 2000 ſolcher, die gelungen
waren, zaͤhlen konnte, nur Wenige waren nicht gelungen; auch ver-
dankte ihm eine nicht kleine Anzahl von Blindgebornen das Geſicht.
Selbſt nach ſeinem Tode blieb noch dem Angeſicht ſeine Wuͤrde,
und nicht ohne Anmuth. Herr Schmidt der juͤngere in Karls-
ruhe hat ihn ſo auf dem Leichenbette mit der Umgebung des haͤus-
lichen Heiligthums ſchoͤn gezeichnet, und wir finden den ſeligen
Vater in dieſem kleinen Bilde beſſer getroffen, wie in irgend einem
von den mehreren Kupferſtichen: daher war es uns erfreulich,
daß es die Verlagshandlung als Beilage fuͤr gegenwaͤrtige Schrift
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/659>, abgerufen am 22.11.2024.
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