Wie er von Jugend auf durch seinen Wandel und seinen zahl- reichen Schriften bei der erstaunenswerthen Belesenheit und Kenntniß, welche er in allen Fächern und Gegenständen mit so vieler Anstrengung sich erworben hatte, jederzeit bewiesen, was der Apostel Paulus sagt, daß nämlich die Erkenntniß Jesu Christi alles andere Wissen übertreffe, so bestätigte er dieß, als wir un- ter einander von der Wirksamkeit seiner Schriften redeten, und er uns sagte: "Ja, alle Kenntnisse, Fähigkeit zum "Schreiben, Ansehen und dergleichen, hat man "blos durch Umstände nach dem Willen Gottes er- "halten, und nach ihnen wird kein Mensch gefragt "und gerichtet, wenn er vor den Thron Gottes "kommt. Aber die Anwendung und das bischen "Demuth und Glauben, was man hat, das ist es, "was einem die Gnade Gottes zum Verdienst an- "rechnen will." Auch äußerte er gelegentlich seinem jüng- sten Sohne: Es thue ihm leid, daß er in seinem Leben nicht mehr Zeit auf Zeichnen und Handarbeiten angewendet habe. Aber auch in dergleichen Dingen besaß er besondere Geschicklichkeit.
Der Aeußerungen, die seine Thätigkeitsliebe und den Glau- ben an Jesum Christum bezweckten, könnten wir viele anfüh- ren, wenn wir nicht zu weitläufig würden. Auch ist es Allen bekannt, daß der ehrwürdige Vater Stilling im Leben und in Schriften nur den Erlöser prieß und verherrlichte, und als ein ausgezeichnetes Werkzeug der göttlichen Gnade in der Zeit der ungläubigen Aufklärung neben manchen andern tüchtigen Män- nern zur großen Stütze der Kirche auserkohren war. Immer war seine Gesellschaft zur Aufheiterung, Belehrung und Erbau- ung, und solche blieb sie bis zu seiner Abschiedsstunde.
Als indessen die Frühlingszeit nahete, nahmen auch die Krank- heitsumstände des ehrwürdigen Ehepaares zu. Aber beide, willig in dem Vertrauen zum Herrn, suchten mit großer Selbstverläug- nung den Ihrigen ihre Leiden und Abnahme zu verbergen. Jedoch bemerkten wir die Annäherung der traurigen Zeit, die bald er- folgte. Nachdem seiner treuen Hausfrau Lungengeschwüre trotz aller angewendeten Mittel zum völligen Ausbruch gekommen waren, und Beengung und Schwächung zum höchsten Grade
Wie er von Jugend auf durch ſeinen Wandel und ſeinen zahl- reichen Schriften bei der erſtaunenswerthen Beleſenheit und Kenntniß, welche er in allen Faͤchern und Gegenſtaͤnden mit ſo vieler Anſtrengung ſich erworben hatte, jederzeit bewieſen, was der Apoſtel Paulus ſagt, daß naͤmlich die Erkenntniß Jeſu Chriſti alles andere Wiſſen uͤbertreffe, ſo beſtaͤtigte er dieß, als wir un- ter einander von der Wirkſamkeit ſeiner Schriften redeten, und er uns ſagte: „Ja, alle Kenntniſſe, Faͤhigkeit zum „Schreiben, Anſehen und dergleichen, hat man „blos durch Umſtaͤnde nach dem Willen Gottes er- „halten, und nach ihnen wird kein Menſch gefragt „und gerichtet, wenn er vor den Thron Gottes „kommt. Aber die Anwendung und das bischen „Demuth und Glauben, was man hat, das iſt es, „was einem die Gnade Gottes zum Verdienſt an- „rechnen will.“ Auch aͤußerte er gelegentlich ſeinem juͤng- ſten Sohne: Es thue ihm leid, daß er in ſeinem Leben nicht mehr Zeit auf Zeichnen und Handarbeiten angewendet habe. Aber auch in dergleichen Dingen beſaß er beſondere Geſchicklichkeit.
Der Aeußerungen, die ſeine Thaͤtigkeitsliebe und den Glau- ben an Jeſum Chriſtum bezweckten, koͤnnten wir viele anfuͤh- ren, wenn wir nicht zu weitlaͤufig wuͤrden. Auch iſt es Allen bekannt, daß der ehrwuͤrdige Vater Stilling im Leben und in Schriften nur den Erloͤſer prieß und verherrlichte, und als ein ausgezeichnetes Werkzeug der goͤttlichen Gnade in der Zeit der unglaͤubigen Aufklaͤrung neben manchen andern tuͤchtigen Maͤn- nern zur großen Stuͤtze der Kirche auserkohren war. Immer war ſeine Geſellſchaft zur Aufheiterung, Belehrung und Erbau- ung, und ſolche blieb ſie bis zu ſeiner Abſchiedsſtunde.
Als indeſſen die Fruͤhlingszeit nahete, nahmen auch die Krank- heitsumſtaͤnde des ehrwuͤrdigen Ehepaares zu. Aber beide, willig in dem Vertrauen zum Herrn, ſuchten mit großer Selbſtverlaͤug- nung den Ihrigen ihre Leiden und Abnahme zu verbergen. Jedoch bemerkten wir die Annaͤherung der traurigen Zeit, die bald er- folgte. Nachdem ſeiner treuen Hausfrau Lungengeſchwuͤre trotz aller angewendeten Mittel zum voͤlligen Ausbruch gekommen waren, und Beengung und Schwaͤchung zum hoͤchſten Grade
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0641"n="633"/><p>Wie er von Jugend auf durch ſeinen Wandel und ſeinen zahl-<lb/>
reichen Schriften bei der erſtaunenswerthen Beleſenheit und<lb/>
Kenntniß, welche er in allen Faͤchern und Gegenſtaͤnden mit ſo<lb/>
vieler Anſtrengung ſich erworben hatte, jederzeit bewieſen, was der<lb/>
Apoſtel Paulus ſagt, daß naͤmlich die Erkenntniß Jeſu Chriſti<lb/>
alles andere Wiſſen uͤbertreffe, ſo beſtaͤtigte er dieß, als wir un-<lb/>
ter einander von der Wirkſamkeit ſeiner Schriften redeten, und<lb/>
er uns ſagte: „<hirendition="#g">Ja, alle Kenntniſſe, Faͤhigkeit zum<lb/>„Schreiben, Anſehen und dergleichen, hat man<lb/>„blos durch Umſtaͤnde nach dem Willen Gottes er-<lb/>„halten, und nach ihnen wird kein Menſch gefragt<lb/>„und gerichtet, wenn er vor den Thron Gottes<lb/>„kommt. Aber die Anwendung und das bischen<lb/>„Demuth und Glauben, was man hat, das iſt es,<lb/>„was einem die Gnade Gottes zum Verdienſt an-<lb/>„rechnen will</hi>.“ Auch aͤußerte er gelegentlich ſeinem juͤng-<lb/>ſten Sohne: Es thue ihm leid, daß er in ſeinem Leben nicht<lb/>
mehr Zeit auf Zeichnen und Handarbeiten angewendet habe. Aber<lb/>
auch in dergleichen Dingen beſaß er beſondere Geſchicklichkeit.</p><lb/><p>Der Aeußerungen, die ſeine Thaͤtigkeitsliebe und den Glau-<lb/>
ben an Jeſum Chriſtum bezweckten, koͤnnten wir viele anfuͤh-<lb/>
ren, wenn wir nicht zu weitlaͤufig wuͤrden. Auch iſt es Allen<lb/>
bekannt, daß der ehrwuͤrdige Vater Stilling im Leben und in<lb/>
Schriften nur den Erloͤſer prieß und verherrlichte, und als ein<lb/>
ausgezeichnetes Werkzeug der goͤttlichen Gnade in der Zeit der<lb/>
unglaͤubigen Aufklaͤrung neben manchen andern tuͤchtigen Maͤn-<lb/>
nern zur großen Stuͤtze der Kirche auserkohren war. Immer<lb/>
war ſeine Geſellſchaft zur Aufheiterung, Belehrung und Erbau-<lb/>
ung, und ſolche blieb ſie bis zu ſeiner Abſchiedsſtunde.</p><lb/><p>Als indeſſen die Fruͤhlingszeit nahete, nahmen auch die Krank-<lb/>
heitsumſtaͤnde des ehrwuͤrdigen Ehepaares zu. Aber beide, willig<lb/>
in dem Vertrauen zum Herrn, ſuchten mit großer Selbſtverlaͤug-<lb/>
nung den Ihrigen ihre Leiden und Abnahme zu verbergen. Jedoch<lb/>
bemerkten wir die Annaͤherung der traurigen Zeit, die bald er-<lb/>
folgte. Nachdem ſeiner treuen Hausfrau Lungengeſchwuͤre trotz<lb/>
aller angewendeten Mittel zum voͤlligen Ausbruch gekommen<lb/>
waren, und Beengung und Schwaͤchung zum hoͤchſten Grade<lb/></p></div></body></text></TEI>
[633/0641]
Wie er von Jugend auf durch ſeinen Wandel und ſeinen zahl-
reichen Schriften bei der erſtaunenswerthen Beleſenheit und
Kenntniß, welche er in allen Faͤchern und Gegenſtaͤnden mit ſo
vieler Anſtrengung ſich erworben hatte, jederzeit bewieſen, was der
Apoſtel Paulus ſagt, daß naͤmlich die Erkenntniß Jeſu Chriſti
alles andere Wiſſen uͤbertreffe, ſo beſtaͤtigte er dieß, als wir un-
ter einander von der Wirkſamkeit ſeiner Schriften redeten, und
er uns ſagte: „Ja, alle Kenntniſſe, Faͤhigkeit zum
„Schreiben, Anſehen und dergleichen, hat man
„blos durch Umſtaͤnde nach dem Willen Gottes er-
„halten, und nach ihnen wird kein Menſch gefragt
„und gerichtet, wenn er vor den Thron Gottes
„kommt. Aber die Anwendung und das bischen
„Demuth und Glauben, was man hat, das iſt es,
„was einem die Gnade Gottes zum Verdienſt an-
„rechnen will.“ Auch aͤußerte er gelegentlich ſeinem juͤng-
ſten Sohne: Es thue ihm leid, daß er in ſeinem Leben nicht
mehr Zeit auf Zeichnen und Handarbeiten angewendet habe. Aber
auch in dergleichen Dingen beſaß er beſondere Geſchicklichkeit.
Der Aeußerungen, die ſeine Thaͤtigkeitsliebe und den Glau-
ben an Jeſum Chriſtum bezweckten, koͤnnten wir viele anfuͤh-
ren, wenn wir nicht zu weitlaͤufig wuͤrden. Auch iſt es Allen
bekannt, daß der ehrwuͤrdige Vater Stilling im Leben und in
Schriften nur den Erloͤſer prieß und verherrlichte, und als ein
ausgezeichnetes Werkzeug der goͤttlichen Gnade in der Zeit der
unglaͤubigen Aufklaͤrung neben manchen andern tuͤchtigen Maͤn-
nern zur großen Stuͤtze der Kirche auserkohren war. Immer
war ſeine Geſellſchaft zur Aufheiterung, Belehrung und Erbau-
ung, und ſolche blieb ſie bis zu ſeiner Abſchiedsſtunde.
Als indeſſen die Fruͤhlingszeit nahete, nahmen auch die Krank-
heitsumſtaͤnde des ehrwuͤrdigen Ehepaares zu. Aber beide, willig
in dem Vertrauen zum Herrn, ſuchten mit großer Selbſtverlaͤug-
nung den Ihrigen ihre Leiden und Abnahme zu verbergen. Jedoch
bemerkten wir die Annaͤherung der traurigen Zeit, die bald er-
folgte. Nachdem ſeiner treuen Hausfrau Lungengeſchwuͤre trotz
aller angewendeten Mittel zum voͤlligen Ausbruch gekommen
waren, und Beengung und Schwaͤchung zum hoͤchſten Grade
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/641>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.