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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
act. institoria und exercitoria an, indem er diese Klagen gegen
jeden Gesellschafter in solidum gab.

Die geschilderte Form reichte bei einer kleinen Zahl der Theil-
nehmer aus, bei ganzen Gemeinden, bei Corporationen, bei den
Gesellschaften der Publikanen enthielt sie eine Unmöglichkeit.
Hier bedurfte es einer andern Form, und dies ist die bekannte
der juristischen Person. In welcher Gestalt sich die Römer die-
sen Begriff juristisch gedacht haben, ob bereits in jener ganz
abstracten, über das Praktische des Verhältnisses so leicht irre
führenden Weise, die uns heutzutage zur zweiten Natur gewor-
den ist, mag hier dahin gestellt bleiben; für unsern Zweck ge-
nügt es, die beiden Momente zu constatiren, in denen das eigent-
lich praktische Wesen dieses Begriffs beschlossen liegt, das über
jener rein doctrinären Frage nur zu oft übersehen wird. Das
ist aber in meinen Augen erstens der Satz, daß nach innen
hin die einzelnen Mitglieder der juristischen Person die Berech-
tigten sind -- eine Behauptung, die ich zwar erst an anderer
Stelle rationell begründen kann, für die aber hier schon die
bloße Verweisung auf die Publikanenvereine, von denen schwer-
lich Jemand das Gegentheil annehmen wird, einen ausreichen-
den Beweis liefern möchte. Zweitens die Thatsache, daß
nach außen hin nicht die einzelnen Mitglieder nach Maßgabe
ihres Antheilverhältnisses als Subjecte des Rechts auftreten,
sondern die als Trägerin aller Theilrechte, als Inbegriff aller
berechtigten Personen gedachte Gesammtheit. Der hier zur An-
wendung gelangende Mechanismus ist demnach technisch ganz
derselbe, wie in dem obigen Verhältniß; hier wie dort ein künst-
licher Rechtsträger, nur daß der eine leibliche, der andere bloß
begriffliche Existenz hat. Entkleidet man das Verhältniß von
dieser seiner Form, so bleibt als realer Kern übrig: Geltend-
machung der Ansprüche im Namen derer, "die es angeht" (ad
quos pertinet
) -- wer die sind, braucht nicht gesagt zu werden,
das ist eine ausschließlich innere Frage, die die Mitglieder unter
sich ausmachen, in derselben Weise, wie bei der Correalobligation.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
act. institoria und exercitoria an, indem er dieſe Klagen gegen
jeden Geſellſchafter in solidum gab.

Die geſchilderte Form reichte bei einer kleinen Zahl der Theil-
nehmer aus, bei ganzen Gemeinden, bei Corporationen, bei den
Geſellſchaften der Publikanen enthielt ſie eine Unmöglichkeit.
Hier bedurfte es einer andern Form, und dies iſt die bekannte
der juriſtiſchen Perſon. In welcher Geſtalt ſich die Römer die-
ſen Begriff juriſtiſch gedacht haben, ob bereits in jener ganz
abſtracten, über das Praktiſche des Verhältniſſes ſo leicht irre
führenden Weiſe, die uns heutzutage zur zweiten Natur gewor-
den iſt, mag hier dahin geſtellt bleiben; für unſern Zweck ge-
nügt es, die beiden Momente zu conſtatiren, in denen das eigent-
lich praktiſche Weſen dieſes Begriffs beſchloſſen liegt, das über
jener rein doctrinären Frage nur zu oft überſehen wird. Das
iſt aber in meinen Augen erſtens der Satz, daß nach innen
hin die einzelnen Mitglieder der juriſtiſchen Perſon die Berech-
tigten ſind — eine Behauptung, die ich zwar erſt an anderer
Stelle rationell begründen kann, für die aber hier ſchon die
bloße Verweiſung auf die Publikanenvereine, von denen ſchwer-
lich Jemand das Gegentheil annehmen wird, einen ausreichen-
den Beweis liefern möchte. Zweitens die Thatſache, daß
nach außen hin nicht die einzelnen Mitglieder nach Maßgabe
ihres Antheilverhältniſſes als Subjecte des Rechts auftreten,
ſondern die als Trägerin aller Theilrechte, als Inbegriff aller
berechtigten Perſonen gedachte Geſammtheit. Der hier zur An-
wendung gelangende Mechanismus iſt demnach techniſch ganz
derſelbe, wie in dem obigen Verhältniß; hier wie dort ein künſt-
licher Rechtsträger, nur daß der eine leibliche, der andere bloß
begriffliche Exiſtenz hat. Entkleidet man das Verhältniß von
dieſer ſeiner Form, ſo bleibt als realer Kern übrig: Geltend-
machung der Anſprüche im Namen derer, „die es angeht“ (ad
quos pertinet
) — wer die ſind, braucht nicht geſagt zu werden,
das iſt eine ausſchließlich innere Frage, die die Mitglieder unter
ſich ausmachen, in derſelben Weiſe, wie bei der Correalobligation.

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[212/0228] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. act. institoria und exercitoria an, indem er dieſe Klagen gegen jeden Geſellſchafter in solidum gab. Die geſchilderte Form reichte bei einer kleinen Zahl der Theil- nehmer aus, bei ganzen Gemeinden, bei Corporationen, bei den Geſellſchaften der Publikanen enthielt ſie eine Unmöglichkeit. Hier bedurfte es einer andern Form, und dies iſt die bekannte der juriſtiſchen Perſon. In welcher Geſtalt ſich die Römer die- ſen Begriff juriſtiſch gedacht haben, ob bereits in jener ganz abſtracten, über das Praktiſche des Verhältniſſes ſo leicht irre führenden Weiſe, die uns heutzutage zur zweiten Natur gewor- den iſt, mag hier dahin geſtellt bleiben; für unſern Zweck ge- nügt es, die beiden Momente zu conſtatiren, in denen das eigent- lich praktiſche Weſen dieſes Begriffs beſchloſſen liegt, das über jener rein doctrinären Frage nur zu oft überſehen wird. Das iſt aber in meinen Augen erſtens der Satz, daß nach innen hin die einzelnen Mitglieder der juriſtiſchen Perſon die Berech- tigten ſind — eine Behauptung, die ich zwar erſt an anderer Stelle rationell begründen kann, für die aber hier ſchon die bloße Verweiſung auf die Publikanenvereine, von denen ſchwer- lich Jemand das Gegentheil annehmen wird, einen ausreichen- den Beweis liefern möchte. Zweitens die Thatſache, daß nach außen hin nicht die einzelnen Mitglieder nach Maßgabe ihres Antheilverhältniſſes als Subjecte des Rechts auftreten, ſondern die als Trägerin aller Theilrechte, als Inbegriff aller berechtigten Perſonen gedachte Geſammtheit. Der hier zur An- wendung gelangende Mechanismus iſt demnach techniſch ganz derſelbe, wie in dem obigen Verhältniß; hier wie dort ein künſt- licher Rechtsträger, nur daß der eine leibliche, der andere bloß begriffliche Exiſtenz hat. Entkleidet man das Verhältniß von dieſer ſeiner Form, ſo bleibt als realer Kern übrig: Geltend- machung der Anſprüche im Namen derer, „die es angeht“ (ad quos pertinet) — wer die ſind, braucht nicht geſagt zu werden, das iſt eine ausſchließlich innere Frage, die die Mitglieder unter ſich ausmachen, in derſelben Weiſe, wie bei der Correalobligation.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/228>, abgerufen am 28.11.2024.