Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. A. Im allgem.
Der Strenge nach hätte der Kläger bei der act. legis Aqui- liae den Werth der verletzten Sache im Moment der That beweisen müssen, und er würde mithin sich solcher Zeugen nicht haben bedienen können, die nicht bei der That selbst gegenwärtig waren und nur über den Werth der Sache in den letzten Tagen, Wochen, Monaten vor der That aussagen konnten, d. h. er würde den nöthigen Beweis in der Regel gar nicht haben er- bringen können. Daher war die Bestimmung der lex Aquilia, daß der Beweis des Werthes auf die letzte Zeit (Monat, be- ziehungsweise Jahr) gerichtet werden dürfe, im hohen Grade praktisch.
Das legatum per vindicationem setzte voraus, daß der Te- stator die legirte Sache im Moment der Testamentserrichtung wie des Todes im Eigenthum gehabt habe. 485) Wollte man diesen Gesichtspunkt streng durchführen, dem Legatar also den Beweis des wirklichen Eigenthums in jenen beiden Momenten aufbürden, so wäre es damit um die meisten Legate geschehen gewesen. Wie schwer hätte der Beweis nicht schon für den Te- stator selbst sein können, ungeachtet er doch wußte, wann und von wem er die Sache erworben, welche Zeugen gegenwärtig gewesen u. s. w. Von alle dem wußte der Legatar vielleicht nichts. Und selbst angenommen, der Beweis hätte sich einfach durch Urkunden erbringen lassen, die sich im Nachlaß befanden: der Legatar hatte sie weder in Händen, noch wußte er etwas von ihnen, und gerade der, welcher sie besaß, der Erbe, war bei der Nichterbringung des Beweises aufs Höchste interessirt. Of- fenbar konnte man hier vom Legatar keinen andern Beweis ver- langen, als daß der Testator die Sache zu jenen beiden Zeit- punkten gehabt, besessen habe. Und bei fungiblen Sachen war selbst dieser Nachweis noch zu schwer. Denn wenn der Te- stator z. B. ein gewisses Quantum Wein, Getraide vermacht hatte, so genügte der Beweis nicht, daß er dasselbe Quantum,
485)Gaj. II, 196.
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. A. Im allgem.
Der Strenge nach hätte der Kläger bei der act. legis Aqui- liae den Werth der verletzten Sache im Moment der That beweiſen müſſen, und er würde mithin ſich ſolcher Zeugen nicht haben bedienen können, die nicht bei der That ſelbſt gegenwärtig waren und nur über den Werth der Sache in den letzten Tagen, Wochen, Monaten vor der That ausſagen konnten, d. h. er würde den nöthigen Beweis in der Regel gar nicht haben er- bringen können. Daher war die Beſtimmung der lex Aquilia, daß der Beweis des Werthes auf die letzte Zeit (Monat, be- ziehungsweiſe Jahr) gerichtet werden dürfe, im hohen Grade praktiſch.
Das legatum per vindicationem ſetzte voraus, daß der Te- ſtator die legirte Sache im Moment der Teſtamentserrichtung wie des Todes im Eigenthum gehabt habe. 485) Wollte man dieſen Geſichtspunkt ſtreng durchführen, dem Legatar alſo den Beweis des wirklichen Eigenthums in jenen beiden Momenten aufbürden, ſo wäre es damit um die meiſten Legate geſchehen geweſen. Wie ſchwer hätte der Beweis nicht ſchon für den Te- ſtator ſelbſt ſein können, ungeachtet er doch wußte, wann und von wem er die Sache erworben, welche Zeugen gegenwärtig geweſen u. ſ. w. Von alle dem wußte der Legatar vielleicht nichts. Und ſelbſt angenommen, der Beweis hätte ſich einfach durch Urkunden erbringen laſſen, die ſich im Nachlaß befanden: der Legatar hatte ſie weder in Händen, noch wußte er etwas von ihnen, und gerade der, welcher ſie beſaß, der Erbe, war bei der Nichterbringung des Beweiſes aufs Höchſte intereſſirt. Of- fenbar konnte man hier vom Legatar keinen andern Beweis ver- langen, als daß der Teſtator die Sache zu jenen beiden Zeit- punkten gehabt, beſeſſen habe. Und bei fungiblen Sachen war ſelbſt dieſer Nachweis noch zu ſchwer. Denn wenn der Te- ſtator z. B. ein gewiſſes Quantum Wein, Getraide vermacht hatte, ſo genügte der Beweis nicht, daß er daſſelbe Quantum,
485)Gaj. II, 196.
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Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. A. Im allgem.
Der Strenge nach hätte der Kläger bei der act. legis Aqui-
liae den Werth der verletzten Sache im Moment der That
beweiſen müſſen, und er würde mithin ſich ſolcher Zeugen nicht
haben bedienen können, die nicht bei der That ſelbſt gegenwärtig
waren und nur über den Werth der Sache in den letzten Tagen,
Wochen, Monaten vor der That ausſagen konnten, d. h. er
würde den nöthigen Beweis in der Regel gar nicht haben er-
bringen können. Daher war die Beſtimmung der lex Aquilia,
daß der Beweis des Werthes auf die letzte Zeit (Monat, be-
ziehungsweiſe Jahr) gerichtet werden dürfe, im hohen Grade
praktiſch.
Das legatum per vindicationem ſetzte voraus, daß der Te-
ſtator die legirte Sache im Moment der Teſtamentserrichtung
wie des Todes im Eigenthum gehabt habe. 485) Wollte man
dieſen Geſichtspunkt ſtreng durchführen, dem Legatar alſo den
Beweis des wirklichen Eigenthums in jenen beiden Momenten
aufbürden, ſo wäre es damit um die meiſten Legate geſchehen
geweſen. Wie ſchwer hätte der Beweis nicht ſchon für den Te-
ſtator ſelbſt ſein können, ungeachtet er doch wußte, wann und
von wem er die Sache erworben, welche Zeugen gegenwärtig
geweſen u. ſ. w. Von alle dem wußte der Legatar vielleicht
nichts. Und ſelbſt angenommen, der Beweis hätte ſich einfach
durch Urkunden erbringen laſſen, die ſich im Nachlaß befanden:
der Legatar hatte ſie weder in Händen, noch wußte er etwas
von ihnen, und gerade der, welcher ſie beſaß, der Erbe, war bei
der Nichterbringung des Beweiſes aufs Höchſte intereſſirt. Of-
fenbar konnte man hier vom Legatar keinen andern Beweis ver-
langen, als daß der Teſtator die Sache zu jenen beiden Zeit-
punkten gehabt, beſeſſen habe. Und bei fungiblen Sachen
war ſelbſt dieſer Nachweis noch zu ſchwer. Denn wenn der Te-
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hatte, ſo genügte der Beweis nicht, daß er daſſelbe Quantum,
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/56>, abgerufen am 22.11.2024.
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