Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.A. Der Proceß. Vertheidigung. Gegenansprüche in Negationsform. §. 52. Wie will man sie aber hier einfügen? Etwa so: die Frau hätte,sei es sofort nach Bestellung und Auszahlung der Dos, sei es später zu irgend einem beliebigen Zeitpunkt den Betrag der Dos richterlich feststellen lassen können? Aber wozu das? Konnte die Frau bei Gelegenheit der Präjudicialklage den Betrag nachwei- sen, und dies mußte sie ja, um den Richter zu überzeugen, so konnte sie es auch bei Gelegenheit der Dotalklage. Wozu also dieser anticipirte Beweis, für den der ältere Proceß sonst gar keine Parallele darbietet? Und wenn er für den Dotalanspruch möglich war, warum nicht auch für jede andere Forderung? Kurz, jene Präjudicialklage hat gar keinen Sinn, wenn man sie ledig- lich auf die Forderung der Klägerin bezieht. Dagegen gewinnt sie eine ungeahnte Bedeutung, sowie man sie mit der Gegenfor- derung des Beklagten in Beziehung setzt; denn daß letztere einen Gegenstand des Streits unter den Partheien abgeben konnte, und zwar nicht bloß die Frage über den Betrag der Verwen- dungen, sondern auch die über ihren Charakter als nothwen- diger Auslagen 62) liegt ebensosehr auf der Hand, als daß man der Frau nicht zumuthen konnte, diese Frage in Form des ge- wöhnlichen Processes mit Gefahr der plus-petitio zur Entschei- dung zu bringen, ganz abgesehen von dem Fall, wenn beide Partheien in Frieden und ohne Proceß auseinander kommen woll- ten. 63) Daß die Formel der Klage, wenn Gajus sie sonst rich- tig mittheilt, nicht direct auf die Höhe der Impensen, sondern auf die der Dos lautete, wird als Gegengrund nicht angeführt werden dürfen; denn der Sache nach steckte in der einen Frage zugleich die andere, 64) und wir sind nicht in der Lage zu bestim- 62) L. 15 de imp. (25. 1) ... non tam facile in universum definiri possunt. 63) Ebenso wenn es sich z. B. bei Gelegenheit der Collation der Dos um deren Höhe handelte L. 1 §. 5 de dot. coll. (37. 7) ... impensarum necessariarum fit detractio. 64) Ebenso wird bei dem Streit über den Betrag der Quarta Falcidia
die Frage nicht direct auf diesen Betrag, sondern auf den des Nachlasses ge- richtet (s. u.). A. Der Proceß. Vertheidigung. Gegenanſprüche in Negationsform. §. 52. Wie will man ſie aber hier einfügen? Etwa ſo: die Frau hätte,ſei es ſofort nach Beſtellung und Auszahlung der Dos, ſei es ſpäter zu irgend einem beliebigen Zeitpunkt den Betrag der Dos richterlich feſtſtellen laſſen können? Aber wozu das? Konnte die Frau bei Gelegenheit der Präjudicialklage den Betrag nachwei- ſen, und dies mußte ſie ja, um den Richter zu überzeugen, ſo konnte ſie es auch bei Gelegenheit der Dotalklage. Wozu alſo dieſer anticipirte Beweis, für den der ältere Proceß ſonſt gar keine Parallele darbietet? Und wenn er für den Dotalanſpruch möglich war, warum nicht auch für jede andere Forderung? Kurz, jene Präjudicialklage hat gar keinen Sinn, wenn man ſie ledig- lich auf die Forderung der Klägerin bezieht. Dagegen gewinnt ſie eine ungeahnte Bedeutung, ſowie man ſie mit der Gegenfor- derung des Beklagten in Beziehung ſetzt; denn daß letztere einen Gegenſtand des Streits unter den Partheien abgeben konnte, und zwar nicht bloß die Frage über den Betrag der Verwen- dungen, ſondern auch die über ihren Charakter als nothwen- diger Auslagen 62) liegt ebenſoſehr auf der Hand, als daß man der Frau nicht zumuthen konnte, dieſe Frage in Form des ge- wöhnlichen Proceſſes mit Gefahr der plus-petitio zur Entſchei- dung zu bringen, ganz abgeſehen von dem Fall, wenn beide Partheien in Frieden und ohne Proceß auseinander kommen woll- ten. 63) Daß die Formel der Klage, wenn Gajus ſie ſonſt rich- tig mittheilt, nicht direct auf die Höhe der Impenſen, ſondern auf die der Dos lautete, wird als Gegengrund nicht angeführt werden dürfen; denn der Sache nach ſteckte in der einen Frage zugleich die andere, 64) und wir ſind nicht in der Lage zu beſtim- 62) L. 15 de imp. (25. 1) … non tam facile in universum definiri possunt. 63) Ebenſo wenn es ſich z. B. bei Gelegenheit der Collation der Dos um deren Höhe handelte L. 1 §. 5 de dot. coll. (37. 7) … impensarum necessariarum fit detractio. 64) Ebenſo wird bei dem Streit über den Betrag der Quarta Falcidia
die Frage nicht direct auf dieſen Betrag, ſondern auf den des Nachlaſſes ge- richtet (ſ. u.). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <div n="10"> <div n="11"> <p><pb facs="#f0087" n="71"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Der Proceß. Vertheidigung. Gegenanſprüche in Negationsform. §. 52.</fw><lb/> Wie will man ſie aber hier einfügen? Etwa ſo: die Frau hätte,<lb/> ſei es ſofort nach Beſtellung und Auszahlung der Dos, ſei es<lb/> ſpäter zu irgend einem beliebigen Zeitpunkt den Betrag der Dos<lb/> richterlich feſtſtellen laſſen können? Aber wozu das? Konnte die<lb/> Frau bei Gelegenheit der Präjudicialklage den Betrag nachwei-<lb/> ſen, und dies mußte ſie ja, um den Richter zu überzeugen, ſo<lb/> konnte ſie es auch bei Gelegenheit der Dotalklage. Wozu alſo<lb/> dieſer anticipirte Beweis, für den der ältere Proceß ſonſt gar<lb/> keine Parallele darbietet? Und wenn er für den Dotalanſpruch<lb/> möglich war, warum nicht auch für jede andere Forderung? Kurz,<lb/> jene Präjudicialklage hat gar keinen Sinn, wenn man ſie ledig-<lb/> lich auf die Forderung der <hi rendition="#g">Klägerin</hi> bezieht. Dagegen gewinnt<lb/> ſie eine ungeahnte Bedeutung, ſowie man ſie mit der Gegenfor-<lb/> derung des Beklagten in Beziehung ſetzt; denn daß letztere einen<lb/> Gegenſtand des Streits unter den Partheien abgeben konnte,<lb/> und zwar nicht bloß die Frage über den <hi rendition="#g">Betrag</hi> der Verwen-<lb/> dungen, ſondern auch die über ihren Charakter als <hi rendition="#g">nothwen-<lb/> diger</hi> Auslagen <note place="foot" n="62)"><hi rendition="#aq">L. 15 de imp. (25. 1) … non tam facile in universum definiri<lb/> possunt.</hi></note> liegt ebenſoſehr auf der Hand, als daß man<lb/> der Frau nicht zumuthen konnte, dieſe Frage in Form des ge-<lb/> wöhnlichen Proceſſes mit Gefahr der <hi rendition="#aq">plus-petitio</hi> zur Entſchei-<lb/> dung zu bringen, ganz abgeſehen von dem Fall, wenn beide<lb/> Partheien in Frieden und ohne Proceß auseinander kommen woll-<lb/> ten. <note place="foot" n="63)">Ebenſo wenn es ſich z. B. bei Gelegenheit der Collation der <hi rendition="#g">Dos</hi><lb/> um deren Höhe handelte <hi rendition="#aq">L. 1 §. 5 de dot. coll. (37. 7) … impensarum<lb/> necessariarum fit detractio.</hi></note> Daß die Formel der Klage, wenn Gajus ſie ſonſt rich-<lb/> tig mittheilt, nicht direct auf die Höhe der Impenſen, ſondern<lb/> auf die der Dos lautete, wird als Gegengrund nicht angeführt<lb/> werden dürfen; denn der <hi rendition="#g">Sache</hi> nach ſteckte in der einen Frage<lb/> zugleich die andere, <note place="foot" n="64)">Ebenſo wird bei dem Streit über den Betrag der <hi rendition="#aq">Quarta Falcidia</hi><lb/> die Frage nicht direct auf dieſen Betrag, ſondern auf den des Nachlaſſes ge-<lb/> richtet (ſ. u.).</note> und wir ſind nicht in der Lage zu beſtim-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0087]
A. Der Proceß. Vertheidigung. Gegenanſprüche in Negationsform. §. 52.
Wie will man ſie aber hier einfügen? Etwa ſo: die Frau hätte,
ſei es ſofort nach Beſtellung und Auszahlung der Dos, ſei es
ſpäter zu irgend einem beliebigen Zeitpunkt den Betrag der Dos
richterlich feſtſtellen laſſen können? Aber wozu das? Konnte die
Frau bei Gelegenheit der Präjudicialklage den Betrag nachwei-
ſen, und dies mußte ſie ja, um den Richter zu überzeugen, ſo
konnte ſie es auch bei Gelegenheit der Dotalklage. Wozu alſo
dieſer anticipirte Beweis, für den der ältere Proceß ſonſt gar
keine Parallele darbietet? Und wenn er für den Dotalanſpruch
möglich war, warum nicht auch für jede andere Forderung? Kurz,
jene Präjudicialklage hat gar keinen Sinn, wenn man ſie ledig-
lich auf die Forderung der Klägerin bezieht. Dagegen gewinnt
ſie eine ungeahnte Bedeutung, ſowie man ſie mit der Gegenfor-
derung des Beklagten in Beziehung ſetzt; denn daß letztere einen
Gegenſtand des Streits unter den Partheien abgeben konnte,
und zwar nicht bloß die Frage über den Betrag der Verwen-
dungen, ſondern auch die über ihren Charakter als nothwen-
diger Auslagen 62) liegt ebenſoſehr auf der Hand, als daß man
der Frau nicht zumuthen konnte, dieſe Frage in Form des ge-
wöhnlichen Proceſſes mit Gefahr der plus-petitio zur Entſchei-
dung zu bringen, ganz abgeſehen von dem Fall, wenn beide
Partheien in Frieden und ohne Proceß auseinander kommen woll-
ten. 63) Daß die Formel der Klage, wenn Gajus ſie ſonſt rich-
tig mittheilt, nicht direct auf die Höhe der Impenſen, ſondern
auf die der Dos lautete, wird als Gegengrund nicht angeführt
werden dürfen; denn der Sache nach ſteckte in der einen Frage
zugleich die andere, 64) und wir ſind nicht in der Lage zu beſtim-
62) L. 15 de imp. (25. 1) … non tam facile in universum definiri
possunt.
63) Ebenſo wenn es ſich z. B. bei Gelegenheit der Collation der Dos
um deren Höhe handelte L. 1 §. 5 de dot. coll. (37. 7) … impensarum
necessariarum fit detractio.
64) Ebenſo wird bei dem Streit über den Betrag der Quarta Falcidia
die Frage nicht direct auf dieſen Betrag, ſondern auf den des Nachlaſſes ge-
richtet (ſ. u.).
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