"den Todeskampf ausgekämpft, denn ich fühle "mich so allein, gleichwie in einer Eindde; -- "und doch innerlich so wohl." Als sie indessen meinte, er habe nicht ferner mit dem Tode zu ringen -- und sie ihn darüber befragte, erwiederte er: "Nein, es ist noch man- "ches Pröbchen zu bestehen." Und daß der Christ weder mit Leichtsinn, noch mit Vermessenheit dem nahen Tode ins Auge blickt, erkennt man aus seinen Aeußerungen, welche er deßhalb seiner zweiten Tochter gab, als sie an einem dieser Tage mit ihm sich vom Tode unterhielt, und er sagte: "Es ist "eine wichtige Sache um das Sterben, und keine "Kleinigkeit." Und ein anderes Mal: "Es ist eine "wunderbare Sache um die Zukunft!" Woraus zu ersehen ist, wie auch dem Manne, der auf alle Seiten hin für die Ehre des Höchsten mit allen seinen Kräften in der Welt ge- wirkt hatte, und dem die Zukunft mit den schönsten Farben sich darstellen konnte, wie auch ihm der Uebergang in jenes Leben und die baldige Rechenschaft höchst ernst und wichtig vorkam. Da er sein ganzes Leben hindurch im Schlafe laut gesprochen, war dieß auch jetzt noch der Fall, und da er einige Male da- zwischen aufwachte, fragte er seine zweite Tochter: "Nicht "wahr, seitdem meine Frau todt ist, bin ich nicht zu Hause, ich rede ungereimte Sachen im Schlafe?" -- Als sie ihm entgegnete: nein, im Gegentheil, was er rede sey nur erbaulich, so sagte er: "Ja, das ist eine rechte Gnade "Gottes!" Die Besorgniß, im schlummernden Zustande etwas Ungeziemendes zu sagen, äußerte er mehrmals, denn er wollte nur zur Ehre des Herrn reden und ausharren. So hörte ich ihn im Schlafe nur gottesfürchtige Aeußerungen thun, als: "Gott hat mich mit unaussprechlicher Huld ge- "leitet! -- Der Herr segne Sie!" und -- "Ja, "man muß erst genau nachsehen, wie es gemeint "ist, ehe man in Irrthum übergeht!" und dergleichen.
Mit zunehmender Schwäche ließ auch das öftere Sprechen im Schlafe nach, und wachend redete er weniger durch Worte als durch freundliche Blicke. Wenn er sah, wie sich Alle beeifer- ten, ihn zu bedienen, sagte er mehrmals: "Ihr lieben En-
„den Todeskampf ausgekaͤmpft, denn ich fuͤhle „mich ſo allein, gleichwie in einer Eindde; — „und doch innerlich ſo wohl.“ Als ſie indeſſen meinte, er habe nicht ferner mit dem Tode zu ringen — und ſie ihn daruͤber befragte, erwiederte er: „Nein, es iſt noch man- „ches Proͤbchen zu beſtehen.“ Und daß der Chriſt weder mit Leichtſinn, noch mit Vermeſſenheit dem nahen Tode ins Auge blickt, erkennt man aus ſeinen Aeußerungen, welche er deßhalb ſeiner zweiten Tochter gab, als ſie an einem dieſer Tage mit ihm ſich vom Tode unterhielt, und er ſagte: „Es iſt „eine wichtige Sache um das Sterben, und keine „Kleinigkeit.“ Und ein anderes Mal: „Es iſt eine „wunderbare Sache um die Zukunft!“ Woraus zu erſehen iſt, wie auch dem Manne, der auf alle Seiten hin fuͤr die Ehre des Hoͤchſten mit allen ſeinen Kraͤften in der Welt ge- wirkt hatte, und dem die Zukunft mit den ſchoͤnſten Farben ſich darſtellen konnte, wie auch ihm der Uebergang in jenes Leben und die baldige Rechenſchaft hoͤchſt ernſt und wichtig vorkam. Da er ſein ganzes Leben hindurch im Schlafe laut geſprochen, war dieß auch jetzt noch der Fall, und da er einige Male da- zwiſchen aufwachte, fragte er ſeine zweite Tochter: „Nicht „wahr, ſeitdem meine Frau todt iſt, bin ich nicht zu Hauſe, ich rede ungereimte Sachen im Schlafe?“ — Als ſie ihm entgegnete: nein, im Gegentheil, was er rede ſey nur erbaulich, ſo ſagte er: „Ja, das iſt eine rechte Gnade „Gottes!“ Die Beſorgniß, im ſchlummernden Zuſtande etwas Ungeziemendes zu ſagen, aͤußerte er mehrmals, denn er wollte nur zur Ehre des Herrn reden und ausharren. So hoͤrte ich ihn im Schlafe nur gottesfuͤrchtige Aeußerungen thun, als: „Gott hat mich mit unausſprechlicher Huld ge- „leitet! — Der Herr ſegne Sie!“ und — „Ja, „man muß erſt genau nachſehen, wie es gemeint „iſt, ehe man in Irrthum uͤbergeht!“ und dergleichen.
Mit zunehmender Schwaͤche ließ auch das oͤftere Sprechen im Schlafe nach, und wachend redete er weniger durch Worte als durch freundliche Blicke. Wenn er ſah, wie ſich Alle beeifer- ten, ihn zu bedienen, ſagte er mehrmals: „Ihr lieben En-
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daruͤber befragte, erwiederte er: „Nein, es iſt noch man-
„ches Proͤbchen zu beſtehen.“ Und daß der Chriſt weder
mit Leichtſinn, noch mit Vermeſſenheit dem nahen Tode ins
Auge blickt, erkennt man aus ſeinen Aeußerungen, welche er
deßhalb ſeiner zweiten Tochter gab, als ſie an einem dieſer Tage
mit ihm ſich vom Tode unterhielt, und er ſagte: „Es iſt
„eine wichtige Sache um das Sterben, und keine
„Kleinigkeit.“ Und ein anderes Mal: „Es iſt eine
„wunderbare Sache um die Zukunft!“ Woraus zu
erſehen iſt, wie auch dem Manne, der auf alle Seiten hin fuͤr
die Ehre des Hoͤchſten mit allen ſeinen Kraͤften in der Welt ge-
wirkt hatte, und dem die Zukunft mit den ſchoͤnſten Farben ſich
darſtellen konnte, wie auch ihm der Uebergang in jenes Leben
und die baldige Rechenſchaft hoͤchſt ernſt und wichtig vorkam.
Da er ſein ganzes Leben hindurch im Schlafe laut geſprochen,
war dieß auch jetzt noch der Fall, und da er einige Male da-
zwiſchen aufwachte, fragte er ſeine zweite Tochter: „Nicht
„wahr, ſeitdem meine Frau todt iſt, bin ich nicht zu
Hauſe, ich rede ungereimte Sachen im Schlafe?“ —
Als ſie ihm entgegnete: nein, im Gegentheil, was er rede ſey
nur erbaulich, ſo ſagte er: „Ja, das iſt eine rechte Gnade
„Gottes!“ Die Beſorgniß, im ſchlummernden Zuſtande etwas
Ungeziemendes zu ſagen, aͤußerte er mehrmals, denn er wollte
nur zur Ehre des Herrn reden und ausharren. So hoͤrte ich
ihn im Schlafe nur gottesfuͤrchtige Aeußerungen thun, als:
„Gott hat mich mit unausſprechlicher Huld ge-
„leitet! — Der Herr ſegne Sie!“ und — „Ja,
„man muß erſt genau nachſehen, wie es gemeint
„iſt, ehe man in Irrthum uͤbergeht!“ und dergleichen.
Mit zunehmender Schwaͤche ließ auch das oͤftere Sprechen
im Schlafe nach, und wachend redete er weniger durch Worte
als durch freundliche Blicke. Wenn er ſah, wie ſich Alle beeifer-
ten, ihn zu bedienen, ſagte er mehrmals: „Ihr lieben En-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/646>, abgerufen am 23.11.2024.
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