hen sollte. Gerade zu der Zeit wurden nun auf dem Reichs- tag zu Regensburg alle akademischen Orden verboten, und die Universitäten begannen die Untersuchungen; zum Glück hatte nun Jakob schon vorher bei dem Prorector der Or- den abgesagt und sich darüber ein Zeugniß geben lassen, und so entging er der Strafe. Den folgenden Sommer, als er nun wieder zu Marburg war, begann auch dort die Un- tersuchung -- mit größter Verwunderung, und ganz unerwar- tet, fand man auch ihn auf der Liste. Jetzt trat er auf, und zeigte sein Zeugniß vor; die Sache wurde zur Entscheidung an den Kurfürsten berichtet; Stilling schrieb Ihm die wahre Ursache, warum sein Sohn in den Orden getreten sey, der Kurfürst hatte Wohlgefallen an dieser Handlung, und sprach ihn von allen Strafen und jeder Verantwortung frei.
In diesem Jahre entstand auch ein neues Verhältniß in Stillings Familie; Elisens beide Schwestern Maria und Amalia, zwei sehr gute und liebenswürdige Seelen, waren für Stilling ein wahres Geschenk Gottes; in ih- rem Umgang war ihm, aber auch jedermann, der in diesen häuslichen Zirkel kam, innig wohl. Die drei Schwestern tru- gen den durch Leiden und Arbeit fast zu Boden gedrückten Mann auf den Händen.
Amalia hatte durch ihren vortrefflichen Charakter, durch ihre Schönheit und Modonna-Gesicht, tiefen Eindruck auf Jakob gemacht. Der gute junge Mann stand Anfangs in den Gedanken, es sey nicht erlaubt, seiner Stiefmutter Schwe- ster zu heirathen, er kämpfte also eine Zeitlang, und war im Zweifel, ob es nicht besser sey, das elterliche Haus zu verlas- sen? -- Doch vertraute er sich seinem Schwager Schwarz, der ihm Muth machte, und ihm rieth, sein Verlangen den Eltern bekannt zu machen. Stilling und Elise fanden nichts dabei zu erinnern, sondern sie gaben beide ihren Segen und ihre Einwilligung zur Heirath, sobald als Jakob eine Versorgung haben würde; diese blieb aber sieben Jahre aus. Während dieser Zeit war ihr beider Wandel wie ihr Charakter untadelhaft; doch um Lästerungen auszuweichen, übernahm er nicht lange nachher die Führung eines Cavaliers, der in Mar-
hen ſollte. Gerade zu der Zeit wurden nun auf dem Reichs- tag zu Regensburg alle akademiſchen Orden verboten, und die Univerſitaͤten begannen die Unterſuchungen; zum Gluͤck hatte nun Jakob ſchon vorher bei dem Prorector der Or- den abgeſagt und ſich daruͤber ein Zeugniß geben laſſen, und ſo entging er der Strafe. Den folgenden Sommer, als er nun wieder zu Marburg war, begann auch dort die Un- terſuchung — mit groͤßter Verwunderung, und ganz unerwar- tet, fand man auch ihn auf der Liſte. Jetzt trat er auf, und zeigte ſein Zeugniß vor; die Sache wurde zur Entſcheidung an den Kurfuͤrſten berichtet; Stilling ſchrieb Ihm die wahre Urſache, warum ſein Sohn in den Orden getreten ſey, der Kurfuͤrſt hatte Wohlgefallen an dieſer Handlung, und ſprach ihn von allen Strafen und jeder Verantwortung frei.
In dieſem Jahre entſtand auch ein neues Verhaͤltniß in Stillings Familie; Eliſens beide Schweſtern Maria und Amalia, zwei ſehr gute und liebenswuͤrdige Seelen, waren fuͤr Stilling ein wahres Geſchenk Gottes; in ih- rem Umgang war ihm, aber auch jedermann, der in dieſen haͤuslichen Zirkel kam, innig wohl. Die drei Schweſtern tru- gen den durch Leiden und Arbeit faſt zu Boden gedruͤckten Mann auf den Haͤnden.
Amalia hatte durch ihren vortrefflichen Charakter, durch ihre Schoͤnheit und Modonna-Geſicht, tiefen Eindruck auf Jakob gemacht. Der gute junge Mann ſtand Anfangs in den Gedanken, es ſey nicht erlaubt, ſeiner Stiefmutter Schwe- ſter zu heirathen, er kaͤmpfte alſo eine Zeitlang, und war im Zweifel, ob es nicht beſſer ſey, das elterliche Haus zu verlaſ- ſen? — Doch vertraute er ſich ſeinem Schwager Schwarz, der ihm Muth machte, und ihm rieth, ſein Verlangen den Eltern bekannt zu machen. Stilling und Eliſe fanden nichts dabei zu erinnern, ſondern ſie gaben beide ihren Segen und ihre Einwilligung zur Heirath, ſobald als Jakob eine Verſorgung haben wuͤrde; dieſe blieb aber ſieben Jahre aus. Waͤhrend dieſer Zeit war ihr beider Wandel wie ihr Charakter untadelhaft; doch um Laͤſterungen auszuweichen, uͤbernahm er nicht lange nachher die Fuͤhrung eines Cavaliers, der in Mar-
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den abgeſagt und ſich daruͤber ein Zeugniß geben laſſen, und
ſo entging er der Strafe. Den folgenden Sommer, als er
nun wieder zu Marburg war, begann auch dort die Un-
terſuchung — mit groͤßter Verwunderung, und ganz unerwar-
tet, fand man auch ihn auf der Liſte. Jetzt trat er auf, und
zeigte ſein Zeugniß vor; die Sache wurde zur Entſcheidung
an den Kurfuͤrſten berichtet; Stilling ſchrieb Ihm die wahre
Urſache, warum ſein Sohn in den Orden getreten ſey, der
Kurfuͤrſt hatte Wohlgefallen an dieſer Handlung, und ſprach
ihn von allen Strafen und jeder Verantwortung frei.
In dieſem Jahre entſtand auch ein neues Verhaͤltniß in
Stillings Familie; Eliſens beide Schweſtern Maria
und Amalia, zwei ſehr gute und liebenswuͤrdige Seelen,
waren fuͤr Stilling ein wahres Geſchenk Gottes; in ih-
rem Umgang war ihm, aber auch jedermann, der in dieſen
haͤuslichen Zirkel kam, innig wohl. Die drei Schweſtern tru-
gen den durch Leiden und Arbeit faſt zu Boden gedruͤckten
Mann auf den Haͤnden.
Amalia hatte durch ihren vortrefflichen Charakter, durch
ihre Schoͤnheit und Modonna-Geſicht, tiefen Eindruck auf
Jakob gemacht. Der gute junge Mann ſtand Anfangs in
den Gedanken, es ſey nicht erlaubt, ſeiner Stiefmutter Schwe-
ſter zu heirathen, er kaͤmpfte alſo eine Zeitlang, und war im
Zweifel, ob es nicht beſſer ſey, das elterliche Haus zu verlaſ-
ſen? — Doch vertraute er ſich ſeinem Schwager Schwarz,
der ihm Muth machte, und ihm rieth, ſein Verlangen den
Eltern bekannt zu machen. Stilling und Eliſe fanden
nichts dabei zu erinnern, ſondern ſie gaben beide ihren Segen
und ihre Einwilligung zur Heirath, ſobald als Jakob eine
Verſorgung haben wuͤrde; dieſe blieb aber ſieben Jahre aus.
Waͤhrend dieſer Zeit war ihr beider Wandel wie ihr Charakter
untadelhaft; doch um Laͤſterungen auszuweichen, uͤbernahm er
nicht lange nachher die Fuͤhrung eines Cavaliers, der in Mar-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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