Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. zack das Ziel zu erreichen. Es genügt ihr nicht bloß das Rich-tige zu treffen, sondern sie sucht auch zugleich äußerlich zu ver- sinnlichen oder anzudeuten, daß es das Richtige ist, sie dedu- cirt, so zu sagen, indem sie operirt. Es ist nicht gerade schwer, die lächerlichen Seiten dieses Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. zack das Ziel zu erreichen. Es genügt ihr nicht bloß das Rich-tige zu treffen, ſondern ſie ſucht auch zugleich äußerlich zu ver- ſinnlichen oder anzudeuten, daß es das Richtige iſt, ſie dedu- cirt, ſo zu ſagen, indem ſie operirt. Es iſt nicht gerade ſchwer, die lächerlichen Seiten dieſes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0026" n="10"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik.</fw><lb/> zack das Ziel zu erreichen. Es genügt ihr nicht bloß das Rich-<lb/> tige zu treffen, ſondern ſie ſucht auch zugleich äußerlich zu ver-<lb/> ſinnlichen oder anzudeuten, daß es das Richtige iſt, <hi rendition="#g">ſie dedu-<lb/> cirt, ſo zu ſagen, indem ſie operirt</hi>.</p><lb/> <p>Es iſt nicht gerade ſchwer, die lächerlichen Seiten dieſes<lb/> Bildes herauszukehren, wie Cicero bewieſen hat, allein ver-<lb/> dienſtlicher iſt es, ſich durch dieſelben nicht in ſeinem Urtheile<lb/> irre führen zu laſſen, was aus dem Grunde doppelt leicht iſt,<lb/> weil einmal der ganze Eindruck der alten Jurisprudenz, ihr<lb/> nüchterner, ſpießbürgerlicher, altväteriſcher Charakter durchaus<lb/> nichts Gewinnendes hat, und ſodann, weil ihre Leiſtungen mehr<lb/> verſteckter Art ſind, wenigſtens für uns, die wir uns einmal ge-<lb/> wöhnt haben, die Grundbegriffe des römiſchen Rechts als eine<lb/> urſprüngliche Mitgift der römiſchen Rechtsanſchauung zu be-<lb/> trachten. Wenn jene Eigenſchaften, die wir ſo eben hervor-<lb/> gehoben haben, allerdings bei einer „ſchönen“ Kunſt, deren We-<lb/> ſen die Poeſie iſt, übel am Platze ſind, ſo ſind ſie es darum nicht<lb/> auch bei unſerer juriſtiſchen, deren Weſen die nüchterne, dürre<lb/> Proſa iſt, und am wenigſten in einer Epoche derſelben, in der<lb/> noch das Senkblei und Winkelmaß regierten. Dem ſklaviſchen<lb/> Cultus der Regel, der ſelbſt vor der Gefahr des Lächerlichen<lb/> nicht zurückbebenden Conſequenz und Strenge der Methode ver-<lb/> dankt das römiſche Recht jene Vorzüge, die durch alles, was<lb/> die ſpätere Jurisprudenz geleiſtet, um nichts an ihrem Glanz<lb/> verlieren, ich meine die wunderbare Klarheit und Durchſichtigkeit<lb/> ſeiner ganzen Architektonik, die Deutlichkeit und Schärfe der<lb/> Grundlinien und Grundformen und die kryſtallartig-ſcharfe Ab-<lb/> gränzung und faſt mathematiſche Gegenſätzlichkeit der einzelnen<lb/> Begriffe. Das alte Recht iſt in einer Weiſe ſchulgerecht ange-<lb/> legt, daß man glauben möchte, es habe dem praktiſchen Leben<lb/> überall nicht angehört, ſei vielmehr rein zu didaktiſchen Zwecken<lb/> — als eine Art Schulrecht — entworfen worden: eine Vor-<lb/> ſtellung, an der wenigſtens ſo viel wahr iſt, daß nirgends die<lb/> Schule dem Leben gegenüber eine ſolche Macht geweſen und ein<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0026]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik.
zack das Ziel zu erreichen. Es genügt ihr nicht bloß das Rich-
tige zu treffen, ſondern ſie ſucht auch zugleich äußerlich zu ver-
ſinnlichen oder anzudeuten, daß es das Richtige iſt, ſie dedu-
cirt, ſo zu ſagen, indem ſie operirt.
Es iſt nicht gerade ſchwer, die lächerlichen Seiten dieſes
Bildes herauszukehren, wie Cicero bewieſen hat, allein ver-
dienſtlicher iſt es, ſich durch dieſelben nicht in ſeinem Urtheile
irre führen zu laſſen, was aus dem Grunde doppelt leicht iſt,
weil einmal der ganze Eindruck der alten Jurisprudenz, ihr
nüchterner, ſpießbürgerlicher, altväteriſcher Charakter durchaus
nichts Gewinnendes hat, und ſodann, weil ihre Leiſtungen mehr
verſteckter Art ſind, wenigſtens für uns, die wir uns einmal ge-
wöhnt haben, die Grundbegriffe des römiſchen Rechts als eine
urſprüngliche Mitgift der römiſchen Rechtsanſchauung zu be-
trachten. Wenn jene Eigenſchaften, die wir ſo eben hervor-
gehoben haben, allerdings bei einer „ſchönen“ Kunſt, deren We-
ſen die Poeſie iſt, übel am Platze ſind, ſo ſind ſie es darum nicht
auch bei unſerer juriſtiſchen, deren Weſen die nüchterne, dürre
Proſa iſt, und am wenigſten in einer Epoche derſelben, in der
noch das Senkblei und Winkelmaß regierten. Dem ſklaviſchen
Cultus der Regel, der ſelbſt vor der Gefahr des Lächerlichen
nicht zurückbebenden Conſequenz und Strenge der Methode ver-
dankt das römiſche Recht jene Vorzüge, die durch alles, was
die ſpätere Jurisprudenz geleiſtet, um nichts an ihrem Glanz
verlieren, ich meine die wunderbare Klarheit und Durchſichtigkeit
ſeiner ganzen Architektonik, die Deutlichkeit und Schärfe der
Grundlinien und Grundformen und die kryſtallartig-ſcharfe Ab-
gränzung und faſt mathematiſche Gegenſätzlichkeit der einzelnen
Begriffe. Das alte Recht iſt in einer Weiſe ſchulgerecht ange-
legt, daß man glauben möchte, es habe dem praktiſchen Leben
überall nicht angehört, ſei vielmehr rein zu didaktiſchen Zwecken
— als eine Art Schulrecht — entworfen worden: eine Vor-
ſtellung, an der wenigſtens ſo viel wahr iſt, daß nirgends die
Schule dem Leben gegenüber eine ſolche Macht geweſen und ein
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