Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. jener Kreis bestimmt durch das Requisit des Greifens (Man-cipation, Abtretung vor Gericht, Vindication S. 596); er reicht so weit als die Hand. Für die Tradition ist er im neuern Recht (S. 453) ungleich weiter gezogen; hier reicht er so weit, als das Auge (traditio longa manu). Die Tragweite des Willens im Raum stuft sich demnach ab nach dem der Or- gane: der Hand, der Sprachwerkzeuge, des Ohrs, des Auges -- darüber hinaus kann der Wille keine Wirkungen ausüben. Um ihm diese zu ermöglichen, hätte man an die Stelle der mündlichen Rede das Schreiben oder an die der eignen Rede die des Stellvertreters setzen und rücksichtlich der Sachen das Requisit der actuellen oder (beim Besitz) potentiel- len Einwirkung auf dieselbe erlassen müssen. Hat das ältere Recht sich dazu verstanden? Die Frage ist Das bisher betrachtete Requisit bestand für sämmtliche (42. 2) genannte confessio in jure und jurata operarum promissio hervor. 925) Nicht bloß bei unbeweglichen Sachen, sondern auch bei beweglichen, die sich ohne Unbequemlichkeit nicht vor Gericht bringen ließen, Gaj. IV, 17. 926) An welchen Orten innerhalb Roms, ist damit schon gesagt. Es
wäre vielleicht nicht uninteressant, die Topographie Roms einmal mit Rück- Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. jener Kreis beſtimmt durch das Requiſit des Greifens (Man-cipation, Abtretung vor Gericht, Vindication S. 596); er reicht ſo weit als die Hand. Für die Tradition iſt er im neuern Recht (S. 453) ungleich weiter gezogen; hier reicht er ſo weit, als das Auge (traditio longa manu). Die Tragweite des Willens im Raum ſtuft ſich demnach ab nach dem der Or- gane: der Hand, der Sprachwerkzeuge, des Ohrs, des Auges — darüber hinaus kann der Wille keine Wirkungen ausüben. Um ihm dieſe zu ermöglichen, hätte man an die Stelle der mündlichen Rede das Schreiben oder an die der eignen Rede die des Stellvertreters ſetzen und rückſichtlich der Sachen das Requiſit der actuellen oder (beim Beſitz) potentiel- len Einwirkung auf dieſelbe erlaſſen müſſen. Hat das ältere Recht ſich dazu verſtanden? Die Frage iſt Das bisher betrachtete Requiſit beſtand für ſämmtliche (42. 2) genannte confessio in jure und jurata operarum promissio hervor. 925) Nicht bloß bei unbeweglichen Sachen, ſondern auch bei beweglichen, die ſich ohne Unbequemlichkeit nicht vor Gericht bringen ließen, Gaj. IV, 17. 926) An welchen Orten innerhalb Roms, iſt damit ſchon geſagt. Es
wäre vielleicht nicht unintereſſant, die Topographie Roms einmal mit Rück- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0393" n="687"/><fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus. §. 47.</fw><lb/> jener Kreis beſtimmt durch das Requiſit des <hi rendition="#g">Greifens</hi> (Man-<lb/> cipation, Abtretung vor Gericht, Vindication S. 596); er reicht<lb/> ſo weit als die <hi rendition="#g">Hand</hi>. Für die Tradition iſt er im neuern<lb/> Recht (S. 453) ungleich weiter gezogen; hier reicht er ſo weit,<lb/> als das <hi rendition="#g">Auge</hi> <hi rendition="#aq">(traditio longa manu).</hi> Die Tragweite des<lb/><hi rendition="#g">Willens</hi> im Raum ſtuft ſich demnach ab nach dem der <hi rendition="#g">Or-<lb/> gane</hi>: der Hand, der Sprachwerkzeuge, des Ohrs, des Auges<lb/> — darüber hinaus kann der Wille keine Wirkungen ausüben.<lb/> Um ihm dieſe zu ermöglichen, hätte man an die Stelle der<lb/><hi rendition="#g">mündlichen</hi> Rede das <hi rendition="#g">Schreiben</hi> oder an die der <hi rendition="#g">eignen</hi><lb/> Rede die des <hi rendition="#g">Stellvertreters</hi> ſetzen und rückſichtlich der<lb/> Sachen das Requiſit der actuellen oder (beim Beſitz) potentiel-<lb/> len Einwirkung auf dieſelbe erlaſſen müſſen.</p><lb/> <p>Hat das ältere Recht ſich dazu verſtanden? Die Frage iſt<lb/> entſchieden zu verneinen. Nur rückſichtlich des Princips der<lb/> Präſenz der <hi rendition="#g">Sache</hi> ließ man im Vindicationsproceß nicht ſo-<lb/> wohl eine Ausnahme, als eine Erleichterung zu: Repräſenta-<lb/> tion des Streitobjects (S. 534), <note place="foot" n="925)">Nicht bloß bei unbeweglichen Sachen, ſondern auch bei beweglichen,<lb/> die ſich ohne Unbequemlichkeit nicht vor Gericht bringen ließen, <hi rendition="#aq">Gaj. IV,</hi> 17.</note> die, wie S. 601 zu zeigen<lb/> verſucht iſt, auf die Mancipation unbeweglicher Sachen nicht<lb/> ohne Rückwirkung bleiben konnte und für ſie die völlige Aufgabe<lb/> jenes Princips nach ſich zog.</p><lb/> <p>Das bisher betrachtete Requiſit beſtand für <hi rendition="#g">ſämmtliche</hi><lb/> Rechtsgeſchäfte. Für gewiſſe Arten derſelben geſellte ſich noch<lb/> ein anderes hinzu, welches den Ort nicht bloß relativ, wie jenes,<lb/> ſondern <hi rendition="#g">abſolut</hi> beſtimmte. Alle an die Mitwirkung des<lb/><hi rendition="#g">Volks</hi>, der <hi rendition="#g">weltlichen</hi> und der <hi rendition="#g">geiſtlichen Behörden</hi><lb/> geknüpften Rechtsgeſchäfte (S. 552: 1, 2, 3) waren nur<lb/> am Sitz dieſer Gewalten, in <hi rendition="#g">Rom</hi> <note xml:id="seg2pn_43_1" next="#seg2pn_43_2" place="foot" n="926)">An welchen <hi rendition="#g">Orten</hi> innerhalb Roms, iſt damit ſchon geſagt. Es<lb/> wäre vielleicht nicht unintereſſant, die Topographie Roms einmal mit Rück-</note> möglich. Gruppiren<lb/><note xml:id="seg2pn_42_2" prev="#seg2pn_42_1" place="foot" n="924)">(42. 2) genannte <hi rendition="#aq">confessio in jure</hi> und <hi rendition="#aq">jurata operarum promissio</hi><lb/> hervor.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [687/0393]
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
jener Kreis beſtimmt durch das Requiſit des Greifens (Man-
cipation, Abtretung vor Gericht, Vindication S. 596); er reicht
ſo weit als die Hand. Für die Tradition iſt er im neuern
Recht (S. 453) ungleich weiter gezogen; hier reicht er ſo weit,
als das Auge (traditio longa manu). Die Tragweite des
Willens im Raum ſtuft ſich demnach ab nach dem der Or-
gane: der Hand, der Sprachwerkzeuge, des Ohrs, des Auges
— darüber hinaus kann der Wille keine Wirkungen ausüben.
Um ihm dieſe zu ermöglichen, hätte man an die Stelle der
mündlichen Rede das Schreiben oder an die der eignen
Rede die des Stellvertreters ſetzen und rückſichtlich der
Sachen das Requiſit der actuellen oder (beim Beſitz) potentiel-
len Einwirkung auf dieſelbe erlaſſen müſſen.
Hat das ältere Recht ſich dazu verſtanden? Die Frage iſt
entſchieden zu verneinen. Nur rückſichtlich des Princips der
Präſenz der Sache ließ man im Vindicationsproceß nicht ſo-
wohl eine Ausnahme, als eine Erleichterung zu: Repräſenta-
tion des Streitobjects (S. 534), 925) die, wie S. 601 zu zeigen
verſucht iſt, auf die Mancipation unbeweglicher Sachen nicht
ohne Rückwirkung bleiben konnte und für ſie die völlige Aufgabe
jenes Princips nach ſich zog.
Das bisher betrachtete Requiſit beſtand für ſämmtliche
Rechtsgeſchäfte. Für gewiſſe Arten derſelben geſellte ſich noch
ein anderes hinzu, welches den Ort nicht bloß relativ, wie jenes,
ſondern abſolut beſtimmte. Alle an die Mitwirkung des
Volks, der weltlichen und der geiſtlichen Behörden
geknüpften Rechtsgeſchäfte (S. 552: 1, 2, 3) waren nur
am Sitz dieſer Gewalten, in Rom 926) möglich. Gruppiren
924)
925) Nicht bloß bei unbeweglichen Sachen, ſondern auch bei beweglichen,
die ſich ohne Unbequemlichkeit nicht vor Gericht bringen ließen, Gaj. IV, 17.
926) An welchen Orten innerhalb Roms, iſt damit ſchon geſagt. Es
wäre vielleicht nicht unintereſſant, die Topographie Roms einmal mit Rück-
924) (42. 2) genannte confessio in jure und jurata operarum promissio
hervor.
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