Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
wöhnt hatte die Bezeichnung eines jus zu erblicken (Note 44),
es erübrigte ihm folglich nur die Fassung, welche wir oben zurück-
gewiesen haben, die der "actiones in factum". Die Formel lau-
tete auf die Thatsache (factum), auf welche der Anspruch des
Klägers sich gründete, und zwar, da diese Thatsache regelmäßig
der Vergangenheit angehört, im Gegensatz zu dem Infinitiv
Präsentis des Civilrechts im Infinitiv perfecti. 45) Um hier nun
den Beklagten, welcher die angegebene Entstehung des kläge-
rischen Anspruchs zwar einräumte, aber die spätere Aufhebung
desselben behauptete, Raum zu dieser Behauptung zu geben,
mußte natürlich der Formel ein darauf gerichteter Zusatz als
zweites Glied einverleibt werden. Die actiones in factum waren
daher in der Regel zweigliedrig, sie enthielten zwei Fragen:
eine im Interesse des Klägers -- das Klagfundament -- eine
im Interesse des Beklagten, bald als negative Beschränkung
des Klagfundaments, bald als exceptio gefaßt. 46) Einige For-
meln waren bloß eingliederig; hier steckte das nöthige Ver-
theidigungsmaterial schon im positiven Klagfundament. 47)

Wenn ich den so eben entwickelten Gegensatz in der Fassung

45) z. B. A. A. apud N. N. mensam deposuisse -- convenisse
inter A. A. et N. N., ut res pignoris nomine obligata esset -- patronum
in jus vocatum esse, Gaj. IV.
46, 47. Nur wo die Klage von einer
gegenwärtigen Thatsache abhing, z. B. beim interd. uti possidetis vom
gegenwärtigen Besitz, ward natürlich das Präsens gebraucht: possidetis.
46) Beispiel der ersten Form: .. rem deposuisse (positiver Theil des
Klagfundaments) eamque dolo malo Ni Ni Ao Ao redditam non esse (ne-
gativer Theil). Beispiel beider Formen bei der act. hypothecaria: (Note 45)
... obligata esset (positiver Theil) eamque pecuniam solutam non esse
neque eo nomine satisdatum esse neque per A. A. stetisse, quominus sol-
veretur
(nach Bachofen Pfandrecht I. S. 49 -- negativer Theil) si non
voluntate creditoris veniit (exceptio, L. 8 §. 9 quib. mod. pig.
20. 6).
47) z. B. .. patronum contra edictum ... in jus vocatum esse
Gaj. IV.
46, in dem contra edictum steckte der Stoff zur Vertheidigung
(z. B. L. 11 de in jus 2. 4), ebenso bei den possessorischen Interdicten
.. possidetis nec vi nec clam nec precario alter ab altero (L. 1
pr. uti poss.
43. 17).

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
wöhnt hatte die Bezeichnung eines jus zu erblicken (Note 44),
es erübrigte ihm folglich nur die Faſſung, welche wir oben zurück-
gewieſen haben, die der „actiones in factum“. Die Formel lau-
tete auf die Thatſache (factum), auf welche der Anſpruch des
Klägers ſich gründete, und zwar, da dieſe Thatſache regelmäßig
der Vergangenheit angehört, im Gegenſatz zu dem Infinitiv
Präſentis des Civilrechts im Infinitiv perfecti. 45) Um hier nun
den Beklagten, welcher die angegebene Entſtehung des kläge-
riſchen Anſpruchs zwar einräumte, aber die ſpätere Aufhebung
deſſelben behauptete, Raum zu dieſer Behauptung zu geben,
mußte natürlich der Formel ein darauf gerichteter Zuſatz als
zweites Glied einverleibt werden. Die actiones in factum waren
daher in der Regel zweigliedrig, ſie enthielten zwei Fragen:
eine im Intereſſe des Klägers — das Klagfundament — eine
im Intereſſe des Beklagten, bald als negative Beſchränkung
des Klagfundaments, bald als exceptio gefaßt. 46) Einige For-
meln waren bloß eingliederig; hier ſteckte das nöthige Ver-
theidigungsmaterial ſchon im poſitiven Klagfundament. 47)

Wenn ich den ſo eben entwickelten Gegenſatz in der Faſſung

45) z. B. A. A. apud N. N. mensam deposuisse — convenisse
inter A. A. et N. N., ut res pignoris nomine obligata esset — patronum
in jus vocatum esse, Gaj. IV.
46, 47. Nur wo die Klage von einer
gegenwärtigen Thatſache abhing, z. B. beim interd. uti possidetis vom
gegenwärtigen Beſitz, ward natürlich das Präſens gebraucht: possidetis.
46) Beiſpiel der erſten Form: .. rem deposuisse (poſitiver Theil des
Klagfundaments) eamque dolo malo Ni Ni Ao Ao redditam non esse (ne-
gativer Theil). Beiſpiel beider Formen bei der act. hypothecaria: (Note 45)
obligata esset (poſitiver Theil) eamque pecuniam solutam non esse
neque eo nomine satisdatum esse neque per A. A. stetisse, quominus sol-
veretur
(nach Bachofen Pfandrecht I. S. 49 — negativer Theil) si non
voluntate creditoris veniit (exceptio, L. 8 §. 9 quib. mod. pig.
20. 6).
47) z. B. .. patronum contra edictum … in jus vocatum esse
Gaj. IV.
46, in dem contra edictum ſteckte der Stoff zur Vertheidigung
(z. B. L. 11 de in jus 2. 4), ebenſo bei den poſſeſſoriſchen Interdicten
.. possidetis nec vi nec clam nec precario alter ab altero (L. 1
pr. uti poss.
43. 17).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0074" n="58"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/>
wöhnt hatte die Bezeichnung eines <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">jus</hi></hi> zu erblicken (Note 44),<lb/>
es erübrigte ihm folglich nur die Fa&#x017F;&#x017F;ung, welche wir oben zurück-<lb/>
gewie&#x017F;en haben, die der <hi rendition="#aq">&#x201E;actiones in factum&#x201C;</hi>. Die Formel lau-<lb/>
tete auf die <hi rendition="#g">That&#x017F;ache</hi> <hi rendition="#aq">(factum)</hi>, auf welche der An&#x017F;pruch des<lb/>
Klägers &#x017F;ich gründete, und zwar, da die&#x017F;e That&#x017F;ache regelmäßig<lb/>
der <hi rendition="#g">Vergangenheit</hi> angehört, im Gegen&#x017F;atz zu dem Infinitiv<lb/>
Prä&#x017F;entis des Civilrechts im Infinitiv perfecti. <note place="foot" n="45)">z. B. <hi rendition="#aq">A. A. apud N. N. mensam <hi rendition="#g">deposuisse &#x2014; convenisse</hi><lb/>
inter A. A. et N. N., ut res pignoris nomine obligata esset &#x2014; patronum<lb/>
in jus <hi rendition="#g">vocatum esse</hi>, Gaj. IV.</hi> 46, 47. Nur wo die Klage von einer<lb/><hi rendition="#g">gegenwärtigen</hi> That&#x017F;ache abhing, z. B. beim <hi rendition="#aq">interd. uti possidetis</hi> vom<lb/>
gegenwärtigen Be&#x017F;itz, ward natürlich das Prä&#x017F;ens gebraucht: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">possidetis</hi>.</hi></note> Um hier nun<lb/>
den Beklagten, welcher die angegebene <hi rendition="#g">Ent&#x017F;tehung</hi> des kläge-<lb/>
ri&#x017F;chen An&#x017F;pruchs zwar einräumte, aber die &#x017F;pätere <hi rendition="#g">Aufhebung</hi><lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben behauptete, Raum zu die&#x017F;er Behauptung zu geben,<lb/>
mußte natürlich der Formel ein darauf gerichteter Zu&#x017F;atz als<lb/>
zweites Glied einverleibt werden. Die <hi rendition="#aq">actiones in factum</hi> waren<lb/>
daher in der Regel <hi rendition="#g">zweigliedrig</hi>, &#x017F;ie enthielten <hi rendition="#g">zwei</hi> Fragen:<lb/><hi rendition="#g">eine</hi> im Intere&#x017F;&#x017F;e des Klägers &#x2014; das Klagfundament &#x2014; <hi rendition="#g">eine</hi><lb/>
im Intere&#x017F;&#x017F;e des Beklagten, bald als <hi rendition="#g">negative</hi> Be&#x017F;chränkung<lb/>
des Klagfundaments, bald als <hi rendition="#aq">exceptio</hi> gefaßt. <note place="foot" n="46)">Bei&#x017F;piel der er&#x017F;ten Form: .. <hi rendition="#aq">rem deposuisse</hi> (po&#x017F;itiver Theil des<lb/>
Klagfundaments) <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">eamque</hi> dolo malo Ni Ni Ao Ao redditam non esse</hi> (ne-<lb/>
gativer Theil). Bei&#x017F;piel beider Formen bei der <hi rendition="#aq">act. hypothecaria:</hi> (Note 45)<lb/>
&#x2026; <hi rendition="#aq">obligata esset</hi> (<hi rendition="#g">po&#x017F;itiver</hi> Theil) <hi rendition="#aq">eamque pecuniam solutam non esse<lb/>
neque eo nomine satisdatum esse neque per A. A. stetisse, quominus sol-<lb/>
veretur</hi> (nach <hi rendition="#g">Bachofen</hi> Pfandrecht <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 49 &#x2014; <hi rendition="#g">negativer</hi> Theil) <hi rendition="#aq">si non<lb/>
voluntate creditoris veniit (<hi rendition="#g">exceptio</hi>, L. 8 §. 9 quib. mod. pig.</hi> 20. 6).</note> Einige For-<lb/>
meln waren bloß <hi rendition="#g">eingliederig</hi>; hier &#x017F;teckte das nöthige Ver-<lb/>
theidigungsmaterial &#x017F;chon im po&#x017F;itiven Klagfundament. <note place="foot" n="47)">z. B. .. <hi rendition="#aq">patronum <hi rendition="#g">contra edictum</hi> &#x2026; in jus vocatum esse<lb/>
Gaj. IV.</hi> 46, in dem <hi rendition="#aq">contra edictum</hi> &#x017F;teckte der Stoff zur Vertheidigung<lb/>
(z. B. <hi rendition="#aq">L. 11 de in jus</hi> 2. 4), eben&#x017F;o bei den po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ori&#x017F;chen Interdicten<lb/>
.. <hi rendition="#aq">possidetis <hi rendition="#g">nec vi nec clam nec precario</hi> alter ab altero (L. 1<lb/>
pr. uti poss.</hi> 43. 17).</note></p><lb/>
                        <p>Wenn ich den &#x017F;o eben entwickelten Gegen&#x017F;atz in der Fa&#x017F;&#x017F;ung<lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0074] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. wöhnt hatte die Bezeichnung eines jus zu erblicken (Note 44), es erübrigte ihm folglich nur die Faſſung, welche wir oben zurück- gewieſen haben, die der „actiones in factum“. Die Formel lau- tete auf die Thatſache (factum), auf welche der Anſpruch des Klägers ſich gründete, und zwar, da dieſe Thatſache regelmäßig der Vergangenheit angehört, im Gegenſatz zu dem Infinitiv Präſentis des Civilrechts im Infinitiv perfecti. 45) Um hier nun den Beklagten, welcher die angegebene Entſtehung des kläge- riſchen Anſpruchs zwar einräumte, aber die ſpätere Aufhebung deſſelben behauptete, Raum zu dieſer Behauptung zu geben, mußte natürlich der Formel ein darauf gerichteter Zuſatz als zweites Glied einverleibt werden. Die actiones in factum waren daher in der Regel zweigliedrig, ſie enthielten zwei Fragen: eine im Intereſſe des Klägers — das Klagfundament — eine im Intereſſe des Beklagten, bald als negative Beſchränkung des Klagfundaments, bald als exceptio gefaßt. 46) Einige For- meln waren bloß eingliederig; hier ſteckte das nöthige Ver- theidigungsmaterial ſchon im poſitiven Klagfundament. 47) Wenn ich den ſo eben entwickelten Gegenſatz in der Faſſung 45) z. B. A. A. apud N. N. mensam deposuisse — convenisse inter A. A. et N. N., ut res pignoris nomine obligata esset — patronum in jus vocatum esse, Gaj. IV. 46, 47. Nur wo die Klage von einer gegenwärtigen Thatſache abhing, z. B. beim interd. uti possidetis vom gegenwärtigen Beſitz, ward natürlich das Präſens gebraucht: possidetis. 46) Beiſpiel der erſten Form: .. rem deposuisse (poſitiver Theil des Klagfundaments) eamque dolo malo Ni Ni Ao Ao redditam non esse (ne- gativer Theil). Beiſpiel beider Formen bei der act. hypothecaria: (Note 45) … obligata esset (poſitiver Theil) eamque pecuniam solutam non esse neque eo nomine satisdatum esse neque per A. A. stetisse, quominus sol- veretur (nach Bachofen Pfandrecht I. S. 49 — negativer Theil) si non voluntate creditoris veniit (exceptio, L. 8 §. 9 quib. mod. pig. 20. 6). 47) z. B. .. patronum contra edictum … in jus vocatum esse Gaj. IV. 46, in dem contra edictum ſteckte der Stoff zur Vertheidigung (z. B. L. 11 de in jus 2. 4), ebenſo bei den poſſeſſoriſchen Interdicten .. possidetis nec vi nec clam nec precario alter ab altero (L. 1 pr. uti poss. 43. 17).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/74
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/74>, abgerufen am 03.05.2024.