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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
2. der Angriff, die Klage (§. 51);
3. die Vertheidigung (§. 52);
B. im Rechtsgeschäft (§. 53); sodann zweitens
II. die abstracte Analyse oder die Zersetzung innerhalb der
juristischen Begriffswelt, und zwar
1. das Alphabet des ältern Rechts (§. 54) und
2. die analytischen Grundgedanken (§. 55).
A. Der Proceß.
1. Analytischer Mechanismus desselben.

Relativ frühe Entwicklung des Processes -- Antheil des analyti-
schen Gedankens an der Organisation des altrömischen Processes
-- Der Zersetzungszwang des Actionensystems -- Fixirung des
Moments der Litis-Contestation -- Idee der processualischen
Cäsur.

Illud enim video in hoc foro fieri ... separan-
tur actiones et de eo agimus, et de eo nobiscum
agitur. Non confunditur formula, si qui apud me
pecuniam deposuerit, idem mihi postea furtum fe-
cerit et ego cum illo furti agam et ille mecum de-
positi ... Lex legi non miscetur, utraque sua via
it, depositum habet actionem propriam tam me-
hercule quam furtum.

Seneca de benef. VI 5. 6.

L. Wozu bedarf der Civil-Proceß eines "Mechanismus"?
Was hat die Gesetzgebung nöthig über das processualische Ver-
fahren Bestimmungen zu erlassen? Offenbar können dieselben
doch nicht den Zweck haben, die Auffindung der Wahrheit zu
erschweren, sondern sie zu fördern, indem sie den zweckmäßig-
sten
Weg dafür festsetzen; warum aber die Partheien zwin-
gen
, diesen Weg einzuschlagen, da ihr eignes Interesse von selbst
sie dazu veranlassen wird? So scheint der Proceß d. i. der durch
gesetzliche Vorschriften geregelte Gang der Verhandlung und
Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten nur ein Ausfluß der poli-
zeilichen Bevormundungstheorie zu sein.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
2. der Angriff, die Klage (§. 51);
3. die Vertheidigung (§. 52);
B. im Rechtsgeſchäft (§. 53); ſodann zweitens
II. die abſtracte Analyſe oder die Zerſetzung innerhalb der
juriſtiſchen Begriffswelt, und zwar
1. das Alphabet des ältern Rechts (§. 54) und
2. die analytiſchen Grundgedanken (§. 55).
A. Der Proceß.
1. Analytiſcher Mechanismus deſſelben.

Relativ frühe Entwicklung des Proceſſes — Antheil des analyti-
ſchen Gedankens an der Organiſation des altrömiſchen Proceſſes
— Der Zerſetzungszwang des Actionenſyſtems — Fixirung des
Moments der Litis-Conteſtation — Idee der proceſſualiſchen
Cäſur.

Illud enim video in hoc foro fieri … separan-
tur actiones et de eo agimus, et de eo nobiscum
agitur. Non confunditur formula, si qui apud me
pecuniam deposuerit, idem mihi postea furtum fe-
cerit et ego cum illo furti agam et ille mecum de-
positi … Lex legi non miscetur, utraque sua via
it, depositum habet actionem propriam tam me-
hercule quam furtum.

Seneca de benef. VI 5. 6.

L. Wozu bedarf der Civil-Proceß eines „Mechanismus“?
Was hat die Geſetzgebung nöthig über das proceſſualiſche Ver-
fahren Beſtimmungen zu erlaſſen? Offenbar können dieſelben
doch nicht den Zweck haben, die Auffindung der Wahrheit zu
erſchweren, ſondern ſie zu fördern, indem ſie den zweckmäßig-
ſten
Weg dafür feſtſetzen; warum aber die Partheien zwin-
gen
, dieſen Weg einzuſchlagen, da ihr eignes Intereſſe von ſelbſt
ſie dazu veranlaſſen wird? So ſcheint der Proceß d. i. der durch
geſetzliche Vorſchriften geregelte Gang der Verhandlung und
Entſcheidung von Rechtsſtreitigkeiten nur ein Ausfluß der poli-
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[16/0032] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. 2. der Angriff, die Klage (§. 51); 3. die Vertheidigung (§. 52); B. im Rechtsgeſchäft (§. 53); ſodann zweitens II. die abſtracte Analyſe oder die Zerſetzung innerhalb der juriſtiſchen Begriffswelt, und zwar 1. das Alphabet des ältern Rechts (§. 54) und 2. die analytiſchen Grundgedanken (§. 55). A. Der Proceß. 1. Analytiſcher Mechanismus deſſelben. Relativ frühe Entwicklung des Proceſſes — Antheil des analyti- ſchen Gedankens an der Organiſation des altrömiſchen Proceſſes — Der Zerſetzungszwang des Actionenſyſtems — Fixirung des Moments der Litis-Conteſtation — Idee der proceſſualiſchen Cäſur. Illud enim video in hoc foro fieri … separan- tur actiones et de eo agimus, et de eo nobiscum agitur. Non confunditur formula, si qui apud me pecuniam deposuerit, idem mihi postea furtum fe- cerit et ego cum illo furti agam et ille mecum de- positi … Lex legi non miscetur, utraque sua via it, depositum habet actionem propriam tam me- hercule quam furtum. Seneca de benef. VI 5. 6. L. Wozu bedarf der Civil-Proceß eines „Mechanismus“? Was hat die Geſetzgebung nöthig über das proceſſualiſche Ver- fahren Beſtimmungen zu erlaſſen? Offenbar können dieſelben doch nicht den Zweck haben, die Auffindung der Wahrheit zu erſchweren, ſondern ſie zu fördern, indem ſie den zweckmäßig- ſten Weg dafür feſtſetzen; warum aber die Partheien zwin- gen, dieſen Weg einzuſchlagen, da ihr eignes Intereſſe von ſelbſt ſie dazu veranlaſſen wird? So ſcheint der Proceß d. i. der durch geſetzliche Vorſchriften geregelte Gang der Verhandlung und Entſcheidung von Rechtsſtreitigkeiten nur ein Ausfluß der poli- zeilichen Bevormundungstheorie zu ſein.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/32>, abgerufen am 28.03.2024.