Wie Stillingen in dem Augenblick -- in welchem ihm die große Entwicklung seines Lebensplans so herrlich aus der Ferne entgegenstrahlte -- zu Muthe war, das ist unbeschreiblich. Eilen Sie mit der Ausführung dieser Sache? fuhr der Kurfürst fort. Stilling antwortete: Nein! gnädigster Herr; auch bitte ich unterthänigst, ja zu warten, bis die Vorsehung irgendwo eine Thür öffnet, damit Niemand darunter leidet, oder auf irgend eine Art zurückgesetzt wird. Der Fürst erwiederte: Also ein halb Jahr oder ein Jahr könnten Sie noch wohl warten? Stilling antwortete: ich warte, so lang es Gott gefällt, bis Ew. Durch- laucht den Weg gefunden haben, den die Vorsehung vorzeichnet.
Das übrige, dieses in Stillings Geschichte merkwürdigen Tages, übergehe ich: nur das bemerke ich noch, daß er auch der Frau Markgräfin aufwartete, die sich noch immer über den Tod Ihres Gemahls nicht trösten konnte.
Wer den Kurfürsten von Baden kennt, der weiß, daß dieser Herr nie sein fürstlich Wort wieder zurücknimmt, und allemal mehr hält und thut, als er versprochen hat. Jedes christliche Herz, das Gefühl hat, kann Stilling nachempfinden, wie ihm jetzt zu Muthe war. Gelobt sey der Herr! seine Wege sind heilig, wohl dem, der sich Ihm ohne Vorbehalt ergibt! -- Wer sich auf Ihn verläßt, wird nicht zu Schanden!
Sonntags Morgens operirte Stilling noch einen alten ar- men Bauersmann, den der Kurfürst selbst hatte kommen lassen; dann setzte er mit seiner Elise die Reise nach der Schweiz fort. Je näher sie diesem ihrem Ziel kamen, desto furchtbarer wurde das Gerücht, daß die ganze Schweiz unter den Waffen und im Aufstand sey; angenehm war das nun freilich nicht, allein Stilling wußte, daß er in seinem wohlthätigen Beruf reiste, und faßte also mit Elise ein festes Vertrauen auf die göttliche Bewahrung, und dieß Vertrauen war auch nicht vergeblich.
In Freiburg im Breisgau erfuhren sie die harte Prü- fung, welche die Stadt Zürich den 13. September hatte aus- halten müssen, aber auch, daß sie den Schutz Gottes mächtig erfahren hatte. Dienstags den 21. September kamen sie des
Wie Stillingen in dem Augenblick — in welchem ihm die große Entwicklung ſeines Lebensplans ſo herrlich aus der Ferne entgegenſtrahlte — zu Muthe war, das iſt unbeſchreiblich. Eilen Sie mit der Ausfuͤhrung dieſer Sache? fuhr der Kurfuͤrſt fort. Stilling antwortete: Nein! gnaͤdigſter Herr; auch bitte ich unterthaͤnigſt, ja zu warten, bis die Vorſehung irgendwo eine Thuͤr oͤffnet, damit Niemand darunter leidet, oder auf irgend eine Art zuruͤckgeſetzt wird. Der Fuͤrſt erwiederte: Alſo ein halb Jahr oder ein Jahr koͤnnten Sie noch wohl warten? Stilling antwortete: ich warte, ſo lang es Gott gefaͤllt, bis Ew. Durch- laucht den Weg gefunden haben, den die Vorſehung vorzeichnet.
Das uͤbrige, dieſes in Stillings Geſchichte merkwuͤrdigen Tages, uͤbergehe ich: nur das bemerke ich noch, daß er auch der Frau Markgraͤfin aufwartete, die ſich noch immer uͤber den Tod Ihres Gemahls nicht troͤſten konnte.
Wer den Kurfuͤrſten von Baden kennt, der weiß, daß dieſer Herr nie ſein fuͤrſtlich Wort wieder zuruͤcknimmt, und allemal mehr haͤlt und thut, als er verſprochen hat. Jedes chriſtliche Herz, das Gefuͤhl hat, kann Stilling nachempfinden, wie ihm jetzt zu Muthe war. Gelobt ſey der Herr! ſeine Wege ſind heilig, wohl dem, der ſich Ihm ohne Vorbehalt ergibt! — Wer ſich auf Ihn verlaͤßt, wird nicht zu Schanden!
Sonntags Morgens operirte Stilling noch einen alten ar- men Bauersmann, den der Kurfuͤrſt ſelbſt hatte kommen laſſen; dann ſetzte er mit ſeiner Eliſe die Reiſe nach der Schweiz fort. Je naͤher ſie dieſem ihrem Ziel kamen, deſto furchtbarer wurde das Geruͤcht, daß die ganze Schweiz unter den Waffen und im Aufſtand ſey; angenehm war das nun freilich nicht, allein Stilling wußte, daß er in ſeinem wohlthaͤtigen Beruf reiste, und faßte alſo mit Eliſe ein feſtes Vertrauen auf die goͤttliche Bewahrung, und dieß Vertrauen war auch nicht vergeblich.
In Freiburg im Breisgau erfuhren ſie die harte Pruͤ- fung, welche die Stadt Zuͤrich den 13. September hatte aus- halten muͤſſen, aber auch, daß ſie den Schutz Gottes maͤchtig erfahren hatte. Dienſtags den 21. September kamen ſie des
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Stilling antwortete: Nein! gnaͤdigſter Herr; auch bitte ich
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Jahr oder ein Jahr koͤnnten Sie noch wohl warten? Stilling
antwortete: ich warte, ſo lang es Gott gefaͤllt, bis Ew. Durch-
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Das uͤbrige, dieſes in Stillings Geſchichte merkwuͤrdigen
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der Frau Markgraͤfin aufwartete, die ſich noch immer uͤber den
Tod Ihres Gemahls nicht troͤſten konnte.
Wer den Kurfuͤrſten von Baden kennt, der weiß, daß dieſer
Herr nie ſein fuͤrſtlich Wort wieder zuruͤcknimmt, und allemal
mehr haͤlt und thut, als er verſprochen hat. Jedes chriſtliche
Herz, das Gefuͤhl hat, kann Stilling nachempfinden, wie ihm
jetzt zu Muthe war. Gelobt ſey der Herr! ſeine Wege ſind heilig,
wohl dem, der ſich Ihm ohne Vorbehalt ergibt! — Wer ſich
auf Ihn verlaͤßt, wird nicht zu Schanden!
Sonntags Morgens operirte Stilling noch einen alten ar-
men Bauersmann, den der Kurfuͤrſt ſelbſt hatte kommen laſſen;
dann ſetzte er mit ſeiner Eliſe die Reiſe nach der Schweiz
fort. Je naͤher ſie dieſem ihrem Ziel kamen, deſto furchtbarer
wurde das Geruͤcht, daß die ganze Schweiz unter den Waffen
und im Aufſtand ſey; angenehm war das nun freilich nicht, allein
Stilling wußte, daß er in ſeinem wohlthaͤtigen Beruf reiste,
und faßte alſo mit Eliſe ein feſtes Vertrauen auf die goͤttliche
Bewahrung, und dieß Vertrauen war auch nicht vergeblich.
In Freiburg im Breisgau erfuhren ſie die harte Pruͤ-
fung, welche die Stadt Zuͤrich den 13. September hatte aus-
halten muͤſſen, aber auch, daß ſie den Schutz Gottes maͤchtig
erfahren hatte. Dienſtags den 21. September kamen ſie des
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/570>, abgerufen am 22.11.2024.
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