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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
jedenfalls geht daraus, daß wegen dieser Früchte nach beendig-
tem Hauptproceß 238) ein besonderes Schätzungsgericht von drei
Sachverständigen (tres arbitri) bestellt wurde, soviel hervor, daß
dieser Posten nicht der Cognition des Richters in der Hauptsache
unterlag, und sowohl die Strafe des Doppelten als die beim
Diebstahl technischen Worte "damnum decidere" deuten auf
das furtum nec manifestum hin.

Gegen positive Beschädigungen der Sache von Seiten des
Besitzers wäre der Gegner zwar durch andere Delictsklagen ge-
schützt gewesen,239) nicht aber gegen Deteriorationen durch Un-
terlassen.
In dieser Richtung bedurfte es daher jedenfalls
der Begründung eines besondern Obligationsverhältnisses. Sie
erfolgte durch Bestellung von Bürgen (praedes litis et vindicia-
rum
), welche dafür aufzukommen hatten, daß der Besitzer die
Sache in ordnungsmäßigem Stand halte und dem Urtheil Folge
leiste;240) wer sie nicht stellen konnte, hatte auf die Vindicien
keinen Anspruch. Die Realisirung dieses Obligationsanspruchs
geschah separat in einem besondern, ausschließlich gegen den
Bürgen (der Beklagte war juristisch gar nicht verpflichtet) ge-
richteten Verfahren, hatte also mit der reivind. Nichts gemein.

Die Beendigung des Processes durch Urtheil und Exe-
cution blieb ebenfalls dem Charakter der rein dinglichen Klage
treu. Im neuern Recht haben beide die Form der persönlichen
Klage angenommen. Die Verurtheilung erfolgt bei der petitoria
formula
auf Geld, also auf ein dare (nicht auf rem ejus esse)
-- eine Veränderung, die durch die vielerlei obligatorischen Zu-

238) Denn bevor nicht das Haupturtheil gesprochen, ließ sich nicht von
einem: vindiciam falsam tulisse reden.
239) z. B. durch die act. arborum furtim caesarum. Ebenso im spä-
tern Recht: L. 27 §. 2 de R. V. (6. 1) ... act. legis Aquiliae durat.
240) Auf ersteres beschränkt ihre Haftung Pseudo-Asc. (Orelli p. 191):
ne interea possessionem deteriorem faciat, tecta dissipet, excidat arbo-
res et culta deserat,
während Gajus IV. 16, 94 sie "litis et vindiciarum
i. e. rei et fructuum"
wegen haften läßt. Ueber die Natur dieser Verbind-
lichkeit wird besser an anderer Stelle zu handeln sein.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
jedenfalls geht daraus, daß wegen dieſer Früchte nach beendig-
tem Hauptproceß 238) ein beſonderes Schätzungsgericht von drei
Sachverſtändigen (tres arbitri) beſtellt wurde, ſoviel hervor, daß
dieſer Poſten nicht der Cognition des Richters in der Hauptſache
unterlag, und ſowohl die Strafe des Doppelten als die beim
Diebſtahl techniſchen Worte „damnum decidere“ deuten auf
das furtum nec manifestum hin.

Gegen poſitive Beſchädigungen der Sache von Seiten des
Beſitzers wäre der Gegner zwar durch andere Delictsklagen ge-
ſchützt geweſen,239) nicht aber gegen Deteriorationen durch Un-
terlaſſen.
In dieſer Richtung bedurfte es daher jedenfalls
der Begründung eines beſondern Obligationsverhältniſſes. Sie
erfolgte durch Beſtellung von Bürgen (praedes litis et vindicia-
rum
), welche dafür aufzukommen hatten, daß der Beſitzer die
Sache in ordnungsmäßigem Stand halte und dem Urtheil Folge
leiſte;240) wer ſie nicht ſtellen konnte, hatte auf die Vindicien
keinen Anſpruch. Die Realiſirung dieſes Obligationsanſpruchs
geſchah ſeparat in einem beſondern, ausſchließlich gegen den
Bürgen (der Beklagte war juriſtiſch gar nicht verpflichtet) ge-
richteten Verfahren, hatte alſo mit der reivind. Nichts gemein.

Die Beendigung des Proceſſes durch Urtheil und Exe-
cution blieb ebenfalls dem Charakter der rein dinglichen Klage
treu. Im neuern Recht haben beide die Form der perſönlichen
Klage angenommen. Die Verurtheilung erfolgt bei der petitoria
formula
auf Geld, alſo auf ein dare (nicht auf rem ejus esse)
— eine Veränderung, die durch die vielerlei obligatoriſchen Zu-

238) Denn bevor nicht das Haupturtheil geſprochen, ließ ſich nicht von
einem: vindiciam falsam tulisse reden.
239) z. B. durch die act. arborum furtim caesarum. Ebenſo im ſpä-
tern Recht: L. 27 §. 2 de R. V. (6. 1) … act. legis Aquiliae durat.
240) Auf erſteres beſchränkt ihre Haftung Pseudo-Asc. (Orelli p. 191):
ne interea possessionem deteriorem faciat, tecta dissipet, excidat arbo-
res et culta deserat,
während Gajus IV. 16, 94 ſie „litis et vindiciarum
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wegen haften läßt. Ueber die Natur dieſer Verbind-
lichkeit wird beſſer an anderer Stelle zu handeln ſein.
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[182/0198] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. jedenfalls geht daraus, daß wegen dieſer Früchte nach beendig- tem Hauptproceß 238) ein beſonderes Schätzungsgericht von drei Sachverſtändigen (tres arbitri) beſtellt wurde, ſoviel hervor, daß dieſer Poſten nicht der Cognition des Richters in der Hauptſache unterlag, und ſowohl die Strafe des Doppelten als die beim Diebſtahl techniſchen Worte „damnum decidere“ deuten auf das furtum nec manifestum hin. Gegen poſitive Beſchädigungen der Sache von Seiten des Beſitzers wäre der Gegner zwar durch andere Delictsklagen ge- ſchützt geweſen, 239) nicht aber gegen Deteriorationen durch Un- terlaſſen. In dieſer Richtung bedurfte es daher jedenfalls der Begründung eines beſondern Obligationsverhältniſſes. Sie erfolgte durch Beſtellung von Bürgen (praedes litis et vindicia- rum), welche dafür aufzukommen hatten, daß der Beſitzer die Sache in ordnungsmäßigem Stand halte und dem Urtheil Folge leiſte; 240) wer ſie nicht ſtellen konnte, hatte auf die Vindicien keinen Anſpruch. Die Realiſirung dieſes Obligationsanſpruchs geſchah ſeparat in einem beſondern, ausſchließlich gegen den Bürgen (der Beklagte war juriſtiſch gar nicht verpflichtet) ge- richteten Verfahren, hatte alſo mit der reivind. Nichts gemein. Die Beendigung des Proceſſes durch Urtheil und Exe- cution blieb ebenfalls dem Charakter der rein dinglichen Klage treu. Im neuern Recht haben beide die Form der perſönlichen Klage angenommen. Die Verurtheilung erfolgt bei der petitoria formula auf Geld, alſo auf ein dare (nicht auf rem ejus esse) — eine Veränderung, die durch die vielerlei obligatoriſchen Zu- 238) Denn bevor nicht das Haupturtheil geſprochen, ließ ſich nicht von einem: vindiciam falsam tulisse reden. 239) z. B. durch die act. arborum furtim caesarum. Ebenſo im ſpä- tern Recht: L. 27 §. 2 de R. V. (6. 1) … act. legis Aquiliae durat. 240) Auf erſteres beſchränkt ihre Haftung Pseudo-Asc. (Orelli p. 191): ne interea possessionem deteriorem faciat, tecta dissipet, excidat arbo- res et culta deserat, während Gajus IV. 16, 94 ſie „litis et vindiciarum i. e. rei et fructuum“ wegen haften läßt. Ueber die Natur dieſer Verbind- lichkeit wird beſſer an anderer Stelle zu handeln ſein.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/198>, abgerufen am 24.11.2024.