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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
zur reivindicatio greifen. 99) Um zu constatiren, worauf der Be-
klagte seine Vertheidigung stützen will, wird er bei Beginn des
Processes gefragt, wie er besitze. Antwortet er: "als Erbe"
oder verweigert er die Auskunft, oder schützt er einen Eigen-
thumstitel vor, dessen Unwahrheit oder Nichtigkeit der Kläger
sich darzuthun getraut, 100) so wird die her. pet. gegen ihn ange-
stellt, entgegengesetzten Falls kommt es zur reivindicatio. 101)

Eine besonders interessante Gestalt nimmt das Verhältniß
an, wenn Obligation und Erbrecht in Conflict mit einander
gerathen. Dies ist dann der Fall, wenn einer der erbschaftlichen
Schuldner der gegen ihn erhobenen persönlichen Klage die
Behauptung des eignen Erbrechts entgegenstellen will. Auch
hier muß der Kläger, um ihm dies zu ermöglichen, zur hered. pe-
titio
greifen, 102) und zwar wird der Sache die Wendung ge-
geben, daß der Beklagte, wenn auch kein Stück, so doch ein
Recht (die Forderung) als Erbprätendent in Besitz genommen
habe (juris possessor). Wie sehr die Form dieser Klage durch
die Rücksicht auf die Vertheidigung des Beklagten bestimmt ist,
geht aus den Stellen der Note 102 hervor, denen zufolge der
Proceß dann nicht in die Form der Erbschaftsklage gewiesen
werden soll, wenn der Beklagte, ohne sich selbst ein Erbrecht an-
zumaßen, bloß das des Klägers bestreitet.

Die bisher entwickelte Idee des Klagzwangs muß gefaßt dar-
auf sein auf Widerspruch zu stoßen, namentlich bei allen denen,

99) Hier hat der Kläger einen ungleich schwierigeren Beweis zu führen;
zu dem seines Erbrechts gesellt sich nämlich noch der des Eigenthums seines
Erblassers hinzu.
100) Dies folgt aus L. 13 §. 1 de hered. pet. (5. 3): omnibus titulis
hic pro possessore haeret etc.
101) L. 16 §. 7 ibid.
102) L. 13 §. 15 L. 42 de her. pet. (5. 3), L. 10 i. f. si pars her.
(5. 4)
. Ganz schlagend ist namentlich die zweite Stelle: si debitor heredi-
tarius non ideo nolit solvere, quod se dicat heredem, sed quod
neget aut dubitet, an hereditas pertineat ad eum, qui petit hereditatem,
non tenetur petitione hereditatis.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
zur reivindicatio greifen. 99) Um zu conſtatiren, worauf der Be-
klagte ſeine Vertheidigung ſtützen will, wird er bei Beginn des
Proceſſes gefragt, wie er beſitze. Antwortet er: „als Erbe
oder verweigert er die Auskunft, oder ſchützt er einen Eigen-
thumstitel vor, deſſen Unwahrheit oder Nichtigkeit der Kläger
ſich darzuthun getraut, 100) ſo wird die her. pet. gegen ihn ange-
ſtellt, entgegengeſetzten Falls kommt es zur reivindicatio. 101)

Eine beſonders intereſſante Geſtalt nimmt das Verhältniß
an, wenn Obligation und Erbrecht in Conflict mit einander
gerathen. Dies iſt dann der Fall, wenn einer der erbſchaftlichen
Schuldner der gegen ihn erhobenen perſönlichen Klage die
Behauptung des eignen Erbrechts entgegenſtellen will. Auch
hier muß der Kläger, um ihm dies zu ermöglichen, zur hered. pe-
titio
greifen, 102) und zwar wird der Sache die Wendung ge-
geben, daß der Beklagte, wenn auch kein Stück, ſo doch ein
Recht (die Forderung) als Erbprätendent in Beſitz genommen
habe (juris possessor). Wie ſehr die Form dieſer Klage durch
die Rückſicht auf die Vertheidigung des Beklagten beſtimmt iſt,
geht aus den Stellen der Note 102 hervor, denen zufolge der
Proceß dann nicht in die Form der Erbſchaftsklage gewieſen
werden ſoll, wenn der Beklagte, ohne ſich ſelbſt ein Erbrecht an-
zumaßen, bloß das des Klägers beſtreitet.

Die bisher entwickelte Idee des Klagzwangs muß gefaßt dar-
auf ſein auf Widerſpruch zu ſtoßen, namentlich bei allen denen,

99) Hier hat der Kläger einen ungleich ſchwierigeren Beweis zu führen;
zu dem ſeines Erbrechts geſellt ſich nämlich noch der des Eigenthums ſeines
Erblaſſers hinzu.
100) Dies folgt aus L. 13 §. 1 de hered. pet. (5. 3): omnibus titulis
hic pro possessore haeret etc.
101) L. 16 §. 7 ibid.
102) L. 13 §. 15 L. 42 de her. pet. (5. 3), L. 10 i. f. si pars her.
(5. 4)
. Ganz ſchlagend iſt namentlich die zweite Stelle: si debitor heredi-
tarius non ideo nolit solvere, quod se dicat heredem, sed quod
neget aut dubitet, an hereditas pertineat ad eum, qui petit hereditatem,
non tenetur petitione hereditatis.
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[86/0102] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. zur reivindicatio greifen. 99) Um zu conſtatiren, worauf der Be- klagte ſeine Vertheidigung ſtützen will, wird er bei Beginn des Proceſſes gefragt, wie er beſitze. Antwortet er: „als Erbe“ oder verweigert er die Auskunft, oder ſchützt er einen Eigen- thumstitel vor, deſſen Unwahrheit oder Nichtigkeit der Kläger ſich darzuthun getraut, 100) ſo wird die her. pet. gegen ihn ange- ſtellt, entgegengeſetzten Falls kommt es zur reivindicatio. 101) Eine beſonders intereſſante Geſtalt nimmt das Verhältniß an, wenn Obligation und Erbrecht in Conflict mit einander gerathen. Dies iſt dann der Fall, wenn einer der erbſchaftlichen Schuldner der gegen ihn erhobenen perſönlichen Klage die Behauptung des eignen Erbrechts entgegenſtellen will. Auch hier muß der Kläger, um ihm dies zu ermöglichen, zur hered. pe- titio greifen, 102) und zwar wird der Sache die Wendung ge- geben, daß der Beklagte, wenn auch kein Stück, ſo doch ein Recht (die Forderung) als Erbprätendent in Beſitz genommen habe (juris possessor). Wie ſehr die Form dieſer Klage durch die Rückſicht auf die Vertheidigung des Beklagten beſtimmt iſt, geht aus den Stellen der Note 102 hervor, denen zufolge der Proceß dann nicht in die Form der Erbſchaftsklage gewieſen werden ſoll, wenn der Beklagte, ohne ſich ſelbſt ein Erbrecht an- zumaßen, bloß das des Klägers beſtreitet. Die bisher entwickelte Idee des Klagzwangs muß gefaßt dar- auf ſein auf Widerſpruch zu ſtoßen, namentlich bei allen denen, 99) Hier hat der Kläger einen ungleich ſchwierigeren Beweis zu führen; zu dem ſeines Erbrechts geſellt ſich nämlich noch der des Eigenthums ſeines Erblaſſers hinzu. 100) Dies folgt aus L. 13 §. 1 de hered. pet. (5. 3): omnibus titulis hic pro possessore haeret etc. 101) L. 16 §. 7 ibid. 102) L. 13 §. 15 L. 42 de her. pet. (5. 3), L. 10 i. f. si pars her. (5. 4). Ganz ſchlagend iſt namentlich die zweite Stelle: si debitor heredi- tarius non ideo nolit solvere, quod se dicat heredem, sed quod neget aut dubitet, an hereditas pertineat ad eum, qui petit hereditatem, non tenetur petitione hereditatis.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/102>, abgerufen am 27.11.2024.