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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
gedehnt (vom Erben auf den Nichterben) sondern der Begriff des
Erben (auf den Usucapienten).

Ebenso verhält es sich, nur nach entgegengesetzter Seite hin,
mit der bereits gelegentlich (S. 490) berührten von der alten
Jurisprudenz vorgenommenen Beschränkung des Intestaterbrechts
der Weiber. Dieselbe fand ihren praktischen Ausdruck in der Ver-
sagung der Erbschaftsklage, allein ohne daß letztere auch hier
durch die Veränderung unmittelbar betroffen worden wäre. Sie
ward nicht gewissen Erben entzogen, sondern gewisse Personen
hörten auf Erben zu sein.

In derselben Weise, wie die Jurisprudenz in diesen und an-
dern Fällen (z. B. der Einführung des Mancipationstesta-
ments) mit dem Erbrecht die eingreifendsten Veränderungen vor-
nahm, ich möchte sagen: in der Tiefe, im Innern des Instituts
-- ohne daß dieselben an der Oberfläche der Klage hervortraten,
in derselben Weise konnte sie es bei allen andern Instituten. Die
reivindicatio blieb, was sie war, auch wenn die Jurisprudenz
die Lehre von den Eigenthumserwerbungsarten, z. B. die Theo-
rie der Usucapion noch so sehr umgestaltete. Die actio confes-
soria
verspürte nichts davon, ob man bei den Servituten die
Usucapion ausschloß oder zuließ u. s. w. Nur wenn man sie
hätte ausdehnen wollen auf Servituten, die das Gesetz nicht
kannte (z. B. die Urbanalservituten der spätern Zeit), würde sich
ihre Legisactionen-Natur dagegen gesträubt haben; sie konnte
nur lauten auf iter, via, actus, aquae ductus.

Ueberblickt man die ganze Summe der Institute und Rechts-
sätze, die dem jus civile angehören, man wird eine Reihe der
eingreifendsten Maßregeln unter ihnen wahrnehmen, 899) aber
alle zusammen fügen sich der obigen Formel: unter ihnen be-
findet sich nicht eine einzige Klage
.

899) Außer den oben genannten hebe ich namentlich hervor die Umge-
staltung des Familienrechts (Emancipation, Adoption, coemptic fiduciae
causa, in jure cessio tutelae
), die Einführung der manumissio vindicta,
die in jure cessio der hereditas legitima u. s. w.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
gedehnt (vom Erben auf den Nichterben) ſondern der Begriff des
Erben (auf den Uſucapienten).

Ebenſo verhält es ſich, nur nach entgegengeſetzter Seite hin,
mit der bereits gelegentlich (S. 490) berührten von der alten
Jurisprudenz vorgenommenen Beſchränkung des Inteſtaterbrechts
der Weiber. Dieſelbe fand ihren praktiſchen Ausdruck in der Ver-
ſagung der Erbſchaftsklage, allein ohne daß letztere auch hier
durch die Veränderung unmittelbar betroffen worden wäre. Sie
ward nicht gewiſſen Erben entzogen, ſondern gewiſſe Perſonen
hörten auf Erben zu ſein.

In derſelben Weiſe, wie die Jurisprudenz in dieſen und an-
dern Fällen (z. B. der Einführung des Mancipationsteſta-
ments) mit dem Erbrecht die eingreifendſten Veränderungen vor-
nahm, ich möchte ſagen: in der Tiefe, im Innern des Inſtituts
— ohne daß dieſelben an der Oberfläche der Klage hervortraten,
in derſelben Weiſe konnte ſie es bei allen andern Inſtituten. Die
reivindicatio blieb, was ſie war, auch wenn die Jurisprudenz
die Lehre von den Eigenthumserwerbungsarten, z. B. die Theo-
rie der Uſucapion noch ſo ſehr umgeſtaltete. Die actio confes-
soria
verſpürte nichts davon, ob man bei den Servituten die
Uſucapion ausſchloß oder zuließ u. ſ. w. Nur wenn man ſie
hätte ausdehnen wollen auf Servituten, die das Geſetz nicht
kannte (z. B. die Urbanalſervituten der ſpätern Zeit), würde ſich
ihre Legisactionen-Natur dagegen geſträubt haben; ſie konnte
nur lauten auf iter, via, actus, aquae ductus.

Ueberblickt man die ganze Summe der Inſtitute und Rechts-
ſätze, die dem jus civile angehören, man wird eine Reihe der
eingreifendſten Maßregeln unter ihnen wahrnehmen, 899) aber
alle zuſammen fügen ſich der obigen Formel: unter ihnen be-
findet ſich nicht eine einzige Klage
.

899) Außer den oben genannten hebe ich namentlich hervor die Umge-
ſtaltung des Familienrechts (Emancipation, Adoption, coemptic fiduciae
causa, in jure cessio tutelae
), die Einführung der manumissio vindicta,
die in jure cessio der hereditas legitima u. ſ. w.
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[668/0374] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. gedehnt (vom Erben auf den Nichterben) ſondern der Begriff des Erben (auf den Uſucapienten). Ebenſo verhält es ſich, nur nach entgegengeſetzter Seite hin, mit der bereits gelegentlich (S. 490) berührten von der alten Jurisprudenz vorgenommenen Beſchränkung des Inteſtaterbrechts der Weiber. Dieſelbe fand ihren praktiſchen Ausdruck in der Ver- ſagung der Erbſchaftsklage, allein ohne daß letztere auch hier durch die Veränderung unmittelbar betroffen worden wäre. Sie ward nicht gewiſſen Erben entzogen, ſondern gewiſſe Perſonen hörten auf Erben zu ſein. In derſelben Weiſe, wie die Jurisprudenz in dieſen und an- dern Fällen (z. B. der Einführung des Mancipationsteſta- ments) mit dem Erbrecht die eingreifendſten Veränderungen vor- nahm, ich möchte ſagen: in der Tiefe, im Innern des Inſtituts — ohne daß dieſelben an der Oberfläche der Klage hervortraten, in derſelben Weiſe konnte ſie es bei allen andern Inſtituten. Die reivindicatio blieb, was ſie war, auch wenn die Jurisprudenz die Lehre von den Eigenthumserwerbungsarten, z. B. die Theo- rie der Uſucapion noch ſo ſehr umgeſtaltete. Die actio confes- soria verſpürte nichts davon, ob man bei den Servituten die Uſucapion ausſchloß oder zuließ u. ſ. w. Nur wenn man ſie hätte ausdehnen wollen auf Servituten, die das Geſetz nicht kannte (z. B. die Urbanalſervituten der ſpätern Zeit), würde ſich ihre Legisactionen-Natur dagegen geſträubt haben; ſie konnte nur lauten auf iter, via, actus, aquae ductus. Ueberblickt man die ganze Summe der Inſtitute und Rechts- ſätze, die dem jus civile angehören, man wird eine Reihe der eingreifendſten Maßregeln unter ihnen wahrnehmen, 899) aber alle zuſammen fügen ſich der obigen Formel: unter ihnen be- findet ſich nicht eine einzige Klage. 899) Außer den oben genannten hebe ich namentlich hervor die Umge- ſtaltung des Familienrechts (Emancipation, Adoption, coemptic fiduciae causa, in jure cessio tutelae), die Einführung der manumissio vindicta, die in jure cessio der hereditas legitima u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/374>, abgerufen am 24.11.2024.