derte er auch in den Garten, um seine Frau und Kinder wie- der abzuholen. Hier fand er im Gartenhäuschen vier bis fünf Weibsleute um seine Christine sitzen, einige Erbauungsbü- cher lagen zwischen Johannesbeerenkuchen und Kaffeegeschirr auf dem Tisch, und Alle waren in einem christlichen Gespräch begriffen. Stilling setzte sich zu ihnen und fing nun an, behutsam zu predigen: er stellte ihnen vor, wie gefährlich Zusammenkünfte von der Art an einem Ort seyen, wo man ohnehin so scharf auf alle Schritte und Tritte der Protestan- ten merkte; dann bewies er ihnen gründlich und deutlich, daß das Christenthum nicht in solchen Gesprächen, sondern in einem gottesfürchtigen Leben bestände, u. s. w.
Wer sollte sichs aber nun einfallen lassen, daß Spässel gerade jetzt da hinter der Hecke stand, und Alles mit an- hörte? -- so Etwas träumte Stillingen nicht. Wie er- staunte er also, als er acht Tage hernach die ernsthaftesten, und ich mag wohl sagen, derbsten Vorwürfe, von seinen Freun- den von Mannheim und Zweibrücken aus, zugeschrie- ben bekam: er wußte wahrlich nicht, wie ihm geschah -- und wenn nicht von einer Winkelpredigt im Garten die Rede gewesen wäre, so hätte er sichs nicht einmal träumen lassen, woher diese giftige Verläumdung ihren Ursprung genommen habe. Er beantwortete daher obige Briefe männlich und nach der Wahrheit, seine Freunde glaubten ihm auch, allein im Ganzen blieb doch immer eine Sensation zurück, die ihm, wenigstens bei den Katholischen, nachtheilig war.
In Rittersburg selbst machte das Ding auch Unruhe: der Oberbeamte drohte mit Einthürmen und räsonnirte sehr herrlich, die Protestanten aber murrten und beschwerten sich, daß man ihnen nicht einmal Hausandachten zugestehen wollte; bei diesen verlor Stilling nichts, im Gegentheil, sie schätz- ten ihn desto mehr. Die beiden protestantischen Geistlichen, zwei verehrungswürdige vortreffliche Männer, Herr W .... und Herr S ..., nahmen sich auch der Sache an, sie besuch- ten jene Weibsleute, ermahnten sie zur Vorsicht, trösteten sie und versprachen ihnen Schutz, denn sie wußten, daß sie gute, brave Leute waren, die keine Grundsätze hegten, die der Re-
derte er auch in den Garten, um ſeine Frau und Kinder wie- der abzuholen. Hier fand er im Gartenhaͤuschen vier bis fuͤnf Weibsleute um ſeine Chriſtine ſitzen, einige Erbauungsbuͤ- cher lagen zwiſchen Johannesbeerenkuchen und Kaffeegeſchirr auf dem Tiſch, und Alle waren in einem chriſtlichen Geſpraͤch begriffen. Stilling ſetzte ſich zu ihnen und fing nun an, behutſam zu predigen: er ſtellte ihnen vor, wie gefaͤhrlich Zuſammenkuͤnfte von der Art an einem Ort ſeyen, wo man ohnehin ſo ſcharf auf alle Schritte und Tritte der Proteſtan- ten merkte; dann bewies er ihnen gruͤndlich und deutlich, daß das Chriſtenthum nicht in ſolchen Geſpraͤchen, ſondern in einem gottesfuͤrchtigen Leben beſtaͤnde, u. ſ. w.
Wer ſollte ſichs aber nun einfallen laſſen, daß Spaͤſſel gerade jetzt da hinter der Hecke ſtand, und Alles mit an- hoͤrte? — ſo Etwas traͤumte Stillingen nicht. Wie er- ſtaunte er alſo, als er acht Tage hernach die ernſthafteſten, und ich mag wohl ſagen, derbſten Vorwuͤrfe, von ſeinen Freun- den von Mannheim und Zweibruͤcken aus, zugeſchrie- ben bekam: er wußte wahrlich nicht, wie ihm geſchah — und wenn nicht von einer Winkelpredigt im Garten die Rede geweſen waͤre, ſo haͤtte er ſichs nicht einmal traͤumen laſſen, woher dieſe giftige Verlaͤumdung ihren Urſprung genommen habe. Er beantwortete daher obige Briefe maͤnnlich und nach der Wahrheit, ſeine Freunde glaubten ihm auch, allein im Ganzen blieb doch immer eine Senſation zuruͤck, die ihm, wenigſtens bei den Katholiſchen, nachtheilig war.
In Rittersburg ſelbſt machte das Ding auch Unruhe: der Oberbeamte drohte mit Einthuͤrmen und raͤſonnirte ſehr herrlich, die Proteſtanten aber murrten und beſchwerten ſich, daß man ihnen nicht einmal Hausandachten zugeſtehen wollte; bei dieſen verlor Stilling nichts, im Gegentheil, ſie ſchaͤtz- ten ihn deſto mehr. Die beiden proteſtantiſchen Geiſtlichen, zwei verehrungswuͤrdige vortreffliche Maͤnner, Herr W .... und Herr S …, nahmen ſich auch der Sache an, ſie beſuch- ten jene Weibsleute, ermahnten ſie zur Vorſicht, troͤſteten ſie und verſprachen ihnen Schutz, denn ſie wußten, daß ſie gute, brave Leute waren, die keine Grundſaͤtze hegten, die der Re-
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derte er auch in den Garten, um ſeine Frau und Kinder wie-
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Weibsleute um ſeine Chriſtine ſitzen, einige Erbauungsbuͤ-
cher lagen zwiſchen Johannesbeerenkuchen und Kaffeegeſchirr
auf dem Tiſch, und Alle waren in einem chriſtlichen Geſpraͤch
begriffen. Stilling ſetzte ſich zu ihnen und fing nun an,
behutſam zu predigen: er ſtellte ihnen vor, wie gefaͤhrlich
Zuſammenkuͤnfte von der Art an einem Ort ſeyen, wo man
ohnehin ſo ſcharf auf alle Schritte und Tritte der Proteſtan-
ten merkte; dann bewies er ihnen gruͤndlich und deutlich, daß
das Chriſtenthum nicht in ſolchen Geſpraͤchen, ſondern in
einem gottesfuͤrchtigen Leben beſtaͤnde, u. ſ. w.
Wer ſollte ſichs aber nun einfallen laſſen, daß Spaͤſſel
gerade jetzt da hinter der Hecke ſtand, und Alles mit an-
hoͤrte? — ſo Etwas traͤumte Stillingen nicht. Wie er-
ſtaunte er alſo, als er acht Tage hernach die ernſthafteſten,
und ich mag wohl ſagen, derbſten Vorwuͤrfe, von ſeinen Freun-
den von Mannheim und Zweibruͤcken aus, zugeſchrie-
ben bekam: er wußte wahrlich nicht, wie ihm geſchah —
und wenn nicht von einer Winkelpredigt im Garten die Rede
geweſen waͤre, ſo haͤtte er ſichs nicht einmal traͤumen laſſen,
woher dieſe giftige Verlaͤumdung ihren Urſprung genommen
habe. Er beantwortete daher obige Briefe maͤnnlich und nach
der Wahrheit, ſeine Freunde glaubten ihm auch, allein im
Ganzen blieb doch immer eine Senſation zuruͤck, die ihm,
wenigſtens bei den Katholiſchen, nachtheilig war.
In Rittersburg ſelbſt machte das Ding auch Unruhe:
der Oberbeamte drohte mit Einthuͤrmen und raͤſonnirte ſehr
herrlich, die Proteſtanten aber murrten und beſchwerten ſich,
daß man ihnen nicht einmal Hausandachten zugeſtehen wollte;
bei dieſen verlor Stilling nichts, im Gegentheil, ſie ſchaͤtz-
ten ihn deſto mehr. Die beiden proteſtantiſchen Geiſtlichen,
zwei verehrungswuͤrdige vortreffliche Maͤnner, Herr W ....
und Herr S …, nahmen ſich auch der Sache an, ſie beſuch-
ten jene Weibsleute, ermahnten ſie zur Vorſicht, troͤſteten ſie
und verſprachen ihnen Schutz, denn ſie wußten, daß ſie gute,
brave Leute waren, die keine Grundſaͤtze hegten, die der Re-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/388>, abgerufen am 24.11.2024.
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