dem Schlosse gewohnt hat. Laß uns aber hier auf den Wall gegen die Mauern über sitzen. Ich dürfte um die Welt nicht zwischen den Mauern seyn, wenn du das erzählest, denn ich graue immer, wenn ich's höre. Wilhelm erzählte:
Auf diesem Schlosse haben vor Alters Räuber gewohnt, die gingen des Nachts in's Land umher, stahlen den Leuten das Vieh und trieben es dort in den Hof; da war ein großer Stall; und hernach verkauften sie's weit weg an fremde Leute. Der letzte Räuber, der hier gewohnt hat, hieß Johann Hübner. Er hatte eiserne Kleider an, und war stärker, als alle andere Bursche im ganzen Lande. Er hatte nur Ein Auge, und ei- nen großen krausen Bart und Haare. Am Tage saß er mit seinen Knechten, die alle sehr stark waren, dort an der Ecke, wo du noch das zerbrochene Fensterloch siehst; da hatten sie eine Stube, da saßen sie und soffen Bier. Johann Hübner sah mit dem Einen Auge sehr weit durchs ganze Land umher. Wenn er dann einen Reiter sahe, da rief er: Hehloh! -- da reitet ein Reiter! ein schönes Roß, Hehloh! Und dann gaben sie Acht auf den Reiter, nahmen ihm sein Roß und schlugen ihn todt. Da war aber ein Fürst von Dillen- burg, der schwarze Christian genannt, ein sehr starker Mann, der hörte immer von Johann Hübners Räubereien, denn die Bauern kamen und klagten über ihn. Dieser schwarze Christian hatte einen klugen Knecht, der hieß Hans Flick; den schickte er über Land, dem Johann Hübner aufzupas- sen. Der Fürst aber lag hinten im Giller, den du da siehest, und hielt sich da mit seinen Reitern verborgen; dahin brachten ihm auch die Bauern Brod und Butter und Käse. Hans Flick kannte den Johann Hübner nicht, er streifte im Lande herum, und forschte ihn aus. Endlich kam er an eine Schmiede, wo Pferde beschlagen wurden. Da standen viele Wagenräder an der Wand, die auch beschlagen werden sollten. Auf dieselbe hatte sich ein Mann mit dem Rücken gelehnt, der hatte nur Ein Auge und ein eisernes Wamms an. Hans Flick ging zu ihm und sagte: Gott grüß dich, eiserner Wamms- Mann mit Einem Auge! heißest du nicht Johann Hübner von Geisenberg? Der Mann antwortete: Johann Hübner
dem Schloſſe gewohnt hat. Laß uns aber hier auf den Wall gegen die Mauern uͤber ſitzen. Ich duͤrfte um die Welt nicht zwiſchen den Mauern ſeyn, wenn du das erzaͤhleſt, denn ich graue immer, wenn ich’s hoͤre. Wilhelm erzaͤhlte:
Auf dieſem Schloſſe haben vor Alters Raͤuber gewohnt, die gingen des Nachts in’s Land umher, ſtahlen den Leuten das Vieh und trieben es dort in den Hof; da war ein großer Stall; und hernach verkauften ſie’s weit weg an fremde Leute. Der letzte Raͤuber, der hier gewohnt hat, hieß Johann Huͤbner. Er hatte eiſerne Kleider an, und war ſtaͤrker, als alle andere Burſche im ganzen Lande. Er hatte nur Ein Auge, und ei- nen großen krauſen Bart und Haare. Am Tage ſaß er mit ſeinen Knechten, die alle ſehr ſtark waren, dort an der Ecke, wo du noch das zerbrochene Fenſterloch ſiehſt; da hatten ſie eine Stube, da ſaßen ſie und ſoffen Bier. Johann Huͤbner ſah mit dem Einen Auge ſehr weit durchs ganze Land umher. Wenn er dann einen Reiter ſahe, da rief er: Hehloh! — da reitet ein Reiter! ein ſchoͤnes Roß, Hehloh! Und dann gaben ſie Acht auf den Reiter, nahmen ihm ſein Roß und ſchlugen ihn todt. Da war aber ein Fuͤrſt von Dillen- burg, der ſchwarze Chriſtian genannt, ein ſehr ſtarker Mann, der hoͤrte immer von Johann Huͤbners Raͤubereien, denn die Bauern kamen und klagten uͤber ihn. Dieſer ſchwarze Chriſtian hatte einen klugen Knecht, der hieß Hans Flick; den ſchickte er uͤber Land, dem Johann Huͤbner aufzupaſ- ſen. Der Fuͤrſt aber lag hinten im Giller, den du da ſieheſt, und hielt ſich da mit ſeinen Reitern verborgen; dahin brachten ihm auch die Bauern Brod und Butter und Kaͤſe. Hans Flick kannte den Johann Huͤbner nicht, er ſtreifte im Lande herum, und forſchte ihn aus. Endlich kam er an eine Schmiede, wo Pferde beſchlagen wurden. Da ſtanden viele Wagenraͤder an der Wand, die auch beſchlagen werden ſollten. Auf dieſelbe hatte ſich ein Mann mit dem Ruͤcken gelehnt, der hatte nur Ein Auge und ein eiſernes Wamms an. Hans Flick ging zu ihm und ſagte: Gott gruͤß dich, eiſerner Wamms- Mann mit Einem Auge! heißeſt du nicht Johann Huͤbner von Geiſenberg? Der Mann antwortete: Johann Huͤbner
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dem Schloſſe gewohnt hat. Laß uns aber hier auf den Wall
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graue immer, wenn ich’s hoͤre. Wilhelm erzaͤhlte:
Auf dieſem Schloſſe haben vor Alters Raͤuber gewohnt, die
gingen des Nachts in’s Land umher, ſtahlen den Leuten das
Vieh und trieben es dort in den Hof; da war ein großer Stall;
und hernach verkauften ſie’s weit weg an fremde Leute. Der
letzte Raͤuber, der hier gewohnt hat, hieß Johann Huͤbner.
Er hatte eiſerne Kleider an, und war ſtaͤrker, als alle andere
Burſche im ganzen Lande. Er hatte nur Ein Auge, und ei-
nen großen krauſen Bart und Haare. Am Tage ſaß er mit
ſeinen Knechten, die alle ſehr ſtark waren, dort an der Ecke,
wo du noch das zerbrochene Fenſterloch ſiehſt; da hatten ſie eine
Stube, da ſaßen ſie und ſoffen Bier. Johann Huͤbner
ſah mit dem Einen Auge ſehr weit durchs ganze Land umher.
Wenn er dann einen Reiter ſahe, da rief er: Hehloh! — da
reitet ein Reiter! ein ſchoͤnes Roß, Hehloh! Und
dann gaben ſie Acht auf den Reiter, nahmen ihm ſein Roß
und ſchlugen ihn todt. Da war aber ein Fuͤrſt von Dillen-
burg, der ſchwarze Chriſtian genannt, ein ſehr ſtarker
Mann, der hoͤrte immer von Johann Huͤbners Raͤubereien,
denn die Bauern kamen und klagten uͤber ihn. Dieſer ſchwarze
Chriſtian hatte einen klugen Knecht, der hieß Hans Flick;
den ſchickte er uͤber Land, dem Johann Huͤbner aufzupaſ-
ſen. Der Fuͤrſt aber lag hinten im Giller, den du da ſieheſt,
und hielt ſich da mit ſeinen Reitern verborgen; dahin brachten
ihm auch die Bauern Brod und Butter und Kaͤſe. Hans
Flick kannte den Johann Huͤbner nicht, er ſtreifte im
Lande herum, und forſchte ihn aus. Endlich kam er an eine
Schmiede, wo Pferde beſchlagen wurden. Da ſtanden viele
Wagenraͤder an der Wand, die auch beſchlagen werden ſollten.
Auf dieſelbe hatte ſich ein Mann mit dem Ruͤcken gelehnt,
der hatte nur Ein Auge und ein eiſernes Wamms an. Hans
Flick ging zu ihm und ſagte: Gott gruͤß dich, eiſerner Wamms-
Mann mit Einem Auge! heißeſt du nicht Johann Huͤbner
von Geiſenberg? Der Mann antwortete: Johann Huͤbner
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/63>, abgerufen am 24.11.2024.
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