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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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A. Der Proceß. Individualitätsmoment der Obligation. §. 51.
einen und denselben äußern Akt: das Delict, ins Leben gerufen,
allein der obligatorische Grund beider ist verschieden, bei der
einen, der Pönal-Klage, besteht er in dem Delict, bei der an-
dern hingegen in der durch das Delict bewirkten Vermögens-
veränderung, zu der sich das Delict selbst bloß als äußere Ver-
anlassung
verhält, und welche, wie sie ohne Delict vorkom-
men, so auch umgekehrt bei letzterem fehlen kann. Trotz dieser
Verschiedenheit des Gesichtspunktes, der ihnen beiden zu Grunde
liegt, wäre ein Grund zur Aufstellung zweier Klagen, wenn
beide nur im übrigen ganz denselben Weg gehen würden, hier eben
so wenig vorhanden gewesen, wie z. B. bei der act. pro socio,
mandati, tutelae
rücksichtlich der verschiedenen Posten, welche sie
umfassen können (Herausgabe der erhobenen Gelder, Schadens-
ersatz für culpa u. a.), und von denen im einzelnen Fall der eine
Posten ohne den andern vorkommen kann. Allein diese letzteren
Posten gehen, wenn sie vorhanden sind, stets dieselben Wege,
erleiden dieselben Schicksale, jene beiden Ansprüche dagegen sind
nicht aneinander gekettet, der eine erlischt mit dem Tode des
Schuldigen, der andere wird auf seine Erben transmittirt, der
eine verjährt unter Umständen schon in einem Jahre, der andere
nach früherem Recht gar nicht, nach späterem erst in längerer
Zeit. Hatte man einmal für beide Ansprüche solche Verschieden-
heiten statuirt, so verstand sich in der correcten Sprache des älte-
ren Rechts die Bezeichnung derselben als zweier Klagen von
selbst, denn wie hätte der Richter mit Ja oder Nein antworten
sollen, wenn er sich überzeugt hätte, daß der Anspruch auf die Strafe
bereits verjährt war, der reipersequutorische dagegen noch nicht.
Das spätere Recht freilich fand nichts Anstößiges darin, eine
Delictsklage in ihrer Richtung auf die Strafe mit dem Tod oder
Ablauf der Verjährungsfrist untergehen, in Richtung auf die
Sache aber fortdauern zu lassen, 24) -- eine Erscheinung, die

24) Quatenus ad heredes pervenit L. 19 quod metus (4. 2) L. 17
§. 1 L. 26 de dolo (4. 3) L. 23 §. 8 ad leg. Aq. (9. 2)
u. a.

A. Der Proceß. Individualitätsmoment der Obligation. §. 51.
einen und denſelben äußern Akt: das Delict, ins Leben gerufen,
allein der obligatoriſche Grund beider iſt verſchieden, bei der
einen, der Pönal-Klage, beſteht er in dem Delict, bei der an-
dern hingegen in der durch das Delict bewirkten Vermögens-
veränderung, zu der ſich das Delict ſelbſt bloß als äußere Ver-
anlaſſung
verhält, und welche, wie ſie ohne Delict vorkom-
men, ſo auch umgekehrt bei letzterem fehlen kann. Trotz dieſer
Verſchiedenheit des Geſichtspunktes, der ihnen beiden zu Grunde
liegt, wäre ein Grund zur Aufſtellung zweier Klagen, wenn
beide nur im übrigen ganz denſelben Weg gehen würden, hier eben
ſo wenig vorhanden geweſen, wie z. B. bei der act. pro socio,
mandati, tutelae
rückſichtlich der verſchiedenen Poſten, welche ſie
umfaſſen können (Herausgabe der erhobenen Gelder, Schadens-
erſatz für culpa u. a.), und von denen im einzelnen Fall der eine
Poſten ohne den andern vorkommen kann. Allein dieſe letzteren
Poſten gehen, wenn ſie vorhanden ſind, ſtets dieſelben Wege,
erleiden dieſelben Schickſale, jene beiden Anſprüche dagegen ſind
nicht aneinander gekettet, der eine erliſcht mit dem Tode des
Schuldigen, der andere wird auf ſeine Erben transmittirt, der
eine verjährt unter Umſtänden ſchon in einem Jahre, der andere
nach früherem Recht gar nicht, nach ſpäterem erſt in längerer
Zeit. Hatte man einmal für beide Anſprüche ſolche Verſchieden-
heiten ſtatuirt, ſo verſtand ſich in der correcten Sprache des älte-
ren Rechts die Bezeichnung derſelben als zweier Klagen von
ſelbſt, denn wie hätte der Richter mit Ja oder Nein antworten
ſollen, wenn er ſich überzeugt hätte, daß der Anſpruch auf die Strafe
bereits verjährt war, der reiperſequutoriſche dagegen noch nicht.
Das ſpätere Recht freilich fand nichts Anſtößiges darin, eine
Delictsklage in ihrer Richtung auf die Strafe mit dem Tod oder
Ablauf der Verjährungsfriſt untergehen, in Richtung auf die
Sache aber fortdauern zu laſſen, 24) — eine Erſcheinung, die

24) Quatenus ad heredes pervenit L. 19 quod metus (4. 2) L. 17
§. 1 L. 26 de dolo (4. 3) L. 23 §. 8 ad leg. Aq. (9. 2)
u. a.
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[41/0057] A. Der Proceß. Individualitätsmoment der Obligation. §. 51. einen und denſelben äußern Akt: das Delict, ins Leben gerufen, allein der obligatoriſche Grund beider iſt verſchieden, bei der einen, der Pönal-Klage, beſteht er in dem Delict, bei der an- dern hingegen in der durch das Delict bewirkten Vermögens- veränderung, zu der ſich das Delict ſelbſt bloß als äußere Ver- anlaſſung verhält, und welche, wie ſie ohne Delict vorkom- men, ſo auch umgekehrt bei letzterem fehlen kann. Trotz dieſer Verſchiedenheit des Geſichtspunktes, der ihnen beiden zu Grunde liegt, wäre ein Grund zur Aufſtellung zweier Klagen, wenn beide nur im übrigen ganz denſelben Weg gehen würden, hier eben ſo wenig vorhanden geweſen, wie z. B. bei der act. pro socio, mandati, tutelae rückſichtlich der verſchiedenen Poſten, welche ſie umfaſſen können (Herausgabe der erhobenen Gelder, Schadens- erſatz für culpa u. a.), und von denen im einzelnen Fall der eine Poſten ohne den andern vorkommen kann. Allein dieſe letzteren Poſten gehen, wenn ſie vorhanden ſind, ſtets dieſelben Wege, erleiden dieſelben Schickſale, jene beiden Anſprüche dagegen ſind nicht aneinander gekettet, der eine erliſcht mit dem Tode des Schuldigen, der andere wird auf ſeine Erben transmittirt, der eine verjährt unter Umſtänden ſchon in einem Jahre, der andere nach früherem Recht gar nicht, nach ſpäterem erſt in längerer Zeit. Hatte man einmal für beide Anſprüche ſolche Verſchieden- heiten ſtatuirt, ſo verſtand ſich in der correcten Sprache des älte- ren Rechts die Bezeichnung derſelben als zweier Klagen von ſelbſt, denn wie hätte der Richter mit Ja oder Nein antworten ſollen, wenn er ſich überzeugt hätte, daß der Anſpruch auf die Strafe bereits verjährt war, der reiperſequutoriſche dagegen noch nicht. Das ſpätere Recht freilich fand nichts Anſtößiges darin, eine Delictsklage in ihrer Richtung auf die Strafe mit dem Tod oder Ablauf der Verjährungsfriſt untergehen, in Richtung auf die Sache aber fortdauern zu laſſen, 24) — eine Erſcheinung, die 24) Quatenus ad heredes pervenit L. 19 quod metus (4. 2) L. 17 §. 1 L. 26 de dolo (4. 3) L. 23 §. 8 ad leg. Aq. (9. 2) u. a.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/57>, abgerufen am 09.10.2024.