nicht. Es war eigentlich eine Angst für bösen Wegen, und für Umfallen der Kutsche -- sie war aber so entsetzlich, daß es kaum auszuhalten war; sie währte die ganze Reise durch, und wurde bald stärker, bald schwächer.
Dienstag den 22. September des Nachmittags kamen sie glücklich im Stobwasserischen Hause zu Braunschweig an; er selbst war mit seiner Gattin in Berlin, wo er auch eine ansehnliche Fabrik hat, seine Leute erzeigten aber den Reisenden alle mögliche Liebe und Freundschaft; es war Stilling und Elise innig wohl unter diesen guten Menschen.
Von hier aus fuhr nun Stilling zu der Person, welche diese Reise veranlaßt hatte: sie wurde sehend. In Braun- schweig selbst operirte er zwölf Personen, und vier Stun- den von da, zu Ampleben, einem Rittersitz des Herrn von Böttichers, nebst einem Pfarrdorf, eine Frau von Bode, die nebst ihrem Gattin auch zu den wahren Verehrern unsers Erlösers gehört. Stilling und Elise fuhren dahin, blie- ben einige Tage da, die Frau von Bode wurde auch sehend, und dann gingen sie wieder zurück nach Braunschweig.
Da man Elisen ernstlich gerathen hatte, wegen ihrem Halsziehen den berühmten Arzt und großen Gelehrten, den Hofrath Beireiß in Helmstädt, zu consuliren, so wurde die Reise auch dahin unternommen. Der große Mann gab sich alle erdenkliche Mühe, den Reisenden Vergnügen zu machen, er schrieb auch Elisen eine Kur vor, die sie aber nicht aus- halten konnte, weil sie sie zu stark angriff.
Während des Aufenthaltes in Braunschweig machte Stilling verschiedene interessante persönliche Bekanntschaf- ten mit Campe, von Zimmermann, Eschenburg, Pokels und noch Andern mehr. Der Herzog bezeigte sich außerordentlich gnädig, er ließ Stilling zweimal zu sich kom- men, und unterredete sich lange mit ihm über allerhand Sachen, unter Andern auch über die Religion, über welche er sich gründlich und erbaulich äusserte. Dann sagte er auch zu Stilling: Alles, was Sie hier gethan haben, das sehe ich so an, als wär' es Mir selbst gesche- hen -- und des folgenden Tages schickte er ihm sechzig
nicht. Es war eigentlich eine Angſt fuͤr boͤſen Wegen, und fuͤr Umfallen der Kutſche — ſie war aber ſo entſetzlich, daß es kaum auszuhalten war; ſie waͤhrte die ganze Reiſe durch, und wurde bald ſtaͤrker, bald ſchwaͤcher.
Dienſtag den 22. September des Nachmittags kamen ſie gluͤcklich im Stobwaſſeriſchen Hauſe zu Braunſchweig an; er ſelbſt war mit ſeiner Gattin in Berlin, wo er auch eine anſehnliche Fabrik hat, ſeine Leute erzeigten aber den Reiſenden alle moͤgliche Liebe und Freundſchaft; es war Stilling und Eliſe innig wohl unter dieſen guten Menſchen.
Von hier aus fuhr nun Stilling zu der Perſon, welche dieſe Reiſe veranlaßt hatte: ſie wurde ſehend. In Braun- ſchweig ſelbſt operirte er zwoͤlf Perſonen, und vier Stun- den von da, zu Ampleben, einem Ritterſitz des Herrn von Boͤttichers, nebſt einem Pfarrdorf, eine Frau von Bode, die nebſt ihrem Gattin auch zu den wahren Verehrern unſers Erloͤſers gehoͤrt. Stilling und Eliſe fuhren dahin, blie- ben einige Tage da, die Frau von Bode wurde auch ſehend, und dann gingen ſie wieder zuruͤck nach Braunſchweig.
Da man Eliſen ernſtlich gerathen hatte, wegen ihrem Halsziehen den beruͤhmten Arzt und großen Gelehrten, den Hofrath Beireiß in Helmſtaͤdt, zu conſuliren, ſo wurde die Reiſe auch dahin unternommen. Der große Mann gab ſich alle erdenkliche Muͤhe, den Reiſenden Vergnuͤgen zu machen, er ſchrieb auch Eliſen eine Kur vor, die ſie aber nicht aus- halten konnte, weil ſie ſie zu ſtark angriff.
Waͤhrend des Aufenthaltes in Braunſchweig machte Stilling verſchiedene intereſſante perſoͤnliche Bekanntſchaf- ten mit Campe, von Zimmermann, Eſchenburg, Pokels und noch Andern mehr. Der Herzog bezeigte ſich außerordentlich gnaͤdig, er ließ Stilling zweimal zu ſich kom- men, und unterredete ſich lange mit ihm uͤber allerhand Sachen, unter Andern auch uͤber die Religion, uͤber welche er ſich gruͤndlich und erbaulich aͤuſſerte. Dann ſagte er auch zu Stilling: Alles, was Sie hier gethan haben, das ſehe ich ſo an, als waͤr’ es Mir ſelbſt geſche- hen — und des folgenden Tages ſchickte er ihm ſechzig
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es kaum auszuhalten war; ſie waͤhrte die ganze Reiſe durch,
und wurde bald ſtaͤrker, bald ſchwaͤcher.
Dienſtag den 22. September des Nachmittags kamen ſie
gluͤcklich im Stobwaſſeriſchen Hauſe zu Braunſchweig
an; er ſelbſt war mit ſeiner Gattin in Berlin, wo er auch
eine anſehnliche Fabrik hat, ſeine Leute erzeigten aber den
Reiſenden alle moͤgliche Liebe und Freundſchaft; es war
Stilling und Eliſe innig wohl unter dieſen guten Menſchen.
Von hier aus fuhr nun Stilling zu der Perſon, welche
dieſe Reiſe veranlaßt hatte: ſie wurde ſehend. In Braun-
ſchweig ſelbſt operirte er zwoͤlf Perſonen, und vier Stun-
den von da, zu Ampleben, einem Ritterſitz des Herrn von
Boͤttichers, nebſt einem Pfarrdorf, eine Frau von Bode,
die nebſt ihrem Gattin auch zu den wahren Verehrern unſers
Erloͤſers gehoͤrt. Stilling und Eliſe fuhren dahin, blie-
ben einige Tage da, die Frau von Bode wurde auch ſehend,
und dann gingen ſie wieder zuruͤck nach Braunſchweig.
Da man Eliſen ernſtlich gerathen hatte, wegen ihrem
Halsziehen den beruͤhmten Arzt und großen Gelehrten, den
Hofrath Beireiß in Helmſtaͤdt, zu conſuliren, ſo wurde
die Reiſe auch dahin unternommen. Der große Mann gab
ſich alle erdenkliche Muͤhe, den Reiſenden Vergnuͤgen zu machen,
er ſchrieb auch Eliſen eine Kur vor, die ſie aber nicht aus-
halten konnte, weil ſie ſie zu ſtark angriff.
Waͤhrend des Aufenthaltes in Braunſchweig machte
Stilling verſchiedene intereſſante perſoͤnliche Bekanntſchaf-
ten mit Campe, von Zimmermann, Eſchenburg,
Pokels und noch Andern mehr. Der Herzog bezeigte ſich
außerordentlich gnaͤdig, er ließ Stilling zweimal zu ſich kom-
men, und unterredete ſich lange mit ihm uͤber allerhand Sachen,
unter Andern auch uͤber die Religion, uͤber welche er ſich
gruͤndlich und erbaulich aͤuſſerte. Dann ſagte er auch zu
Stilling: Alles, was Sie hier gethan haben,
das ſehe ich ſo an, als waͤr’ es Mir ſelbſt geſche-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/555>, abgerufen am 22.11.2024.
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