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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.

Die Formen, in denen der Begriff der abstracten Obligation
im römischen Recht sich verwirklicht hat, sind das Nexum, der
Literalcontract, die Stipulation und eine vierte problematische
Form. Die beiden ersten correspondiren der mancipatio, sie
tragen das Causalmoment, das sie der Sache nach ausgeschie-
den, als Formelement noch in sich, indem sie nämlich die Ver-
pflichtung des Schuldners durch die Fiction eines Darlehns mo-
tiviren. Im Nexum geschieht dies nach Art der mancipatio in
plastischer Weise mittelst scheinbaren Zuwägens des Geldes, im
Literalcontract hat sich die Imitation des Darlehns nach Art der
Valutaclausel beim Wechsel zu einer bloßen schriftlichen Beur-
kundung desselben in den Hausbüchern (acceptum und expen-
sum ferre
) abgeschwächt. Erst in der Stipulation erreicht die
abstracte Obligation die Höhe, die die abstracte Eigenthums-
übertragung in der in jure cessio erreicht hat, d. h. auch die
rein nominelle Anknüpfung an das ihr unterliegende Geschäft
ist verschwunden -- ein Fortschritt in der Form, wie bei unserm
Wechsel der durch die deutsche Wechselordnung stillschweigend
angeordnete Wegfall der Valutaclausel. Nur bei der Aufhe-
bung
der Stipulationsschuld durch acceptilatio repetirt der
obige Gedanke, von dem die Stipulation selber sich bereits frei
gemacht hat; Frage und Antwort lauten nicht auf dare non
oportere,
sondern gleich dem heutigen Schulderlaß mittelst
Quittirung auf "acceptum habere".

Zu den bisher genannten Formen der abstracten Obligation,
von denen die beiden ersten im neuern Recht völlig verschwun-
den, die dritte aber, wenn auch äußerlich beibehalten, doch durch
Zulassung des Causalmoments in Form der exceptio doli ihren

opponi, cessat in persona creditoris, cui quis delegatus est, idemque
est in ceteris similibus exceptionibus. L. 78 §. 5 de J. D.
(23. 3). Die
neueren Juristen ließen eine Ausnahme zu, die sich aber auch beim
Eigenthum wiederholt
, nämlich wenn der Uebergang in die zweite
Hand auf Grund einer Schenkung erfolgt war. Vergl. L. 7 pr. de doli exc.
(44. 4) mit L. 4 §. 29 ibid.
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.

Die Formen, in denen der Begriff der abſtracten Obligation
im römiſchen Recht ſich verwirklicht hat, ſind das Nexum, der
Literalcontract, die Stipulation und eine vierte problematiſche
Form. Die beiden erſten correſpondiren der mancipatio, ſie
tragen das Cauſalmoment, das ſie der Sache nach ausgeſchie-
den, als Formelement noch in ſich, indem ſie nämlich die Ver-
pflichtung des Schuldners durch die Fiction eines Darlehns mo-
tiviren. Im Nexum geſchieht dies nach Art der mancipatio in
plaſtiſcher Weiſe mittelſt ſcheinbaren Zuwägens des Geldes, im
Literalcontract hat ſich die Imitation des Darlehns nach Art der
Valutaclauſel beim Wechſel zu einer bloßen ſchriftlichen Beur-
kundung deſſelben in den Hausbüchern (acceptum und expen-
sum ferre
) abgeſchwächt. Erſt in der Stipulation erreicht die
abſtracte Obligation die Höhe, die die abſtracte Eigenthums-
übertragung in der in jure cessio erreicht hat, d. h. auch die
rein nominelle Anknüpfung an das ihr unterliegende Geſchäft
iſt verſchwunden — ein Fortſchritt in der Form, wie bei unſerm
Wechſel der durch die deutſche Wechſelordnung ſtillſchweigend
angeordnete Wegfall der Valutaclauſel. Nur bei der Aufhe-
bung
der Stipulationsſchuld durch acceptilatio repetirt der
obige Gedanke, von dem die Stipulation ſelber ſich bereits frei
gemacht hat; Frage und Antwort lauten nicht auf dare non
oportere,
ſondern gleich dem heutigen Schulderlaß mittelſt
Quittirung auf „acceptum habere“.

Zu den bisher genannten Formen der abſtracten Obligation,
von denen die beiden erſten im neuern Recht völlig verſchwun-
den, die dritte aber, wenn auch äußerlich beibehalten, doch durch
Zulaſſung des Cauſalmoments in Form der exceptio doli ihren

opponi, cessat in persona creditoris, cui quis delegatus est, idemque
est in ceteris similibus exceptionibus. L. 78 §. 5 de J. D.
(23. 3). Die
neueren Juriſten ließen eine Ausnahme zu, die ſich aber auch beim
Eigenthum wiederholt
, nämlich wenn der Uebergang in die zweite
Hand auf Grund einer Schenkung erfolgt war. Vergl. L. 7 pr. de doli exc.
(44. 4) mit L. 4 §. 29 ibid.
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[206/0222] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. Die Formen, in denen der Begriff der abſtracten Obligation im römiſchen Recht ſich verwirklicht hat, ſind das Nexum, der Literalcontract, die Stipulation und eine vierte problematiſche Form. Die beiden erſten correſpondiren der mancipatio, ſie tragen das Cauſalmoment, das ſie der Sache nach ausgeſchie- den, als Formelement noch in ſich, indem ſie nämlich die Ver- pflichtung des Schuldners durch die Fiction eines Darlehns mo- tiviren. Im Nexum geſchieht dies nach Art der mancipatio in plaſtiſcher Weiſe mittelſt ſcheinbaren Zuwägens des Geldes, im Literalcontract hat ſich die Imitation des Darlehns nach Art der Valutaclauſel beim Wechſel zu einer bloßen ſchriftlichen Beur- kundung deſſelben in den Hausbüchern (acceptum und expen- sum ferre) abgeſchwächt. Erſt in der Stipulation erreicht die abſtracte Obligation die Höhe, die die abſtracte Eigenthums- übertragung in der in jure cessio erreicht hat, d. h. auch die rein nominelle Anknüpfung an das ihr unterliegende Geſchäft iſt verſchwunden — ein Fortſchritt in der Form, wie bei unſerm Wechſel der durch die deutſche Wechſelordnung ſtillſchweigend angeordnete Wegfall der Valutaclauſel. Nur bei der Aufhe- bung der Stipulationsſchuld durch acceptilatio repetirt der obige Gedanke, von dem die Stipulation ſelber ſich bereits frei gemacht hat; Frage und Antwort lauten nicht auf dare non oportere, ſondern gleich dem heutigen Schulderlaß mittelſt Quittirung auf „acceptum habere“. Zu den bisher genannten Formen der abſtracten Obligation, von denen die beiden erſten im neuern Recht völlig verſchwun- den, die dritte aber, wenn auch äußerlich beibehalten, doch durch Zulaſſung des Cauſalmoments in Form der exceptio doli ihren 267) 267) opponi, cessat in persona creditoris, cui quis delegatus est, idemque est in ceteris similibus exceptionibus. L. 78 §. 5 de J. D. (23. 3). Die neueren Juriſten ließen eine Ausnahme zu, die ſich aber auch beim Eigenthum wiederholt, nämlich wenn der Uebergang in die zweite Hand auf Grund einer Schenkung erfolgt war. Vergl. L. 7 pr. de doli exc. (44. 4) mit L. 4 §. 29 ibid.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/222>, abgerufen am 05.12.2024.