sie sich vor Bingen, sie gaben den Schiffern ein gutes Trink- geld, stiegen aus, und sahen ihren Nachen, mit dem sie nach Cölln fahren wollten, daselbst an einen Pfahl gebunden.
Nicht weit vom Ufer war ein Wirthshaus, Stilling ging mit seinem Cameraden da hinein, und in die Stube, welche voller Stroh gespreitet war. Dort in der Ecke lag ein vortrefflicher ansehnlicher Mann. Eine Strecke von demselben ein Soldat. Wieder einen Schritt weiter ein junger Mensch, der einem versoffenen Kauz von Studenten so ähnlich sahe, als ein Ei dem andern. Der Erste hatte eine baumwollene Mütze über die Ohren gezogen, und einen Mantelrock auf der Schulter hangen, sein russischer Frack war um die Füße ge- wickelt. Der Andere hatte sein Schnupftuch um den Kopf gebunden, und den Soldatenrock über sich her, und schnarchte. Der Dritte lag da mit bloßem Haupt im Stroh, und ein englischer Frack lag quer über ihn her; er richtete sich auf, sah über quer in die Welt, wie einer, der den vorigen Abend zu viel ins Branntweinglas geguckt hatte. Hinten im Eck lag Etwas, man wußte nicht, was es war, bis es sich regte, und zwischen Tüchern und Kissen hervorguckte: nun entdeckte Stil- ling, daß es eine Gattung von Weibs-Menschen war.
Stilling betrachtete diese herrliche Gruppe eine Weile mit Freuden, endlich fing er an: "Meine Herren, ich wünsche Ihnen allerseits einen glückseligen Morgen und gute Reise! Alle Drei richteten sich auf, gähnten und räusperten sich, und was dergleichen erste Morgen-Verrichtungen mehr sind; sie guckten auf, sahen da einen langen, lächelnden Mann mit einem muntern Knaben bei sich stehen; sie sprangen alle auf, mach- ten ein Compliment, ein Jeder auf seine Weise, und dankten freundlich.
Der vornehmste Herr war ein Mensch von einer hohen und edlen Gesichtsbildung, dieser trat vor Stilling und sagte: "Wo kommen Sie so früh her?" Stilling erzählte kurz und gut, wie es ihm ergangen war. Mit einer edlen Miene fing dieser Herr an: "Sie sind doch wohl kein Kaufmann, Sie kommen mir nicht so vor!" -- Stilling verwunderte sich über diese Rede, er lächelte und sagte: Sie müssen sich gut
ſie ſich vor Bingen, ſie gaben den Schiffern ein gutes Trink- geld, ſtiegen aus, und ſahen ihren Nachen, mit dem ſie nach Coͤlln fahren wollten, daſelbſt an einen Pfahl gebunden.
Nicht weit vom Ufer war ein Wirthshaus, Stilling ging mit ſeinem Cameraden da hinein, und in die Stube, welche voller Stroh geſpreitet war. Dort in der Ecke lag ein vortrefflicher anſehnlicher Mann. Eine Strecke von demſelben ein Soldat. Wieder einen Schritt weiter ein junger Menſch, der einem verſoffenen Kauz von Studenten ſo aͤhnlich ſahe, als ein Ei dem andern. Der Erſte hatte eine baumwollene Muͤtze uͤber die Ohren gezogen, und einen Mantelrock auf der Schulter hangen, ſein ruſſiſcher Frack war um die Fuͤße ge- wickelt. Der Andere hatte ſein Schnupftuch um den Kopf gebunden, und den Soldatenrock uͤber ſich her, und ſchnarchte. Der Dritte lag da mit bloßem Haupt im Stroh, und ein engliſcher Frack lag quer uͤber ihn her; er richtete ſich auf, ſah uͤber quer in die Welt, wie einer, der den vorigen Abend zu viel ins Branntweinglas geguckt hatte. Hinten im Eck lag Etwas, man wußte nicht, was es war, bis es ſich regte, und zwiſchen Tuͤchern und Kiſſen hervorguckte: nun entdeckte Stil- ling, daß es eine Gattung von Weibs-Menſchen war.
Stilling betrachtete dieſe herrliche Gruppe eine Weile mit Freuden, endlich fing er an: „Meine Herren, ich wuͤnſche Ihnen allerſeits einen gluͤckſeligen Morgen und gute Reiſe! Alle Drei richteten ſich auf, gaͤhnten und raͤuſperten ſich, und was dergleichen erſte Morgen-Verrichtungen mehr ſind; ſie guckten auf, ſahen da einen langen, laͤchelnden Mann mit einem muntern Knaben bei ſich ſtehen; ſie ſprangen alle auf, mach- ten ein Compliment, ein Jeder auf ſeine Weiſe, und dankten freundlich.
Der vornehmſte Herr war ein Menſch von einer hohen und edlen Geſichtsbildung, dieſer trat vor Stilling und ſagte: „Wo kommen Sie ſo fruͤh her?“ Stilling erzaͤhlte kurz und gut, wie es ihm ergangen war. Mit einer edlen Miene fing dieſer Herr an: „Sie ſind doch wohl kein Kaufmann, Sie kommen mir nicht ſo vor!“ — Stilling verwunderte ſich uͤber dieſe Rede, er laͤchelte und ſagte: Sie muͤſſen ſich gut
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ſie ſich vor Bingen, ſie gaben den Schiffern ein gutes Trink-
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Coͤlln fahren wollten, daſelbſt an einen Pfahl gebunden.
Nicht weit vom Ufer war ein Wirthshaus, Stilling
ging mit ſeinem Cameraden da hinein, und in die Stube,
welche voller Stroh geſpreitet war. Dort in der Ecke lag ein
vortrefflicher anſehnlicher Mann. Eine Strecke von demſelben
ein Soldat. Wieder einen Schritt weiter ein junger Menſch,
der einem verſoffenen Kauz von Studenten ſo aͤhnlich ſahe,
als ein Ei dem andern. Der Erſte hatte eine baumwollene
Muͤtze uͤber die Ohren gezogen, und einen Mantelrock auf der
Schulter hangen, ſein ruſſiſcher Frack war um die Fuͤße ge-
wickelt. Der Andere hatte ſein Schnupftuch um den Kopf
gebunden, und den Soldatenrock uͤber ſich her, und ſchnarchte.
Der Dritte lag da mit bloßem Haupt im Stroh, und ein
engliſcher Frack lag quer uͤber ihn her; er richtete ſich auf, ſah
uͤber quer in die Welt, wie einer, der den vorigen Abend zu
viel ins Branntweinglas geguckt hatte. Hinten im Eck lag
Etwas, man wußte nicht, was es war, bis es ſich regte, und
zwiſchen Tuͤchern und Kiſſen hervorguckte: nun entdeckte Stil-
ling, daß es eine Gattung von Weibs-Menſchen war.
Stilling betrachtete dieſe herrliche Gruppe eine Weile mit
Freuden, endlich fing er an: „Meine Herren, ich wuͤnſche
Ihnen allerſeits einen gluͤckſeligen Morgen und gute Reiſe!
Alle Drei richteten ſich auf, gaͤhnten und raͤuſperten ſich, und
was dergleichen erſte Morgen-Verrichtungen mehr ſind; ſie
guckten auf, ſahen da einen langen, laͤchelnden Mann mit einem
muntern Knaben bei ſich ſtehen; ſie ſprangen alle auf, mach-
ten ein Compliment, ein Jeder auf ſeine Weiſe, und dankten
freundlich.
Der vornehmſte Herr war ein Menſch von einer hohen und
edlen Geſichtsbildung, dieſer trat vor Stilling und ſagte:
„Wo kommen Sie ſo fruͤh her?“ Stilling erzaͤhlte kurz und
gut, wie es ihm ergangen war. Mit einer edlen Miene fing
dieſer Herr an: „Sie ſind doch wohl kein Kaufmann, Sie
kommen mir nicht ſo vor!“ — Stilling verwunderte ſich
uͤber dieſe Rede, er laͤchelte und ſagte: Sie muͤſſen ſich gut
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/291>, abgerufen am 25.11.2024.
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