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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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den; endlich greift er ihn auf Einmal an, und verwundet ihn
-- plötzlich sind einige der besten Freunde des Reisenden bei
der Hand, der Feind flieht, der Verwundete erkennt seine Freunde,
die ihn nun in die Herberge bringen und ihn pflegen, bis er
wieder wohl ist. Liebe Leser! nehmt dieß Gleichniß wie ihr
wollt, aber mißbraucht es nicht!



Der Anfang des 1802. Jahrs war traurig für Stilling
und Elise. Sonntags den 3. Januar bekam er einen Brief
von Freund Mieg aus Heidelberg, worinnen er ihm mel-
dete, Lisette sey krank, er glaube aber nicht, daß es Etwas
zu bedeuten hätte, denn die Aerzte gäben noch Hoffnung. Bei
dem Lesen dieses Briefes bekam Stilling einen tiefen Ein-
druck ins Gemüth, sie sey wirklich todt. Es liegt so in seiner
Seele, daß er sich allemal freut, wenn er erfährt, daß ein
Kind, oder auch sonst ein frommer Mensch gestorben ist: denn
er weiß alsdann wieder eine Seele in Sicherheit -- dieß Ge-
fühl macht ihm auch den Tod der Seinigen leichter, als sonst
gewöhnlich ist; indessen da er ein gefühlvolles Herz hat, so
setzt es doch in Ansehung der physischen Natur immer einen
harten Kampf ab: dieß war auch jetzt der Fall, er litt einige
Stunden sehr, dann opferte er sein Lisettchen dem Herrn,
der es ihm gegeben hatte, wieder auf; und den 6. Januar,
als er die Todesnachricht von Mieg bekam, war er stark,
und konnte die sehr tief gebeugte Pflegeltern selbst, und kräf-
tig trösten, aber Elise litt sehr.

Die Freunde Mieg ließen Lisette sehr ehrenvoll begraben,
Mieg gab ein klein Büchelchen heraus, das ihren Lebenslauf,
Charakter, Tod und Begräbniß, und einige bei dieser Gelegen-
heit entstandene Schriften oder Aufsätze und Gedichte enthält.

Man kann sich kaum die Wehmuth vorstellen, die diese
Pflegeltern bei dem Heimgang dieses lieben Mädchens empfanden;
sie hatten sie vortrefflich erzogen und gebildet, und Gott wird
es ihnen vergelten, daß sie sie zur Gottesfurcht und zu einem
christlichen Sinn angehalten haben.

Merkwürdig ist es, daß die alte Mutter Wilhelmi einige

den; endlich greift er ihn auf Einmal an, und verwundet ihn
— ploͤtzlich ſind einige der beſten Freunde des Reiſenden bei
der Hand, der Feind flieht, der Verwundete erkennt ſeine Freunde,
die ihn nun in die Herberge bringen und ihn pflegen, bis er
wieder wohl iſt. Liebe Leſer! nehmt dieß Gleichniß wie ihr
wollt, aber mißbraucht es nicht!



Der Anfang des 1802. Jahrs war traurig fuͤr Stilling
und Eliſe. Sonntags den 3. Januar bekam er einen Brief
von Freund Mieg aus Heidelberg, worinnen er ihm mel-
dete, Liſette ſey krank, er glaube aber nicht, daß es Etwas
zu bedeuten haͤtte, denn die Aerzte gaͤben noch Hoffnung. Bei
dem Leſen dieſes Briefes bekam Stilling einen tiefen Ein-
druck ins Gemuͤth, ſie ſey wirklich todt. Es liegt ſo in ſeiner
Seele, daß er ſich allemal freut, wenn er erfaͤhrt, daß ein
Kind, oder auch ſonſt ein frommer Menſch geſtorben iſt: denn
er weiß alsdann wieder eine Seele in Sicherheit — dieß Ge-
fuͤhl macht ihm auch den Tod der Seinigen leichter, als ſonſt
gewoͤhnlich iſt; indeſſen da er ein gefuͤhlvolles Herz hat, ſo
ſetzt es doch in Anſehung der phyſiſchen Natur immer einen
harten Kampf ab: dieß war auch jetzt der Fall, er litt einige
Stunden ſehr, dann opferte er ſein Liſettchen dem Herrn,
der es ihm gegeben hatte, wieder auf; und den 6. Januar,
als er die Todesnachricht von Mieg bekam, war er ſtark,
und konnte die ſehr tief gebeugte Pflegeltern ſelbſt, und kraͤf-
tig troͤſten, aber Eliſe litt ſehr.

Die Freunde Mieg ließen Liſette ſehr ehrenvoll begraben,
Mieg gab ein klein Buͤchelchen heraus, das ihren Lebenslauf,
Charakter, Tod und Begraͤbniß, und einige bei dieſer Gelegen-
heit entſtandene Schriften oder Aufſaͤtze und Gedichte enthaͤlt.

Man kann ſich kaum die Wehmuth vorſtellen, die dieſe
Pflegeltern bei dem Heimgang dieſes lieben Maͤdchens empfanden;
ſie hatten ſie vortrefflich erzogen und gebildet, und Gott wird
es ihnen vergelten, daß ſie ſie zur Gottesfurcht und zu einem
chriſtlichen Sinn angehalten haben.

Merkwuͤrdig iſt es, daß die alte Mutter Wilhelmi einige

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[553/0561] den; endlich greift er ihn auf Einmal an, und verwundet ihn — ploͤtzlich ſind einige der beſten Freunde des Reiſenden bei der Hand, der Feind flieht, der Verwundete erkennt ſeine Freunde, die ihn nun in die Herberge bringen und ihn pflegen, bis er wieder wohl iſt. Liebe Leſer! nehmt dieß Gleichniß wie ihr wollt, aber mißbraucht es nicht! Der Anfang des 1802. Jahrs war traurig fuͤr Stilling und Eliſe. Sonntags den 3. Januar bekam er einen Brief von Freund Mieg aus Heidelberg, worinnen er ihm mel- dete, Liſette ſey krank, er glaube aber nicht, daß es Etwas zu bedeuten haͤtte, denn die Aerzte gaͤben noch Hoffnung. Bei dem Leſen dieſes Briefes bekam Stilling einen tiefen Ein- druck ins Gemuͤth, ſie ſey wirklich todt. Es liegt ſo in ſeiner Seele, daß er ſich allemal freut, wenn er erfaͤhrt, daß ein Kind, oder auch ſonſt ein frommer Menſch geſtorben iſt: denn er weiß alsdann wieder eine Seele in Sicherheit — dieß Ge- fuͤhl macht ihm auch den Tod der Seinigen leichter, als ſonſt gewoͤhnlich iſt; indeſſen da er ein gefuͤhlvolles Herz hat, ſo ſetzt es doch in Anſehung der phyſiſchen Natur immer einen harten Kampf ab: dieß war auch jetzt der Fall, er litt einige Stunden ſehr, dann opferte er ſein Liſettchen dem Herrn, der es ihm gegeben hatte, wieder auf; und den 6. Januar, als er die Todesnachricht von Mieg bekam, war er ſtark, und konnte die ſehr tief gebeugte Pflegeltern ſelbſt, und kraͤf- tig troͤſten, aber Eliſe litt ſehr. Die Freunde Mieg ließen Liſette ſehr ehrenvoll begraben, Mieg gab ein klein Buͤchelchen heraus, das ihren Lebenslauf, Charakter, Tod und Begraͤbniß, und einige bei dieſer Gelegen- heit entſtandene Schriften oder Aufſaͤtze und Gedichte enthaͤlt. Man kann ſich kaum die Wehmuth vorſtellen, die dieſe Pflegeltern bei dem Heimgang dieſes lieben Maͤdchens empfanden; ſie hatten ſie vortrefflich erzogen und gebildet, und Gott wird es ihnen vergelten, daß ſie ſie zur Gottesfurcht und zu einem chriſtlichen Sinn angehalten haben. Merkwuͤrdig iſt es, daß die alte Mutter Wilhelmi einige

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/561>, abgerufen am 25.11.2024.