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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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B. Das Rechtsgeschäft. Concentration desselben. §. 53.
diese Akte haben nach Ansicht des Rechts nur Werth, wenn sie im
Moment ihrer Vornahme frei gewollt werden. Ganz dasselbe
nimmt das römische Recht auch für die beiden erbrechtlichen Akte:
die Errichtung des Testaments und die Antretung der Erbschaft
(B. 2 S. 230) an, und es beschränkt sich demnach die Möglichkeit
der Benutzung der Obligation (mit und ohne Zusatz von dies und
conditio) als eines Sicherungsmittels der demnächstigen Vor-
nahme des Rechtsgeschäfts oder um es mit einem Wort auszu-
drücken: der indirecten Anticipirung (obligatorischen Disconti-
rung) des Rechtsgeschäfts lediglich auf den vermögensrecht-
lichen Verkehr unter Lebenden
.

Werfen wir jetzt die Frage auf, ob die alte Jurisprudenz da-
mit das Richtige getroffen, so möchte es schwer sein, dies in Ab-
rede zu stellen. Allerdings würde es für den Betheiligten un-
gleich vortheilhafter sein, wenn er sich das künftige Recht anstatt
auf obligatorischem auf dinglichem Wege zusichern lassen könnte
d. h. mit der Wirkung, daß dasselbe mit Eintritt des Tages oder
der Bedingung von selbst ihm anfiele. Und in der That hat das
spätere römische Recht diesen Weg eingeschlagen, theils nämlich
beim Eigenthum durch Zulassung der bedingten Tradition --
hier ankert das Verhältniß aber doch noch mit dem Erforderniß
des gegenwärtigen Eigenthums des Bestellers und dem
äußern Akt der Besitzübertragung in dem festen Grunde der
Gegenwart; theils durch Zulassung der Verpfändung zukünftiger
Sachen -- hier treibt es, so zu sagen, ohne allen Halt und ohne
feste Richtung auf hoher See umher. Diese letztere Form wäre
der bloßen juristischen Idee nach die vollkommenste, aber vom
ökonomischen, legislativ-politischen Standpunkte aus ruft sie die
gewichtigsten Bedenken wach, und der Umstand, daß unsere mo-
dernen Gesetzgebungen über das Hypothekenwesen mit Aufstel-
lung des Grundsatzes der Specialität sich zum großen Theil
wiederum von ihr losgesagt haben, kann uns lehren, daß sie
dem wirklichen Interesse des Verkehrs eher widerspricht, als för-
derlich ist. Durch die Idee der privatrechtlichen Autonomie

B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53.
dieſe Akte haben nach Anſicht des Rechts nur Werth, wenn ſie im
Moment ihrer Vornahme frei gewollt werden. Ganz daſſelbe
nimmt das römiſche Recht auch für die beiden erbrechtlichen Akte:
die Errichtung des Teſtaments und die Antretung der Erbſchaft
(B. 2 S. 230) an, und es beſchränkt ſich demnach die Möglichkeit
der Benutzung der Obligation (mit und ohne Zuſatz von dies und
conditio) als eines Sicherungsmittels der demnächſtigen Vor-
nahme des Rechtsgeſchäfts oder um es mit einem Wort auszu-
drücken: der indirecten Anticipirung (obligatoriſchen Disconti-
rung) des Rechtsgeſchäfts lediglich auf den vermögensrecht-
lichen Verkehr unter Lebenden
.

Werfen wir jetzt die Frage auf, ob die alte Jurisprudenz da-
mit das Richtige getroffen, ſo möchte es ſchwer ſein, dies in Ab-
rede zu ſtellen. Allerdings würde es für den Betheiligten un-
gleich vortheilhafter ſein, wenn er ſich das künftige Recht anſtatt
auf obligatoriſchem auf dinglichem Wege zuſichern laſſen könnte
d. h. mit der Wirkung, daß daſſelbe mit Eintritt des Tages oder
der Bedingung von ſelbſt ihm anfiele. Und in der That hat das
ſpätere römiſche Recht dieſen Weg eingeſchlagen, theils nämlich
beim Eigenthum durch Zulaſſung der bedingten Tradition —
hier ankert das Verhältniß aber doch noch mit dem Erforderniß
des gegenwärtigen Eigenthums des Beſtellers und dem
äußern Akt der Beſitzübertragung in dem feſten Grunde der
Gegenwart; theils durch Zulaſſung der Verpfändung zukünftiger
Sachen — hier treibt es, ſo zu ſagen, ohne allen Halt und ohne
feſte Richtung auf hoher See umher. Dieſe letztere Form wäre
der bloßen juriſtiſchen Idee nach die vollkommenſte, aber vom
ökonomiſchen, legislativ-politiſchen Standpunkte aus ruft ſie die
gewichtigſten Bedenken wach, und der Umſtand, daß unſere mo-
dernen Geſetzgebungen über das Hypothekenweſen mit Aufſtel-
lung des Grundſatzes der Specialität ſich zum großen Theil
wiederum von ihr losgeſagt haben, kann uns lehren, daß ſie
dem wirklichen Intereſſe des Verkehrs eher widerſpricht, als för-
derlich iſt. Durch die Idee der privatrechtlichen Autonomie

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[159/0175] B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53. dieſe Akte haben nach Anſicht des Rechts nur Werth, wenn ſie im Moment ihrer Vornahme frei gewollt werden. Ganz daſſelbe nimmt das römiſche Recht auch für die beiden erbrechtlichen Akte: die Errichtung des Teſtaments und die Antretung der Erbſchaft (B. 2 S. 230) an, und es beſchränkt ſich demnach die Möglichkeit der Benutzung der Obligation (mit und ohne Zuſatz von dies und conditio) als eines Sicherungsmittels der demnächſtigen Vor- nahme des Rechtsgeſchäfts oder um es mit einem Wort auszu- drücken: der indirecten Anticipirung (obligatoriſchen Disconti- rung) des Rechtsgeſchäfts lediglich auf den vermögensrecht- lichen Verkehr unter Lebenden. Werfen wir jetzt die Frage auf, ob die alte Jurisprudenz da- mit das Richtige getroffen, ſo möchte es ſchwer ſein, dies in Ab- rede zu ſtellen. Allerdings würde es für den Betheiligten un- gleich vortheilhafter ſein, wenn er ſich das künftige Recht anſtatt auf obligatoriſchem auf dinglichem Wege zuſichern laſſen könnte d. h. mit der Wirkung, daß daſſelbe mit Eintritt des Tages oder der Bedingung von ſelbſt ihm anfiele. Und in der That hat das ſpätere römiſche Recht dieſen Weg eingeſchlagen, theils nämlich beim Eigenthum durch Zulaſſung der bedingten Tradition — hier ankert das Verhältniß aber doch noch mit dem Erforderniß des gegenwärtigen Eigenthums des Beſtellers und dem äußern Akt der Beſitzübertragung in dem feſten Grunde der Gegenwart; theils durch Zulaſſung der Verpfändung zukünftiger Sachen — hier treibt es, ſo zu ſagen, ohne allen Halt und ohne feſte Richtung auf hoher See umher. Dieſe letztere Form wäre der bloßen juriſtiſchen Idee nach die vollkommenſte, aber vom ökonomiſchen, legislativ-politiſchen Standpunkte aus ruft ſie die gewichtigſten Bedenken wach, und der Umſtand, daß unſere mo- dernen Geſetzgebungen über das Hypothekenweſen mit Aufſtel- lung des Grundſatzes der Specialität ſich zum großen Theil wiederum von ihr losgeſagt haben, kann uns lehren, daß ſie dem wirklichen Intereſſe des Verkehrs eher widerſpricht, als för- derlich iſt. Durch die Idee der privatrechtlichen Autonomie

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/175>, abgerufen am 25.11.2024.