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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
gilt auch für die Formeln der Rechtsgeschäfte. Darin liegt also
die Ausschließung sowohl des dies als der conditio.

Von der Bedingung kennt das alte Recht nur eine Art: die
Suspensivbedingung; die Resolutivbedingung ist ganz
jungen Datums. 210) Wenn es jene nun ausschließlich auf die
Obligation beschränkt, 211) den Verkehr also überall, wo der
Entschluß zu irgend einem Geschäft noch von zukünftigen Um-
ständen abhängt, auf die indirecte Anticipirung desselben in Form
des bedingten Versprechens verweist, so dürfen wir diesem
Gedanken den Ausdruck geben: das ältere Recht proklamirt für
alle Geschäfte den Grundsatz der Reife. Wie sie im Moment
ihrer Vornahme reif sein sollen rücksichtlich des Thatbestan-
des
, so auch rücksichtlich des Entschlusses; wo zu letzterem
etwas fehlt, soll man mit der Vornahme des Geschäfts selbst
noch warten und sich vorläufig mit der Form, die das Recht für
diesen Zweck in Bereitschaft hat: der Obligation, begnügen.

Für gewisse Geschäfte ist aber auch der Gebrauch dieses
Mittels ausgeschlossen, sie dulden also weder die directe, noch
die indirecte Anticipation. So zunächst für alle Rechtsgeschäfte
des Familienrechts. Zur Eingehung einer Ehe soll man sich
nicht im voraus verpflichten (daher sind die Sponsalien rechtlich
unverbindlich), eben so wenig zur Aufhebung derselben. Dasselbe
gilt von der Emancipation, Adoption und Arrogation. Alle

210) Sie verstößt nämlich gegen den Grundsatz der Einfachheit des
Rechtsgeschäfts (S. 131), denn in ihrer ursprünglichen Gestalt war sie nichts
als eine dem Hauptgeschäft hinzugefügte, auf Rückgabe gerichtete Neben-
obligation
unter einer Suspensivbedingung, ihre Betrachtung fällt daher
dem dritten System anheim.
211) Die Vat. fr. §. 329 erwähnen als Fälle der Unzulässigkeit der Hin-
zufügung einer Bedingung: die Bestellung eines cognitor, die mancipatio,
acceptilatio (L. 4. de accept. 46. 4)
und expensilatio; zu ihnen fügt L. 77
de R. J. (50. 17)
hinzu: die hereditatis aditio, servi optio und datio tutoris
(L. 6 §. 1 de tut. 26. 1)
und L. 8 de auct. (26. 8) die tutoris auctoritas.
Ueber die in jure cessio s. Note 208; die manumissio vindicta braucht
nicht erst erwähnt zu werden.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
gilt auch für die Formeln der Rechtsgeſchäfte. Darin liegt alſo
die Ausſchließung ſowohl des dies als der conditio.

Von der Bedingung kennt das alte Recht nur eine Art: die
Suspenſivbedingung; die Reſolutivbedingung iſt ganz
jungen Datums. 210) Wenn es jene nun ausſchließlich auf die
Obligation beſchränkt, 211) den Verkehr alſo überall, wo der
Entſchluß zu irgend einem Geſchäft noch von zukünftigen Um-
ſtänden abhängt, auf die indirecte Anticipirung deſſelben in Form
des bedingten Verſprechens verweiſt, ſo dürfen wir dieſem
Gedanken den Ausdruck geben: das ältere Recht proklamirt für
alle Geſchäfte den Grundſatz der Reife. Wie ſie im Moment
ihrer Vornahme reif ſein ſollen rückſichtlich des Thatbeſtan-
des
, ſo auch rückſichtlich des Entſchluſſes; wo zu letzterem
etwas fehlt, ſoll man mit der Vornahme des Geſchäfts ſelbſt
noch warten und ſich vorläufig mit der Form, die das Recht für
dieſen Zweck in Bereitſchaft hat: der Obligation, begnügen.

Für gewiſſe Geſchäfte iſt aber auch der Gebrauch dieſes
Mittels ausgeſchloſſen, ſie dulden alſo weder die directe, noch
die indirecte Anticipation. So zunächſt für alle Rechtsgeſchäfte
des Familienrechts. Zur Eingehung einer Ehe ſoll man ſich
nicht im voraus verpflichten (daher ſind die Sponſalien rechtlich
unverbindlich), eben ſo wenig zur Aufhebung derſelben. Daſſelbe
gilt von der Emancipation, Adoption und Arrogation. Alle

210) Sie verſtößt nämlich gegen den Grundſatz der Einfachheit des
Rechtsgeſchäfts (S. 131), denn in ihrer urſprünglichen Geſtalt war ſie nichts
als eine dem Hauptgeſchäft hinzugefügte, auf Rückgabe gerichtete Neben-
obligation
unter einer Suspenſivbedingung, ihre Betrachtung fällt daher
dem dritten Syſtem anheim.
211) Die Vat. fr. §. 329 erwähnen als Fälle der Unzuläſſigkeit der Hin-
zufügung einer Bedingung: die Beſtellung eines cognitor, die mancipatio,
acceptilatio (L. 4. de accept. 46. 4)
und expensilatio; zu ihnen fügt L. 77
de R. J. (50. 17)
hinzu: die hereditatis aditio, servi optio und datio tutoris
(L. 6 §. 1 de tut. 26. 1)
und L. 8 de auct. (26. 8) die tutoris auctoritas.
Ueber die in jure cessio ſ. Note 208; die manumissio vindicta braucht
nicht erſt erwähnt zu werden.
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[158/0174] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. gilt auch für die Formeln der Rechtsgeſchäfte. Darin liegt alſo die Ausſchließung ſowohl des dies als der conditio. Von der Bedingung kennt das alte Recht nur eine Art: die Suspenſivbedingung; die Reſolutivbedingung iſt ganz jungen Datums. 210) Wenn es jene nun ausſchließlich auf die Obligation beſchränkt, 211) den Verkehr alſo überall, wo der Entſchluß zu irgend einem Geſchäft noch von zukünftigen Um- ſtänden abhängt, auf die indirecte Anticipirung deſſelben in Form des bedingten Verſprechens verweiſt, ſo dürfen wir dieſem Gedanken den Ausdruck geben: das ältere Recht proklamirt für alle Geſchäfte den Grundſatz der Reife. Wie ſie im Moment ihrer Vornahme reif ſein ſollen rückſichtlich des Thatbeſtan- des, ſo auch rückſichtlich des Entſchluſſes; wo zu letzterem etwas fehlt, ſoll man mit der Vornahme des Geſchäfts ſelbſt noch warten und ſich vorläufig mit der Form, die das Recht für dieſen Zweck in Bereitſchaft hat: der Obligation, begnügen. Für gewiſſe Geſchäfte iſt aber auch der Gebrauch dieſes Mittels ausgeſchloſſen, ſie dulden alſo weder die directe, noch die indirecte Anticipation. So zunächſt für alle Rechtsgeſchäfte des Familienrechts. Zur Eingehung einer Ehe ſoll man ſich nicht im voraus verpflichten (daher ſind die Sponſalien rechtlich unverbindlich), eben ſo wenig zur Aufhebung derſelben. Daſſelbe gilt von der Emancipation, Adoption und Arrogation. Alle 210) Sie verſtößt nämlich gegen den Grundſatz der Einfachheit des Rechtsgeſchäfts (S. 131), denn in ihrer urſprünglichen Geſtalt war ſie nichts als eine dem Hauptgeſchäft hinzugefügte, auf Rückgabe gerichtete Neben- obligation unter einer Suspenſivbedingung, ihre Betrachtung fällt daher dem dritten Syſtem anheim. 211) Die Vat. fr. §. 329 erwähnen als Fälle der Unzuläſſigkeit der Hin- zufügung einer Bedingung: die Beſtellung eines cognitor, die mancipatio, acceptilatio (L. 4. de accept. 46. 4) und expensilatio; zu ihnen fügt L. 77 de R. J. (50. 17) hinzu: die hereditatis aditio, servi optio und datio tutoris (L. 6 §. 1 de tut. 26. 1) und L. 8 de auct. (26. 8) die tutoris auctoritas. Ueber die in jure cessio ſ. Note 208; die manumissio vindicta braucht nicht erſt erwähnt zu werden.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/174>, abgerufen am 22.11.2024.