Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
beweglichen Sachen hätte die Trennung des Theiles erst durch
die act. ad exhibendum vorbereitet werden müssen, bei unbe-
weglichen Sachen ist der Theil ein besonderes Ganze für sich, 125)
sondern auf einen intellektuellen Theil, auf eine Quote des
vom Kläger in Anspruch genommenen Rechts. Ich finde kein
Bedenken diese Frage zu bejahen, das Bedürfniß einer solchen
partiellen contravindic. war ganz dasselbe, wie das einer to-
talen, ja wo möglich noch höher, und da sie juristisch kein Ein-
wand
, sondern eine eigne Klage war, so war kein Grund vor-
handen, sie anders zu behandeln, als jede andere. Das Interesse
derselben liegt auf der Hand. Wenn zwei Personen das Mit-
eigenthum oder Miterbrecht, das jede von ihnen in Anspruch
nimmt, sich gegenseitig bestreiten, so hätte es ohne contravindi-
catio
für die Entscheidung dieses Streits im ältern Recht zweier
Processe bedurft, denn in jedem hätte der Richter nur über den
Antrag des Klägers erkennen dürfen; die contravind. machte
es möglich, die Anträge beider Partheien zuzulassen. Die Du-
plicität der Theilungs klagen findet mithin in der der Eigen-
thums- und Erbschaftsklage ihr Vorbild und Seitenstück, und
in dieser Anwendung war sie wiederum völlig unentbehrlich.

Wenn der Kläger seine Klage aufs Ganze gerichtet hatte,
so bot die Möglichkeit einer contravind. des Theils für den Be-
klagten ein ungleich geringeres Interesse, denn um die Abweisung
der Klage -- und zwar zum ganzen Betrage 126) -- zu bewir-
ken, dazu reichte schon der Beweis eines ihm zustehenden Theil-
rechts aus. Dagegen bezweifle ich nicht, daß der Beklagte auch
in diesem Fall mit der contravindic. seines Theils zugelassen
wurde, da es doch immer einen Unterschied machte, ob bloß der
Kläger ihm gegenüber abgewiesen oder er umgekehrt ihm als

daß sie eine vindicatio war. Gaj. IV. 16, 17. S. auch L. 1 §. 2 si pars
(5. 4) .. petere debebunt
.
125) L. 6 §. 1 Comm. utr. (8. 4) .. non est pars fundi, sed fundus
L. 25 §. 1 de V. S
. (50. 16).
126) Die Folge der plus-petitio, Gaj. IV. 54.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
beweglichen Sachen hätte die Trennung des Theiles erſt durch
die act. ad exhibendum vorbereitet werden müſſen, bei unbe-
weglichen Sachen iſt der Theil ein beſonderes Ganze für ſich, 125)
ſondern auf einen intellektuellen Theil, auf eine Quote des
vom Kläger in Anſpruch genommenen Rechts. Ich finde kein
Bedenken dieſe Frage zu bejahen, das Bedürfniß einer ſolchen
partiellen contravindic. war ganz daſſelbe, wie das einer to-
talen, ja wo möglich noch höher, und da ſie juriſtiſch kein Ein-
wand
, ſondern eine eigne Klage war, ſo war kein Grund vor-
handen, ſie anders zu behandeln, als jede andere. Das Intereſſe
derſelben liegt auf der Hand. Wenn zwei Perſonen das Mit-
eigenthum oder Miterbrecht, das jede von ihnen in Anſpruch
nimmt, ſich gegenſeitig beſtreiten, ſo hätte es ohne contravindi-
catio
für die Entſcheidung dieſes Streits im ältern Recht zweier
Proceſſe bedurft, denn in jedem hätte der Richter nur über den
Antrag des Klägers erkennen dürfen; die contravind. machte
es möglich, die Anträge beider Partheien zuzulaſſen. Die Du-
plicität der Theilungs klagen findet mithin in der der Eigen-
thums- und Erbſchaftsklage ihr Vorbild und Seitenſtück, und
in dieſer Anwendung war ſie wiederum völlig unentbehrlich.

Wenn der Kläger ſeine Klage aufs Ganze gerichtet hatte,
ſo bot die Möglichkeit einer contravind. des Theils für den Be-
klagten ein ungleich geringeres Intereſſe, denn um die Abweiſung
der Klage — und zwar zum ganzen Betrage 126) — zu bewir-
ken, dazu reichte ſchon der Beweis eines ihm zuſtehenden Theil-
rechts aus. Dagegen bezweifle ich nicht, daß der Beklagte auch
in dieſem Fall mit der contravindic. ſeines Theils zugelaſſen
wurde, da es doch immer einen Unterſchied machte, ob bloß der
Kläger ihm gegenüber abgewieſen oder er umgekehrt ihm als

daß ſie eine vindicatio war. Gaj. IV. 16, 17. S. auch L. 1 §. 2 si pars
(5. 4) .. petere debebunt
.
125) L. 6 §. 1 Comm. utr. (8. 4) .. non est pars fundi, sed fundus
L. 25 §. 1 de V. S
. (50. 16).
126) Die Folge der plus-petitio, Gaj. IV. 54.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <div n="11">
                            <div n="12">
                              <p><pb facs="#f0112" n="96"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/>
beweglichen Sachen hätte die Trennung des Theiles er&#x017F;t durch<lb/>
die <hi rendition="#aq">act. ad exhibendum</hi> vorbereitet werden mü&#x017F;&#x017F;en, bei unbe-<lb/>
weglichen Sachen i&#x017F;t der Theil ein be&#x017F;onderes Ganze für &#x017F;ich, <note place="foot" n="125)"><hi rendition="#aq">L. 6 §. 1 Comm. utr. (8. 4) .. non est pars fundi, sed fundus<lb/>
L. 25 §. 1 de V. S</hi>. (50. 16).</note><lb/>
&#x017F;ondern auf einen <hi rendition="#g">intellektuellen</hi> Theil, auf eine Quote des<lb/>
vom Kläger in An&#x017F;pruch genommenen Rechts. Ich finde kein<lb/>
Bedenken die&#x017F;e Frage zu bejahen, das Bedürfniß einer &#x017F;olchen<lb/>
partiellen <hi rendition="#aq">contravindic</hi>. war ganz da&#x017F;&#x017F;elbe, wie das einer to-<lb/>
talen, ja wo möglich noch höher, und da &#x017F;ie juri&#x017F;ti&#x017F;ch kein <hi rendition="#g">Ein-<lb/>
wand</hi>, &#x017F;ondern eine eigne Klage war, &#x017F;o war kein Grund vor-<lb/>
handen, &#x017F;ie anders zu behandeln, als jede andere. Das Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der&#x017F;elben liegt auf der Hand. Wenn zwei Per&#x017F;onen das Mit-<lb/>
eigenthum oder Miterbrecht, das jede von ihnen in An&#x017F;pruch<lb/>
nimmt, &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig be&#x017F;treiten, &#x017F;o hätte es ohne <hi rendition="#aq">contravindi-<lb/>
catio</hi> für die Ent&#x017F;cheidung die&#x017F;es Streits im ältern Recht zweier<lb/>
Proce&#x017F;&#x017F;e bedurft, denn in jedem hätte der Richter nur über den<lb/>
Antrag des <hi rendition="#g">Klägers</hi> erkennen dürfen; die <hi rendition="#aq">contravind</hi>. machte<lb/>
es möglich, die Anträge beider Partheien zuzula&#x017F;&#x017F;en. Die Du-<lb/>
plicität der <hi rendition="#g">Theilungs</hi> klagen findet mithin in der der Eigen-<lb/>
thums- und Erb&#x017F;chaftsklage ihr Vorbild und Seiten&#x017F;tück, und<lb/>
in die&#x017F;er Anwendung war &#x017F;ie wiederum völlig unentbehrlich.</p><lb/>
                              <p>Wenn der Kläger &#x017F;eine Klage aufs <hi rendition="#g">Ganze</hi> gerichtet hatte,<lb/>
&#x017F;o bot die Möglichkeit einer <hi rendition="#aq">contravind</hi>. des Theils für den Be-<lb/>
klagten ein ungleich geringeres Intere&#x017F;&#x017F;e, denn um die Abwei&#x017F;ung<lb/>
der Klage &#x2014; und zwar zum <hi rendition="#g">ganzen</hi> Betrage <note place="foot" n="126)">Die Folge der <hi rendition="#aq">plus-petitio, Gaj. IV.</hi> 54.</note> &#x2014; zu bewir-<lb/>
ken, dazu reichte &#x017F;chon der Beweis eines ihm zu&#x017F;tehenden Theil-<lb/>
rechts aus. Dagegen bezweifle ich nicht, daß der Beklagte auch<lb/>
in die&#x017F;em Fall mit der <hi rendition="#aq">contravindic</hi>. &#x017F;eines Theils zugela&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wurde, da es doch immer einen Unter&#x017F;chied machte, ob bloß der<lb/>
Kläger ihm gegenüber abgewie&#x017F;en oder er umgekehrt ihm als<lb/><note xml:id="seg2pn_8_2" prev="#seg2pn_8_1" place="foot" n="124)">daß &#x017F;ie eine <hi rendition="#aq">vindicatio</hi> war. <hi rendition="#aq">Gaj. IV.</hi> 16, 17. S. auch <hi rendition="#aq">L. 1 §. 2 si pars<lb/>
(5. 4) .. petere debebunt</hi>.</note><lb/></p>
                            </div>
                          </div>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0112] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. beweglichen Sachen hätte die Trennung des Theiles erſt durch die act. ad exhibendum vorbereitet werden müſſen, bei unbe- weglichen Sachen iſt der Theil ein beſonderes Ganze für ſich, 125) ſondern auf einen intellektuellen Theil, auf eine Quote des vom Kläger in Anſpruch genommenen Rechts. Ich finde kein Bedenken dieſe Frage zu bejahen, das Bedürfniß einer ſolchen partiellen contravindic. war ganz daſſelbe, wie das einer to- talen, ja wo möglich noch höher, und da ſie juriſtiſch kein Ein- wand, ſondern eine eigne Klage war, ſo war kein Grund vor- handen, ſie anders zu behandeln, als jede andere. Das Intereſſe derſelben liegt auf der Hand. Wenn zwei Perſonen das Mit- eigenthum oder Miterbrecht, das jede von ihnen in Anſpruch nimmt, ſich gegenſeitig beſtreiten, ſo hätte es ohne contravindi- catio für die Entſcheidung dieſes Streits im ältern Recht zweier Proceſſe bedurft, denn in jedem hätte der Richter nur über den Antrag des Klägers erkennen dürfen; die contravind. machte es möglich, die Anträge beider Partheien zuzulaſſen. Die Du- plicität der Theilungs klagen findet mithin in der der Eigen- thums- und Erbſchaftsklage ihr Vorbild und Seitenſtück, und in dieſer Anwendung war ſie wiederum völlig unentbehrlich. Wenn der Kläger ſeine Klage aufs Ganze gerichtet hatte, ſo bot die Möglichkeit einer contravind. des Theils für den Be- klagten ein ungleich geringeres Intereſſe, denn um die Abweiſung der Klage — und zwar zum ganzen Betrage 126) — zu bewir- ken, dazu reichte ſchon der Beweis eines ihm zuſtehenden Theil- rechts aus. Dagegen bezweifle ich nicht, daß der Beklagte auch in dieſem Fall mit der contravindic. ſeines Theils zugelaſſen wurde, da es doch immer einen Unterſchied machte, ob bloß der Kläger ihm gegenüber abgewieſen oder er umgekehrt ihm als 124) 125) L. 6 §. 1 Comm. utr. (8. 4) .. non est pars fundi, sed fundus L. 25 §. 1 de V. S. (50. 16). 126) Die Folge der plus-petitio, Gaj. IV. 54. 124) daß ſie eine vindicatio war. Gaj. IV. 16, 17. S. auch L. 1 §. 2 si pars (5. 4) .. petere debebunt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/112
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/112>, abgerufen am 23.11.2024.